Letzter Arbeitstag für Pascal Wehrlein im AMG Mercedes in Hockenheim: nach insgesamt vier Jahren in der DTM sucht sich der 23-Jährige eine neue Herausforderung. Foto: Daimler AG

Für Pascal Wehrlein endet in Hockenheim die DTM-Karriere sowie die Zusammenarbeit mit den langjährigen Förderer Mercedes. Jetzt schaut er sich nach neuen Arbeitgebern um und hat auch schon einen in der Formel 1 ausgeguckt.

Stuttgart/Hockenheim - Es war ein Abschied durch die Hintertür. Ein unscheinbarer Abgang aus der renommierten Tourenwagen-Serie. Man hätte fast schon Mitleid bekommen können. Pascal Wehrlein hat in Hockenheim das (vorerst) letzte DTM-Rennen seiner Karriere auf Platz 18 beendet. Letzter. Während die Mercedes-Mannschaft den Fahrertitel für Gray Paffett ausgiebig feierte, war der Rennfahrer aus Worndorf nur Statist im großen Rummel. Am Samstag war der DTM-Champion von 2015 wenigstens noch im Mittelfeld auf Rang elf ins Ziel gefahren; ein wenig besser platziert, aber für seine hohen Ansprüche keineswegs standesgemäß. „Das war leider ein Wochenende zum Vergessen für mich. Ich hatte das gesamte Wochenende über keinen Speed“, stöhnte Pascal Wehrlein.

Nicht nur Mercedes hat sich im Oktober 2018 aus dem Tourenwagen-Spektakel verabschiedet, auch der 23 Jahre alte Württemberger beendet dieses Kapitel seiner Laufbahn. Für ihn ist es mehr noch, für Pascal Wehrlein bedeutet dieser Abschied eine Zäsur. Seit 2012 stand das hoch begabte Talent bei Mercedes unter Vertrag, nun steht der Rennfahrer allein auf seinen Beinen.

Viele sahen in Wehrlein den nächsten Silberpfeil-Piloten

„Ich freue mich auf die Zukunft“, bekräftigt er, „ich bin dankbar für alles, aber nun muss ich mich selbst umschauen, nachdem mir Mercedes kein Cockpit mehr zur Verfügung stellen konnte.“ Die Bilderbuch-Karriere das smarten, wortgewandten jungen Mannes aus Oberschwaben hat einen Knick bekommen, so sieht es zumindest auf den ersten Blick aus. Nach Formel-3-Vizemeisterschaft 2012 und DTM-Titel 2015 folgten zwei Jahre bei Manor und Sauber in der Formel 1; nicht nur Ex-Teamchef Eddie Jordan war überzeugt, Wehrlein sei der nächste Silberpfeil-Pilot. Doch Mercedes bevorzugte Valtteri Bottas als Adjutant für Starfahrer Lewis Hamilton, bei Sauber gab es atmosphärische Störungen zwischen Wehrlein und manchen Mitarbeitern – nachdem in der Formel 1 kein Teamchef einen Job für den mitunter resoluten Deutschen hatte, parkte Mercedes den Kerl dieses Jahr in der DTM.

Eine Fahrt in die Sackgasse. Nun ist Wehrlein arbeitslos. „Schade, dass sich alles so entwickelt hat. Das ist schon ärgerlich“, sagt er. Aber er ist weit entfernt, verzweifelt zu sein. Wer sich als Steppke vom Kart bis in die Formel 1 (freilich mit Unterstützung eines Weltkonzerns) durchgeschlagen hat, kennt erstens die wichtigen Kontakte der Vollgasbranche und weiß zweitens, wie man seine Interessen wahrt. Es gibt schlechtere Voraussetzungen in der Ellbogengesellschaft Motorsport, in der sich jeder selbst der Nächste ist. Wehrlein weiß, dass er nichts geschenkt bekommt, und bevorzugt wie so oft auf der Rennstrecke die Strategie: Angriff ist die beste Verteidigung. „Ich bin mein eigener Manager und kann alleine über meinen Weg entscheiden“, betont er, „ich habe bereits einige sehr interessante Angebote erhalten.“

Auch Jobs in Nordamerika oder Australien sind möglich

Mit Toro Rosso wurde sein Name in Verbindung gebracht, das Zweitteam von Getränkeriese Red Bull hat ein Plätzchen frei. Bislang hat die Truppe aus Faenza lediglich den Russen Daniil Kwijat unter Vertrag. Wehrlein wird erstaunlich wortkarg, sobald die Sprache auf Toro Rosso kommt. Auf die Frage, ob es Gespräche gab, druckst er herum wie ein Pennäler, der auf die Hausaufgaben angesprochen wird, die er bloß lückenhaft erledigt hat. „Nächste Frage“, sagt er, „ich würde nächstes Jahr gerne in der Formel 1 starten – ob ich ein Cockpit bekomme, kann ich aber noch nicht sagen.“ Toro Rosso wäre die letzte Option, die anderen Teams sind komplett oder sie stecken in Zwängen, die einen Vertrag mit Wehrlein unmöglich erscheinen lassen. Dass sogenannte Bezahlfahrer wie etwa Milliardärssohn Lance Stroll, Cockpits blockieren, macht ihm zu schaffen. „Das ärgert mich“, bekennt der Arbeitslose, „natürlich sind das keine schlechten Rennfahrer, aber ich glaube, es gibt eben welche, die sind besser und haben kein Cockpit.“ Um seinen Marktwert zu unterstreichen, erläutert Wehrlein noch, dass Marcus Ericsson und Esteban Ocon noch immer in der erste PS-Liga fahren – er sie aber regelmäßig geschlagen hat, als sie seine Teamkollegen waren.

Natürlich gibt es Motorsport jenseits der Formel 1, mit Entscheidern der IndyCar-Serie in Nordamerika sowie der australischen V8-Supercars-Serie hat er Kontakt aufgenommen. Wehrlein ist auf weltweiter Jobsuche, er ist globaler Einzelunternehmer – und zuversichtlich, dass er im kommenden Jahr unterkommen wird. „Ich bin 23“, sagt er, „ich habe Perspektive.“ Selbst wenn die Formel 1 vorerst für ihn zum Niemandsland werden sollte, glaubt er fest an eine mögliche Rückkehr. „Ich muss mit Leistung überzeugen, egal in welcher Serie, dann ist nichts ausgeschlossen“, sagt Wehrlein. Vielleicht folgt auf einen unbeachteten Abschied aus der DTM ein fulminanter Neueinstieg.