Politiker, Funktionär, Hobby-Sportler: Rainer Brechtken wird 70 Foto: dpa

Er ist ehrgeizig, selbstbewusst und wenn es sein muss auch ziemlich unbequem. Das war in der Politik so und ist im Sport so geblieben. Rainer Brechtken zählt zu den prägenden Charakteren der Region. An diesem Samstag feiert der Schorndorfer seinen 70. Geburtstag.

Stuttgart - Daran mussten sich die Sportsfreunde aus den deutschen Turnerbünden erst noch gewöhnen. Sie zuckten gehörig zusammen, als Rainer Brechtken vor 15 Jahren ans Rednerpult schritt, das Mikrofon ausrichtete und seine Vorstellungen von der Arbeit des Deutschen Turner-Bundes (DTB) formulierte. Energisch, laut, ohne Kompromisse. Sie haben ihn in Leipzig trotzdem zu ihrem Präsidenten gewählt – und er ist es bis heute geblieben.

Und wenn von 7. bis 13. September die besten Gymnastinnen der Welt nach Stuttgart kommen, dann werden sie ihm im Rahmen der WM noch einmal die Schultern platt klopfen. Weil er am 15. August, an diesem Samstag, seinen Siebzigsten feierte – und weil er im Frühjahr nächsten Jahres sein Präsidentenamt niederlegt. Man muss kein Prophet sein, um zu vermuten, wie es die Laudatoren formulieren werden: „Rainer, du hast tiefe Spuren hinterlassen.“

Man könnte auch sagen, der am 15. August 1945 in Ludwigsburg geborene Sozialdemokrat hat seine Sache gut gemacht. Erst als Präsident des Schwäbischen Turnerbunds (STB/1994 bis 2012), dann als bundesweiter Vorturner (seit 2000) und als Sprecher der Spitzenverbände im Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB/seit 2008).

Rainer Brechtkens größte Leistung aber ist und bleibt: Er hat den deutschen Turnsport durch entschlossene Umstrukturierungen und Reformen wieder aus dem Tal der Bedeutungslosigkeit geholt.

Im Frühjahr räumt Brechtken seinen Stuhl beim DTB

Dass dies nicht ohne Probleme ging, ist unbestritten. Mit der Zentralisierung der Leistungs-Stützpunkte schuf er sich nicht nur Freunde. Der Neubau der Frankfurter DTB-Zentrale stockte, weil der Generalunternehmer in Insolvenz ging. Die Turner blickten finanziell in den Abgrund, es hagelte Kritik am Präsidenten. Aber Brechtken bekam, auch mit Hilfe der Landesverbände, die Finanzen in den Griff.

„Inzwischen sehen wir wieder Land“, sagt er erleichtert. Dann hagelte es Vorwürfe (Beleidigung, Körperverletzung) gegen Trainerinnen und Funktionäre am Gymnastik-Stützpunkt in Schmiden. Noch ist die Causa nicht komplett ausgestanden, aber der DTB-Chef ist sicher, dass die eingezogenen Sicherungs-Systeme (z.B. Ombudsfrau, Personalwechsel) funktionieren.

Im nächsten Frühjahr wird der Schorndorfer seinen Stuhl beim Deutschen Turner-Bund (DTB) räumen. Ein Jahr früher als nötig. Er will bei der Besetzung wichtiger Posten in der Frankfurter DTB-Zentrale seinem designierten Nachfolger Alfons Hölzl aus Bayern die Entscheidungen überlassen.

Auch als SPD-Politiker Karriere gemacht

Ähnlich klar hielt er es auch mit seinen Plänen in der Politik. Der SPD-Politiker war von 1980 bis 2001 Landtagsabgeordneter, von 1992 bis 1996 Staatssekretär im Wirtschaftsministerium. Zwischendurch kandidierte er für den Oberbürgermeister-Posten in Stuttgart. Erfolglos. 2001 zog er sich aus der Politik zurück – mit der Erkenntnis. „Wenn man mal in der Regierung gesessen hat, ist die Opposition nicht mehr das große Vergnügen.“

Jetzt feiert der Maulturner, wie er sich einmal selber nannte, nach vielen politischen und sportlichen Klimmzügen den 70. Geburtstag. Mit vielen Freunden und Verwandten. Und er, der am liebsten die erste Geige spielt, sagt: „Es darf jetzt auch mal ein bisschen ruhiger werden.“ Dann bleibt wieder mehr Zeit fürs Joggen und Radfahren. Seine neuen Pläne macht zu einem Gutteil Heidegard, seine Frau. „Sie hat viele Aufgaben für mich“, sagt Rainer Brechtken. Wer ihn kennt, weiß: er auch.