Weltstar im Anflug: Simone Biles ist beim DTB-Pokal in Stuttgart die überragende Turnerin. Foto: Baumann

Simone Biles hat beim DTB-Pokal in Stuttgart alle Erwartungen erfüllt – und überlegen gewonnen. Das Publikum in der Porsche-Arena war begeistert von ihr.

Stuttgart - Das Social-Media-Zeitalter treibt manchmal rechts seltsame Blüten, und so kam es, dass die US-Starturnerin Simone Biles (22) nach ihrem hochüberlegenen Erfolg beim DTB-Pokal in Stuttgart nach der Siegerehrung noch nicht so recht gerüstet war fürs Siegerfoto. Denn: Biles wollte selbst fotografieren. Sie hatte ihr Smartphone samt Selfie-Stick einfach mit aufs Podium gebracht und knipste eifrig, um ihre eigenen Fotos gleich hinaus in die weite Welt der sozialen Netzwerke posten zu können. Am Ende lächelte sie dann nach der Zeremonie doch noch in die guten, alten Kameras der recht verdutzten Fotografenschar hinter der Absperrung. Wie gut, dass sich die Bilder am Ende glichen: Biles knipste ihr Siegerlächeln an. Wie so oft in den vergangenen Jahren.

Der Superstar hatte vor 5000 Zuschauern in der ausverkauften Porsche-Arena mal wieder abgeliefert. Biles war der Konkurrenz hochüberlegen – und das im Wortsinn. Wie ein Flummi sprang das 1,42 Meter große Kraftpaket durch die Halle, begleitet von „Aaaaaaahhhs“, „Ooooooohhhs“ und Beifallsstürmen des begeisterten Publikums.

Die anderen sieben Starterinnen beim Weltcup-Mehrkampf turnten am Sprung oder am Boden eine Etage tiefer. Denn Biles, 14-fache Weltmeisterin und vierfache Goldmedaillengewinnerin bei den Olympischen Spielen in Rio 2016, verschob die Grenzen wieder nach oben. Oder, wie es die Lokalmatadorin Elisabeth Seitz, die am Ende einen starken dritten Platz belegte, ausdrückte: „Wenn Simone und ich am Boden gleichzeitig turnen würden, ergäbe das ein lustiges Bild: Ich würde immer um Längen unter ihr durchspringen.“

Simone Biles überlässt nichts dem Zufall

Und Biles selbst? Die Siegerin hakte ihren Erfolg an der Stätte der WM im Oktober, ganz der Superstar, eher geschäftsmäßig ab. Lächeln anknipsen, routinemäßig ins Publikum winken und sagen, dass man sich auf die Rückkehr nach Stuttgart bei der WM freut, das war das Standard-Programm. Warum das so war, erklärte Simone Biles am Sonntag selbst: „Meine Freunde in den USA sagen mir immer, wie toll mein Turnerinnen-Leben doch sei, weil ich immer neue Länder und Städte kennenlerne“, erklärte sie: „Aber ich muss ihnen dann immer sagen, dass das für mich nur reine Geschäftsreisen sind. Ich sehe nur mein Hotel und die Wettkampfhallen, mehr nicht.“ So war es jetzt auch bei der Premiere in Stuttgart – die Biles routinemäßig, also wie fast immer formidabel, absolvierte.

Sie wollte ja, weil sie nichts dem Zufall überlässt, den Neckarpark und seine Hallen kennenlernen. Jene Stätten also, in denen vom 4. bis. 13 Oktober bei der WM die Trainingseinheiten und Wettkämpfe stattfinden. Das hat Biles jetzt erledigt, nebenher noch die 12 000 Franken Siegprämie eingeheimst – und sich dann schon wieder auf die nächste Dienstreise gemacht. Am nächsten Wochenende steigt in London ein Schauwettkampf aktueller und ehemaliger Turngrößen. Biles sitzt dabei in der Jury – und wird unter anderem Elisabeth Seitz bewerten.

Marcel Nguyen zeigt sich hellwach

Die Turnerin des MTV Stuttgart strahlte am Sonntag fast noch mehr als die Gewinnerin – weil ihr dritter Platz wie ein Sieg war. Ob es nicht deprimierend sei, dass es in Biles eine derart überlegene Konkurrentin und es deshalb kaum Siegchancen gebe, wurde sie gefragt. Seitz lächelte und meinte: „Nein, sie ist eher Ansporn und Inspiration für uns alle – denn man sieht durch Simone, was in unserer Sportart alles möglich ist.“ Dabei legte auch Seitz einen starken Auftritt hin. Erstmals seit sechs Jahren präsentierte sie wieder die Doppelschraube bei ihrem Jurtschenko-Sprung und erkämpfte mit 14,50 Punkten das zweitbeste Resultat am Auftaktgerät. Der Fokus liegt nun auf der Heim-WM – bei der Seitz nach ihrer Bronzemedaille am Stufenbarren 2018 in Doha nachlegen will. „Die Konkurrenz schläft nicht“, sagte sie am Ende dazu: „Aber ich auch nicht.“

In der Männerkonkurrenz zeigte sich am Samstag ebenfalls ein Lokalmatador hellwach. Marcel Nguyen überzeugte beim Mehrkampf und wurde Vierter. Danach machte Nguyen seinen Wunsch öffentlich, aufgrund der Verletzungsgefahr bei der EM vom 10. bis 14. April in Stettin auf den Mehrkampf zu verzichten und sich auf seine Spezialgeräte zu konzentrieren. „Es ist legitim von ihm, dass er das äußert. Aber ich habe eine andere Meinung“, sagte der deutsche Cheftrainer Andreas Hirsch dazu: „Wir werden die Sache klären.“