CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer schlägt gegenüber dem ungarischen Regierungschef Viktor Orban härtere Töne an. Foto: dpa

Immer wieder attackiert der ungarische Regierungschef Viktor Orban die europäische Migrationspolitik. Langsam verliert nun auch die Union die Geduld. Doch vor der Europawahl traut sich niemand, einen Ausschluss aus der konservativen Parteienfamilie zu verlangen.

Berlin - Unions-Spitzenpolitiker haben nach langer Zurückhaltung ihren Ton gegenüber dem rechtsnationalen ungarischen Regierungschef Viktor Orban verschärft. Nach dessen neuen Attacken auf EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und die europäische Migrationspolitik drohte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer am Donnerstag mit einem Abbruch der regelmäßigen Gespräche mit der Partei Fidesz von Orban. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, Juncker habe ihre volle Solidarität. Der EVP-Spitzenkandidat für die Europawahl Ende Mai, Manfred Weber (CSU), warnte, Orban müsse erkennen, dass er sich derzeit immer weiter von der EVP entferne.

Bislang pflegte gerade die CSU ein gutes Verhältnis zu Orban. Nun kamen auch von Parteichef Markus Söder kritische Töne. „Die jüngsten Äußerungen von Viktor Orban sind nicht akzeptabel“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Freitag). Dieser müsse zeigen, ob er noch zur EVP gehören wolle. Die Unionsfraktion im Bundestag war schon am Donnerstag auf Distanz zu Orban gegangen. Einen Ausschluss aus der EVP forderten aber weder Kramp-Karrenbauer, noch Merkel, Söder oder Weber. CDU und CSU sind wie Fidesz Mitglied der EVP.

Plakat sorgt für Aufregung

Die ungarische Regierung hatte am Montag ein Plakat vorgestellt, auf dem Juncker und der liberale US-Milliardär George Soros, der ungarischer Herkunft ist, zu sehen sind. Es suggeriert, die beiden wollten illegale Migration nach Ungarn fördern. In seiner jüngsten Rede zur Lage der Nation sagte Orban mit Blick auf die Europawahl Ende Mai: „Wir stoppen die migrationsfördernde Mehrheit.“ Jene Länder, die die Migration unterstützen, „erzeugen in Wirklichkeit eine Mischbevölkerung“.

Kramp-Karrenbauer sagte dem „Spiegel“, man habe in der Europäischen Volkspartei (EVP) in der Vergangenheit „zusammen mit unseren Schwesterparteien daran gearbeitet, dass Europa als Ganzes zusammenwächst“. Dies bedeute auch die Fähigkeit, es über streitige Sachfragen nicht zu einer erneuten Spaltung Europas kommen zu lassen. Dieses Ziel sei „durch die jüngsten nicht nachvollziehbaren und haltlosen Vorwürfe der Fidesz unter Viktor Orban in Gefahr geraten. Sie schwächen und schaden darüber hinaus die EVP als Ganzes“.

Ball liegt bei Ungarn

Die CDU werde den regelmäßigen Dialog mit Fidesz nutzen, um diese Haltung deutlich zu machen, kündigte die Parteivorsitzende an. „Sollte sich in diesem Rahmen allerdings kein gemeinsames Verständnis für die Ziele der EVP mehr herstellen lassen, würde das Format keinen Sinn machen und demzufolge beendet“, sagte sie mit Blick auf die Gespräche mit Fidesz. „Es liegt an der ungarischen Seite, belastbar zu beweisen, dass sie sich der EVP noch zugehörig fühlt.“

Weber sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Freitag), Teile von Orbans Rede zur Lage der Nation und sowie die jüngste Anti-Migrations-Kampagne gegen Juncker hätten „in der EVP großes Unverständnis und Verärgerung“ ausgelöst. Er halte „manche Formulierungen für inakzeptabel“, sagte Weber, der auch CSU-Vize ist und Juncker im Herbst als Kommissionschef folgen möchte. Er rechne damit, dass sich auch CDU und CSU damit befassen werden.

Kommt eine Entschuldigung?

Die Führung der Unionsfraktion im Bundestag hatte den Verbleib von Orbans Fidesz-Partei in der EVP in Frage gestellt. Die Attacke gegen Juncker sei „politisch völlig inakzeptabel und eines Ministerpräsidenten absolut unwürdig“, sagte Fraktionsvize Johann Wadephul (CDU) der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Sie widerspreche allen Werten, für die christdemokratische Parteien in der EVP stünden. Die Unionsfraktion erwarte „eine klare Entschuldigung Orbans bei Kommissionspräsident Juncker“.

Der Chef der CDU/CSU-Gruppe im Europaparlament, Daniel Caspary (CDU), sagte dem „Spiegel“, was Orban derzeit mache, sei unerträglich. Der innenpolitische Sprecher der CSU im Bundestag, Volker Ullrich, sagte, die Kampagne gegen Juncker und Soros sei inakzeptabel. „Wir müssen auch innerhalb der EVP-Fraktion deutlich machen, dass europäische Werte wie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechtsbindung für alle gelten, auch für Viktor Orban.“