Auch in Ludwigsburg drohen Fahrverbote für ältere Diesel-Autos, die Stadt kann sie wohl kaum verhindern. Foto: dpa

Der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas fordert die Einführung der Blauen Plakette und fürchtet den Einfluss der Autolobby. Die Stadt Ludwigsburg versucht derweil, Diesel-Fahrverbote abzuwenden, aber die Chancen stehen schlecht. Die Entscheidung rückt näher.

Ludwigsburg - Vor dem Hintergrund der anhaltend hohen Luftverschmutzung hat sich der Ludwigsburger Landrat Rainer Haas jetzt klar für die Einführung einer Blauen Plakette ausgesprochen – und in dem Zusammenhang scharfe Kritik an der Autoindustrie und der Bundespolitik geübt. Gegenüber unserer Zeitung sagte er, er könne „nur mit großer Verwunderung zur Kenntnis nehmen“, dass die Politik sich weiterhin gegen die Plakette sperre. „Das legt nahe, dass die Lobbyisten der Autoindustrie mittlerweile einen so starken Einfluss haben, dass keine rationale Entscheidung mehr getroffen werden kann.“

Vor allem die CSU, die mit Andreas Scheuer den Verkehrsminister stellt, wehrt sich vehement gegen die Plakette. In Interviews erklärte Scheuer, er halte diese für das falsche Mittel, weil sie den Einstieg in Fahrverbote bedeute. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann griff Scheuer wegen dieser Aussagen kürzlich heftig an. Auch das Umweltbundesamt oder Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fordern die Blaue Plakette, um damit eine bundesweit einheitliche Regelung statt eines Flickenteppichs an Einzellösungen zu schaffen. Für die Umwelthilfe kommt eine weitere Komponente hinzu: „Die Plakette würde die Umsetzung von Fahrverboten deutlich erleichtern“, sagt Dorothee Saar, die Leiterin Verkehr und Luftreinhaltung der DUH. Anders als der Verkehrsminister bewertet der Verein Verbote positiv.

In der Praxis läuft die Blaue Plakette auf Fahrverbote hinaus

Mit der Blauen Plakette sollen Autos gekennzeichnet werden, die die Schadstoffgrenzwerte einhalten, für andere Fahrzeuge wären Städte mit stark belasteter Luft dann tabu. In der Praxis läuft das auf Fahrverbote hinaus, die aber wohl sowieso kaum noch abzuwenden sind. Das Bundesverwaltungsgericht hat unlängst geurteilt, dass Verbote grundsätzlich zulässig seien. Nicht nur die DUH ist überzeugt, dass sie unabdingbar sind, um die Luftqualität erheblich zu verbessern. In Kommunen, in denen der Stickstoffdioxid-Grenzwert klar überschritten werde, werde es „anders nicht gehen“, sagt Saar. Das betrifft im Kreis Ludwigsburg, der extrem von Verkehr belastet ist, konkret die Stadt Ludwigsburg und die Gemeinde Pleidelsheim.

19 Kommunen hat die DUH bereits wegen Grenzwertüberschreitungen verklagt, 40 weiteren Städten Klagen angedroht. Nach Ostern will die Umwelthilfe bekannt geben, in welchen Fällen sie tatsächlich juristische Schritte einleitet. Die Chancen für Ludwigsburg stehen eher schlecht. Zwar verweist die Stadtverwaltung darauf, dass die Stickstoffdioxid-Belastung in den vergangenen Jahren kontinuierlich zurückgegangen ist. Aber sie war zuletzt mit 51 Mikrogramm Stickoxid pro Kubikmeter Luft immer noch viel zu hoch, erlaubt sind im Jahresmittel lediglich 40 Mikrogramm. Pleidelsheim ist immerhin schon runter auf 47 Mikrogramm.

Der Landrat rechnet mit einer Klagewelle – gegen die Autohersteller

Ludwigsburg hat aus diesem Grund ein Maßnahmenpaket mit dem Ziel geschnürt, die Luft sauberer zu machen und Fahrverbote zu verhindern. Unter anderem sollen der öffentliche Nahverkehr ausgebaut, ein verbilligtes Tagesticket für Busse eingeführt und die Elektromobilität gefördert werden. Ein Fahrverbot wäre eine Zumutung, sagt der Bürgermeister Konrad Seigfried. „Es gibt schließlich jede Menge Menschen, die dann kurzfristig vor der Entwertung ihrer Autos stehen würden.“

Es ist absehbar, dass all das die DUH nicht überzeugen wird. „Bei vielen der von den Städten vorgeschlagenen Maßnahmen sind Effekte schwer zu beziffern“, sagt Saar. Oft sei völlig unklar, ob und wann die Schadstoffbelastung gesenkt werden könne. Solch vage Ankündigungen seien nicht ausreichend.

Für die betroffenen Autobesitzer bleibt daher wohl nur die Hoffnung, dass die Industrie sich bewegt – bis dato lehnt sie Nachrüstungen für eine bessere Abgasreinigung ab. „Sehr erstaunlich“ finde er diese Haltung, sagt Rainer Haas. Der Landrat verbindet mit der Blauen Plakette auch die Hoffnung, dass der Druck auf die Branche steigt. Weil Volkswagen und andere Hersteller versucht haben, Abgaswerte zu manipulieren, rechnet der Landrat, selbst Jurist, mit einer Klagewelle. „Wenn die Industrie Werte nicht eingehalten hat, müsste klar sein, dass den Käufern der Fahrzeuge Schadenersatzansprüche zustehen“, sagt er. „Ich halte das für völlig korrekt.“