CSU-Chef Franz Josef Strauß hat 1976 die Gemeinschaft mit der CDU gekündigt. Foto: AP

Franz Josef Strauß hat sich vor 42 Jahren von der CDU losgesagt. Die Trennung der Fraktionsgemeinschaft wurde damals aber nicht vollzogen. Und heute?

Berlin - Ein Gespenst geht um in Berlin, ein Gespenst namens „Kreuth“. Im Jahr 1976 hatten die CSU-Bundestagsabgeordneten im oberbayerischen Wildbad Kreuth mit 30 zu 18 Stimmen den Beschluss gefasst, die seit 1949 bestehende Fraktionsgemeinschaft mit der CDU zu verlassen. Dazu kam es damals nicht – auch wenn der damalige CSU-Chef Franz Josef Strauß auf diese Weise seinem Zorn über die knapp verlorene Bundestagswahl Luft machen wollte.

Ob die Christsozialen 42 Jahre nach Kreuth die schwarz-schwarze Allianz jetzt tatsächlich kündigen, ist offen. Fest steht nur, dass einige CSU-Politiker mit diesem Gedanken spielen, um die CDU im Asylstreit zum Einlenken zu bewegen. Wenn es zur Trennung käme, würde sich die CSU aber wohl selbst enorm schaden. Denn daraus könnte folgen, dass CDU und CSU in Bayern und bundesweit gegeneinander bei Wahlen antreten.

Der Trennungsbeschluss wurde nicht umgesetzt

Damit jedoch verlöre die CSU, was sie lange Zeit stark gemacht hat: Ihren Charakter als weiß-blaue Regionalpartei, die für den Freistaat im Bund sehr viel herausholen kann – das gilt gerade für finanzielle Mittel beispielsweise im Straßen- oder Schienenbau – und dafür gute Wahlergebnisse erzielt. Zwar sind die Zeiten vorbei, in denen die Christsozialen wie selbstverständlich absolute Mehrheiten schafften. Seinerzeit ging es nur darum, wie groß bei der berühmten Formel „50 Prozent plus X“ das „X“ ausfiel. Doch auch jetzt ist die CSU immer noch eine starke Volkspartei. So stellt sie derzeit allein die bayerische Staatsregierung. Bei der Bundestagswahl 2017 kam sie auf 38,8 Prozent – ein Wert, den die CDU in keinem der anderen 15 Länder erreichte.

Um ihre Besonderheit zu wahren, hat die CSU 1976 den Kreuth-Beschluss nicht umgesetzt und danach nie wieder ernsthaft eine Trennung erwogen. Die Fraktionsgemeinschaft führt dazu, dass CDU/CSU seit 1949 meist die größte Fraktion im Bundestag stellten und damit das Amt des Bundestagspräsidenten besetzen konnten. Dies hatte mit Richard Stücklen auch schon ein CSU-Politiker inne.

Im Jahr 2005 erwuchs aus der Gemeinschaft noch eine größere Macht. Damals lagen Union und SPD bei der Bundestagswahl fast gleichauf. Bei der Frage, wer den Kanzler stellen sollte, wiesen SPD-Vertreter darauf hin, dass die SPD mit 34,2 Prozent klar die stärkste Kraft geworden war, während die CDU nur auf 27,8 Prozent und die CSU – bundesweit betrachtet – nur auf 7,4 Prozent gekommen war. Daraus leiteten die Sozialdemokraten den Anspruch für eine weitere Kanzlerschaft Gerhard Schröders in einer Großen Koalition ab. Erst nach Protesten der Union stand fest, dass Angela Merkel als gemeinsame Kandidatin von CDU und CSU – zusammen lagen die Unionsschwestern bei 35,2 Prozent und damit knapp vor der SPD – die Kanzlerin sein sollte.

Sorge vor einem Bedeutungsverlust

Auch nach der Wahl 2009 gab es seitens der SPD den Versuch, die Fraktionsgemeinschaft in Frage zu stellen. Dazu wäre es aber nötig, eine Mehrheit im Parlament zu finden und die Geschäftsordnung zu ändern. Sie besagt, dass die Abgeordneten eine Fraktion bilden, die zu einer Partei gehören – oder zu verschiedenen Parteien, „die auf Grund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen.“ Diesen Halbsatz setzten CDU und CSU 1969 durch. Vorher hatten sie nach jeder Wahl ihre Fraktionsgemeinschaft extra vom Bundestag genehmigen lassen müssen.

Große Sorge vor einem Bedeutungsverlust hatte die CSU im Jahr 1990. Nach dem Mauerfall stellte sich die Frage, wer in den neuen Ländern antreten sollte: Nur die CDU oder auch die CSU? Eine Zeit lang unterstützen die Christsozialen eine Formation namens „Deutsche Soziale Union“ (DSU), die versuchte, in den neuen Ländern Stimmen zu gewinnen. Sie verschwand aber ganz rasch von der Bildfläche und überließ das ostdeutsche Unionsterrain allein der CDU.

Die CSU musste sich damit trösten, dass sie innerhalb der Unionsfraktion seit langem einige Privilegien genießt. Aktuell stellt sie 46 Abgeordnete, während beispielsweise die CDU Nordrhein-Westfalens auf 40 kommt. Trotzdem darf die CSU immer einen Vizepräsidenten des Parlaments stellen, eigene fachpolitische Sprecher benennen und – sofern die Union mitregiert – meist drei Minister und einige parlamentarische Staatssekretäre ins Kabinett schicken. Viele Posten und großer Einfluss für die CSU: Gut möglich, dass sich das Gespenst namens „Kreuth“ rasch wieder aus Berlin verabschiedet.