Mutter Anna Lantavou und Tochter Panagiota: In dem Schreiben, das sie lesen, steht, dass die Wohnung Ende des Monats geräumt sein muss. Foto: factum/Weise

Sie wohnen in einer Ludwigsburger Dachgeschosswohnung, deren Boden einsturzgefährdet ist. Sie würden gern ausziehen, doch die fünfköpfige Familie Lantavou findet keinen Ersatz. Jetzt droht die Obdachlosigkeit. Ärger mit dem Vermieter gibt es obendrein.

Ludwigsburg - Die Heizung glüht, die Ecklampe leuchtet warm, von der Kommode an der Wand blickt eine gerahmte Maria auf das weiche Sofa, auf dem Anna und Panagiota Lantavou sitzen. Sehr gemütlich wirkt das alles. Trotzdem sagt Anna Lantavou: „Ich habe Angst.“

Das Haus in der Ludwigsburger Talstraße steckt in einem Gerüst, im Hausflur stapeln sich Säcke mit Estrich und Dämmplatten, auf dem Dach sind Bauarbeiter zu Gange. Sehr betriebsam wirkt das alles. Trotzdem sagt Halil Cetin, dem das Haus gehört: „Das ist eine Katastrophe.“

Anna Lantavou hat Angst, weil sie mit ihrer Familie aus der Wohnung im Dachgeschoss des Hauses ziehen muss – und nicht weiß, wohin. Die Wohnung muss dringend saniert werden. Doch die Familie Lantavou hat bis jetzt keine neue Heimat gefunden, weshalb Halil Cetin mit der Sanierung nicht vorankommt. Inzwischen ist es amtlich, dass das Gebäude einsturzgefährdet ist, und den Lantavous die Obdachlosigkeit droht. Das alles meint Halil Cetin, wenn er sagt: „Das ist eine Katastrophe.“

In der Wohnung in der Unteren Stadt leben außer Anna (61) und Panagiota (35) Lantavou auch Ioakim (62), Vasiliki (36) und Anna (10). Die Wohnung ist klein, umfasst rund 40 Quadratmeter, und alt, aber das hat die Familie nicht gestört. Dafür ist die Miete günstig: 370 Euro warm. Bis zum vergangenen Sommer war für die Lantavous alles in bester Ordnung, dann starb die Vermieterin, und „das große Problem begann“, wie es Panagiota Lantavou formuliert. Das Haus wurde verkauft, seit November gehört es Halil Cetin. Der 44-Jährige will das alte Gebäude kernsanieren, um drei moderne Wohnungen vermieten zu können. Er kündigte den Bewohnern.

Der neue Vermieter will kernsanieren

Schweren Herzens machte sich die Familie auf die Suche nach einer neuen Wohnung. Sie durchforstete Inserate und schaltete selbst Anzeigen, Panagiota Lantavou meldete sich bei Plattformen im Internet an und wurde bei der Wohnungsbau Ludwigsburg vorstellig. Die 36-Jährige ahnt, dass es für manchen Vermieter nicht ansprechend wirkt, wenn eine fünfköpfige Familie mit nicht-deutschem Namen ein Quartier sucht. Aber, betont sie, alle Erwachsenen der Familie haben einen festen Arbeitsplatz, und Lantavous können sich eine höhere Miete als jetzt leisten. Bis 1000 Euro kalt darf die neue Bleibe kosten. Trotzdem: Ihre Suche hat bis jetzt keinen Erfolg gebracht.

Stattdessen gibt es immer heftigeren Streit mit dem jetzigen Vermieter Halil Cetin, dessen Zeitplan schwer durcheinander gerät. Eigentlich sollten die Arbeiten im Juni beendet sein, aber dass es so kommt, kann er sich nicht mehr vorstellen. „Ich stecke komplett in der Scheiße“, klagt der Mann, der die Immobilie gekauft hat, um mit den Mieteinnahmen später seine Rente aufbessern zu können. Halil Cetin sagt, er würde die Umzugskosten der Lantavous bezahlen oder die Gebühren für einen Makler – Hauptsache, die Wohnung ist bald frei. Inzwischen ist die Räumung nämlich auch eine Frage der Sicherheit.

Der Fußboden ist nur provisorisch gesichert

Bei der Sanierung der Wohnung im Stockwerk unter Lantavous – dort wohnte bis zu ihrem Tod die frühere Vermieterin – stellte sich heraus, dass stellenweise die Decke einsturzgefährdet ist. Den Lantavous könnte es auch im Wortsinne den Boden unter den Füßen wegziehen. Momentan sind Stellen provisorisch gesichert. Doch das Ludwigsburger Bauamt hat festgestellt: „Durch die Nutzung des Dachgeschosses liegt eine akute Gefährdung von Leben und Gesundheit von Menschen vor.“ Die Konsequenz: Spätestens am 28. Februar muss das Stockwerk geräumt sein. Wenn Lantavous bis dahin nichts gefunden haben, müssten sie in ein Obdachlosenheim.

Der Fall aus der Talstraße ist selbst für die Berater der Wohnungslosenhilfe Ludwigsburg ungewöhnlich. Üblicherweise hat die gemeinnützige Gesellschaft mit Kündigungen wegen Mietschulden zu tun oder wegen Eigenbedarf. In diesem Fall aber sind beide Parteien Opfer, sagt Tamara Palmer, die die Familie unterstützt. Eine Wohnung herbeizaubern kann aber auch die Sozialarbeiterin nicht.

„Ich habe Angst“, sagt ihre Mutter

„Wir wollen ja umziehen, aber wir können nicht“, sagt Panagiota Lanatvou. „Ich habe Angst“, sagt ihre Mutter Anna.