... könnte es auf Verteidigungsexpertin Birgit Homburger zulaufen. Foto: dpa

Steuerstreit vor dem Dreikönigstreffen - Ex-Landtagsfraktionschef Noll kündigt für 2011 Rückzug aus der Politik an

Stuttgart - Eigentlich hätten die Liberalen nach Ansicht ihrer Führungsriege allen Grund, sich beim traditionellen Dreikönigstreffen in Stuttgart zu feiern: Nach elf Jahren Opposition regieren sie auch im Bund wieder mit. Und mit Bundestagsfraktionschefin Birgit Homburger und Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel ist die Südwest-FDP an höchster Stelle gut vertreten. Wenn da nur nicht der Streit mit der Union über die im Koalitionsvertrag vereinbarten Steuerentlastungen wäre. Den gebe es ja gar nicht, erklärte zwar FDP-Landeschefin Homburger am Montag in Stuttgart. "Wir haben eine wirklich gute Stimmung in der Koalition." Da werde "aus nichts ein Dissens öffentlich gebastelt".

CSU-Chef Horst Seehofer hatte zuvor die FDP-Spitze davor gewarnt, überzogene Steuersenkungen zu versprechen. Die FDP will 2011 weitere Steuerentlastungen in Höhe von 24 Milliarden Euro. Unions-Fraktionsvize Michael Meister (CDU) forderte von der FDP dafür Finanzierungsvorschläge. "Es geht nicht, dass in einer Koalition die einen für Steuersenkungen zuständig sind und sich die anderen um die Haushaltssanierung kümmern sollen." Konkrete Finanzierungsvorschläge zu machen, lehnte Homburger gestern ab. Wenn sie "jetzt einzelne Themen rausgreife, würden diese sofort zerredet. Wir brauchen ein Gesamtkonzept."

Aber auch in den eigenen Reihen regt sich Unzufriedenheit über die Steuerpolitik. Die Jungen Liberalen, die Nachwuchsorganisation der FDP, warfen der Bundespartei "verschwenderische Lobbyversprechen zulasten kommender Generationen" vor. Bestes Beispiel sei die bereits beschlossene Senkung der Umsatzsteuer für Hotelübernachtungen. Mit einer Aktion vor der Staatsoper am Mittwochmorgen wollen die Nachwuchspolitiker "zeigen, dass es auch innerhalb der FDP zahlreiche Mitglieder gibt, die sich gegen ordnungspolitisch sinnlose Klientelpolitik zulasten kommender Generationen aussprechen", erklärte der Landesvorsitzende des Julis, Leif Schubert. "Wer vor dem Wahlkampf beklagt, dass auf Windeln 19 Prozent und auf Kaviar 7 Prozent Konsumsteuer entfällt und anschließend das Hotelgewerbe entlastet, ist nicht glaubwürdig", kritisierte der 22-Jährige. "So wird das Steuersystem weder einfach noch gerecht."

Ähnlich sieht das auch der FDP-Landtagsabgeordnete Ulrich Noll. Statt um Entlastung müsse es um Vereinfachung und Transparenz gehen, sagte der ehemalige Vorsitzende der FDP-Landtagsfraktion. Dazu müssten alle Steuerschlupflöcher gestopft werden. Für den einen oder anderen Steuerzahler könnte das durchaus bedeuten, dass er künftig mehr bezahlen müsse.

Am Montagmorgen hatte die FDP-Führung durch die Deutsche Presse-Agentur erfahren, dass Noll 2011 nicht mehr für den Landtag kandidieren wird. Der 63-jährige Zahnarzt aus dem Wahlkreis Nürtingen gehörte seit 1996 dem Parlament an und stand seit 2004 an der Spitze der FDP-Landtagsfraktion. Im vergangenen Juni wählte ihn die 15-köpfige Fraktion überraschend ab. Immer wieder war Noll angeeckt, weil er bei Themen wie Flughafenausbau, Atomkraftwerken oder Werkrealschule nicht die offizielle Linie von Partei und Fraktion vertrat.

Er sehe im Landtag keine Perspektive mehr für seine Anliegen, sagte Noll am Montag. Vor allem in der Schulpolitik fehle ihm ein zukunftsfähiges Konzept. Noll hatte sich mehrfach dafür ausgesprochen, die Grundschulzeit auf sechs Jahre zu verlängern und die Kinder nicht schon nach der vierten Klasse auf Gymnasium, Realschule, Hauptschule und künftig auch die neue Werkrealschule zu verteilen. "20 Jahre lang, bis zu ihrem Eintritt in die Landesregierung 1996, haben wir uns in unseren Wahlprogrammen dafür starkgemacht, dass Kinder länger gemeinsam lernen sollen."

"Ich bin nicht der Meinung, dass Schulstrukturdiskussionen der Schlüssel für den Erfolg der Schulpolitik in Baden-Württemberg sind", entgegnete Landeschefin Homburger. Die sechsjährige Grundschule habe bisher weder in der Partei noch in der Landtagsfraktion eine Mehrheit erhalten. Wichtig sei vor allem, Kinder früher zu fördern. Mit der Sprachstandsdiagnose für Vierjährige und entsprechenden Förderangeboten sei die Landesregierung dank des Drucks der Liberalen auf dem richtigen Weg.

Um das Thema Bildung wird es auch beim Landesparteitag gehen. Im Mittelpunkt steht allerdings die Diskussion des neuen Grundsatzprogramms. Erstmals in ihrer Geschichte wollen sich die Südwest-Liberalen ein solches Programm geben - angeregt wurde es von der Parteibasis. In dem 21-seitigen Papier sprechen sich die Liberalen für Freiheit, Eigenverantwortung und Wettbewerb aus. Diese Leitideen sollen alle politischen Bereiche durchziehen.