Donald Trumps Anhänger sehen Hillary Clinton als Hexe. Die Porträtserie „Hillary“ will dieses Bild korrigieren Foto: AP/Evan Agostini

Die Dokumentation „Hillary“ bei Sky widmet sich der zeitweilig meistgehassten Frau der USA: Hillary Clinton. Die Filmemacherin Nanette Burstein schildert die Karriere der Juristin und ihren scheiternden Anlauf aufs Weiße Haus.

Stuttgart - In den Konflikten der Realität würde man das einen asymmetrischen Krieg nennen. Die eine Seite kämpft mit wuchtigen, teuren Waffensystemen nach den alten Regeln der Strategen, die andere schnell, billig, und effektiv mit improvisierten Alltagswaffen. Donald Trump und sein Team haben in ihrem schmutzigen Wahlkampf ums Präsidentenamt 2016 Guerillataktiken angewandt, um die schon vorher nicht nur beliebte Hillary Rodham Clinton zur meistgehassten Frau Amerikas zu machen. Sie brauchten keine Werbekampagne auf allen TV-Kanälen, sie nutzten Twitter und Facebook, dreiste Lügen und maßlose Übertreibungen, schrille Verzerrungen und griffige Hassparolen.

Bald stand die völlig überrumpelte Clinton nicht als maßlos ungeeignet fürs angestrebte Amt da (was das übliche Ziel einer Antikampagne in Wahlzeiten gewesen wäre), sondern als korrupte, verfilzte Landesverräterin, die im Gefängnis sitzen sollte. Trumps Anhänger, die der skeptischen Realitätsbetrachtung einen Brei aus Hass, Irrsinn, Paranoia, Prahlerei, Patriotismus und Verleumdung vorziehen und jede Portion in den sozialen Netzwerken weiterreichen, glauben das bis heute.

Ausgleichende Überhöhung

Nanette Bursteins üppige TV-Doku „Hillary“ – vier mal eine Stunde – ist der Versuch, nach dem verlorenen Krieg doch noch eine Schlacht zu gewinnen. Dieses Filmporträt wird gegen die vielen Anti-Hillary-Phrasen in Stellung gebracht, die bis heute in Umlauf sind. Dabei soll nicht nur allgemein ein Image wieder aufgehellt werden. Es geht darum, die Juristin, Frauenrechtlerin und Politikerin von einem Makel zu befreien, der ihr bei den eigenen Parteifreunden anhaftet: dass sie eben doch klar absehbar eine ungeeignete Kandidatin war. Dass sie aus Eitelkeit und Machthunger kandidierte und so erst die historische Katastrophe ermöglichte, den Sieg Trumps. Jeder andere Demokrat, lautet eine wohl zu simple Bilanz, hätte das Weiße Haus erobert, einzig gegen Clinton konnte Trump sich durchsetzen.

Burstein lässt keinen Zweifel daran, dass es ihr um ausgleichende Überhöhung geht, um ein Gegengewicht zur fortwährenden Hasspropaganda, nicht um Ausgewogenheit innerhalb ihres Films. Nur Clinton selbst und ihre Weggefährtinnen kommen in dieser Einschätzung eines Lebenswegs und eines Wahlkampfs zu Wort, aber keine Kritiker ihres Auftretens und ihrer Politik als Präsidentengattin, Außenministerin und Senatorin.

Im langen Wahlkampf 2015 und 2016 wurde Hillary Clinton nicht nur von den Medien gefilmt, sondern auch von ihrem eigenen Team. Aus den Szenen vor und hinter den Kulissen sollte einmal ein Schaustück für die Ruhmeshalle der US-Politik werden: die Schilderung, wie die erste Frau in der Geschichte den Chefsessel im Oval Office erkämpft.

Der ruppige Herrenclub

Nach Clintons Niederlage sind die Bilder, die man der Dokumentarfilmerin Burstein zur Auswertung überlassen hat, aber noch bedeutsamer. Burstein mischt das Wahlkampfmaterial mit eigenen, im Nachhinein geführten Interviews und mit historischem Material aus TV-Archiven und Fotoalben. Folge um Folge werden Clintons Lebensweg und der wechselvolle Verlauf ihres Wahlkampfs gegeneinander geschnitten. Das ist, auch wenn man sich der positiven Voreingenommenheit stets bewusst bleibt, äußerst eindrucksvoll.

Man wird auf etwas gestoßen, das man gern vergisst, darauf, was für miefige, ruppige, selbstherrliche Herrenklubs auch demokratische Gemeinwesen wie die USA vor wenigen Jahrzehnten noch waren. Es ist keine Küchenpsychologie, wenn „Hillary“ uns eine Erklärung für ein zentrales Manko dieser Frau nahelegt. Dass sie oft kaltschnäuzig, arrogant und berechnend wirkt, dass sie Schwierigkeiten hat, Fehler einzugestehen oder spontan zu wirken, hat mit Clintons frühen Erfahrungen zu tun, etwa als eine der wenigen Studentinnen an einer Elite-Juristenschmiede. Damals war es keine Option, Verletzlichkeit zuzugeben oder Schwäche zu zeigen. Frau arbeitete härter als die Männer, machte sich schlauer und boxte sich durch.

Immer wieder wird auch deutlich, wie unfair Frauen noch immer ausgekontert werden. In der ersten Hälfte ihres Lebens wurde Clinton als überdrehte Feministin wahrgenommen. Als sie aber nach Bill Clintons Seitensprung – der Ex-Präsident sitzt hier sehr reuig vor der Kamera – bei ihrem Mann blieb, wurde ihr das noch heftiger angekreidet, als verrate sie gerade Würde, Ziele und Ideale aller Frauen, um eine politische Karrieregemeinschaft nicht platzen zu lassen.

Blick in den Abgrund

Die wichtigsten Einblicke bietet der sehenswerte Vierstünder, wenn er Trumps Wirkung auf Clintons Truppe zeigt. Immer wieder sind sich die Politprofis sicher, dass der populistische Ignorant und Lügner Trump sich bei den Wählern unmöglich gemacht hat. Mal um mal erleben sie, dass den Wählern Faktenwissen, Problemkompetenz und Rechtstreue beim herbeigesehnten starken Mann egal sind. In diesen Momenten steht man neben Hillary Clinton und blickt mit ihr in den Abgrund.

Sky, alle vier Folgen bereits abrufbar