Medikamentenmissbrauch soll im Fußball eine größere Rolle spielen (Symbolbild). Foto: imago images/opokupix/opokupix via www.imago-images.de

Im deutschen Fußball ist Medikamentenmissbrauch wohl an der Tagesordnung. Zu diesem Schluss kommt die ARD-Doku „Geheimsache Doping - Hau rein die Pille.“

Berlin - Die Gesundheitsrisiken sind enorm, die Grenzen zum Doping fließend, doch keiner geht das Problem richtig an: Der deutsche Fußball leidet seit vielen Jahren quer durch alle Spielklassen unter Medikamentenmissbrauch. Der Einsatz von Schmerzmitteln ist offensichtlich extrem verbreitet, zu diesem Schluss kommt zumindest die ARD-Doku „Geheimsache Doping - Hau rein die Pille“.

Die besorgniserregende Entwicklung macht nach Einschätzung der Filmemacher auch vor dem Profifußball nicht halt. „Was ich in den letzten 14 Jahren mitbekommen habe, ist, dass Ibuprofen wie Smarties verteilt wird. Für jedes kleine Aua gibt es quasi pauschal Ibuprofen“, sagte Bundesliga-Profi Neven Subotic vor laufender Kamera aus.

Der Abwehrmann von Union Berlin beklagte, dass es für die Spieler „nicht offensichtlich“ sei, „welche Folgen es haben kann, darüber werden sie in der Regel auch nicht informiert.“ Auch weitere ehemalige und aktuelle Profis wie Jonas Hummels, Jochen Kientz oder Dani Schahin reden eindrucksvoll über ihren Medikamentenkonsum und vermitteln das Bild, als könne der Profifußball gar nicht mehr ohne Schmerzmittel funktionieren.

Handball soll auch betroffen sein

Doping-Experte Fritz Sörgel zeigte sich nicht überrascht vom Ergebnis des Films. „Im Sport generell spielen Schmerzmittel eine große Rolle, da kann man den Fußball allerdings nicht so extrem herausstellen“, sagte Sörgel der tz und nannte als weiteres Beispiel den Handball. Dort sei die Nutzung von Schmerzmitteln noch größer, meinte der Nürnberger Pharmakologe.

Mit einer Umfrage unterfüttern die Filmemacher ihre These. 1147 FußballerInnen, darunter elf Profis und 1096 Aktive unterhalb der Regionalliga, nahmen an der Befragung von ARD-Dopingredaktion und dem Recherchezentrum Correctiv teil. Darüber hinaus hat das Rechercheteam nach eigenen Angaben mit 150 Bundesliga-Spielern, Ex-Profis, Trainern, Teamärzten, Wissenschaftlern und Funktionären gesprochen.

47 Prozent der Teilnehmer nehmen demnach mehrmals pro Saison Schmerzmittel, 21 Prozent gar einmal pro Monat oder öfter. Als Grund gaben sie nicht nur die Bekämpfung akuter Schmerzen an, fast 42 Prozent der Teilnehmer wollen mit den Pillen Einfluss auf ihre Leistung nehmen. Konkret wollen sie die Belastbarkeit erhöhen, an Sicherheit gewinnen und den Kopf frei bekommen. Einige erklärten in der Befragung auch direkt, ihre Leistung steigern zu wollen.

DFB-Präsident zeigt sich schockiert

Im Falle von Leistungssteigerung bewegt sich der Sportler allerdings auch im Bereich von Doping. Durch die Einnahme von Schmerzmitteln spüre der Kicker den Schmerz nicht, weniger oder später, so dass er im Augenblick mehr leisten könne. „Jede unnatürliche Leistungssteigerung ist Doping“, sagt Thomas Frölich, Mannschaftsarzt der TSG Hoffenheim, dazu.

Die Welt-Anti-Doping-Agentur WADA, die die Autoren ebenfalls dazu befragten, sah das überraschend anders. „Es gilt eine allgemeine Sichtweise unserer Experten, dass Schmerzmittel die Leistungen nicht steigern“, erklärte Olivier Rabin, Wissenschaftlicher Direktor der WADA, vor laufender Kamera. 

DFB-Präsident Fritz Keller machte sich indes größere Sorgen, zeigte sich „schockiert“ von den Ergebnissen der Umfrage und kündigte in dem Film eine Reaktion an: „Da müssen wir unbedingt an unsere Landesverbände gehen und über Trainer eine Sensibilisierung hinkriegen.“ Der Sport im Amateurbereich, so Deutschlands ranghöchster Fußball-Vertreter, sei „zur Gesunderhaltung gedacht und nicht dafür, dass man sich kaputt macht.“