Wilhelm Straub (rechts) im Jahr 1937, der einzige Herrenfriseur im Ort Karin und Joachim Straub in ihrem Friseursalon heute Foto: privat

Die Familie Straub hat sich vor hundert Jahren dem Geschäft mit den Haaren verschrieben. Vieles hat sich im Lauf der Jahre geändert. Eines aber ist gleich geblieben.

Ditzingen - Mitten im Friseursalon wartet ein Pultständer. Auf diesem liegt ein Terminbuch. Auch wer ohne Termin zum Friseur Straub kommt, wird namentlich begrüßt. Karin und Joachim Straub kennen ihre Kunden, viele sind Ditzinger, die zu Fuß kommen. Man kennt sich, manch einer wird den Chef, Joachim Straub, länger kennen als er sie. Schließlich waren schon seine Eltern und Großeltern zuständig im Ort für schöne Haare. Hundert Jahre ist das nun her.

Die Verbundenheit der Kunden bildet für Joachim und Karin Straub ein wichtiges Kapital. Zugleich aber weiß das Ehepaar, sich darauf nicht ausruhen zu können: „Das Geschäft darf nicht mit uns alt werden“, sagt Karin Straub. Auf der Höhe der Zeit zu sein, bedeutet aber auch nicht, jede Mode mitmachen zu müssen. Ein Barbershop etwa sei ein Barbershop, machen Straubs deutlich. Dort werde auch mal eine Zigarre geraucht, ein Whisky getrunken – es ist eine andere Kultur. Die Ditzinger Kundschaft hört statt dessen bisweilen den Hahn aus der Nachbarschaft krähen. Ditzingen sei mit der Großstadt nicht zu vergleichen. „Was in Berlin Mode ist, baucht sechs Monate oder auch ein Dreivierteljahr, bis es in Ditzingen ankommt“, sagt die 60-Jährige.

Gleichwohl: Straubs müssen umsetzen können, was in Berlin hip und in den Zeitschriften zu sehen ist. Manchmal informieren sie sich auch bei Youtube über die Kniffs bei besonderen Frisuren.

Youtube-Filme schauen aber auch andere: „Dort gibt es viele Anleitungen für alles mögliche. Manchmal geht’s gut“, sagt Joachim Straub. Manchmal aber ist das Ehepaar dann Retter in letzter Not. Im Zweifel raten sie dann auch mal zu einem radikalen Schnitt. Solche Situationen sind allerdings selten, häufiger ist dann schon, dass die beiden zum Berater im Detail werden. Nicht jede Frisur aus der Zeitschrift ist gemacht für jeden Typ, für jeden Kopf, für jeden Wirbel. „Wir wollen ein partnerschaftliches, faires Verhältnis“, sagt Joachim Straub. Der 60-Jährige führt den Betrieb in dritter Generation. Die Kunden kennen ihn – und er seine Kunden. Manchmal wird ihm das ein oder andere Private erzählt. Daran, so Straub, habe sich bis heute nichts geändert.

Die Friseurgeschichte der Familie Straub beginnt im Jahr 1909. Großvater Wilhelm machte 1909 in Ditzingen eine Friseurlehre. Er war durch Empfehlungen aus dem Nordschwarzwald ins Strohgäu gekommen. Sein Lehrmeister in der Marktstraße warb am Fenster noch mit den Worten „Friseur und praktisches Zahn-Ziehen“.

Wilhelm Straub blieb nach der Lehre, heiratete und eröffnete 1919 in einem kleinen Nebenraum des Gasthofs Schwanen sein erstes Herrenfriseurgeschäft. Bald erweiterter er von einem auf zwei Herrenplätze. Inzwischen wohnte die Familie mit den beiden Söhnen im Obergeschoss des Gasthauses. Oft wurde noch am Sonntagmorgen gearbeitet – „bis zum Läuten der Kirchenglocken“, heißt es in der Chronik, die zum Hundertjährigen entstanden ist. Wilhelms Frau unterstützte ihn beim Einseifen der Bärte, auch einige Damen kamen schon zum Waschen und Legen des Haares. 1936 zog der Laden in ein neu gebautes Wohn- und Geschäftshaus um. Sohn Alfred – Joachim Straubs Vater – übernahm den Salon 1969 – im fünfzigsten Jahr des Bestehens. Drei Jahre später beschloss Joachim Straub, in die Fußstapfen von Vater und Großvater zu treten. 1979 zog der Salon in die Leonbergerstraße um, dem heutigen Standort.

Nicht nur Joachim Straub selbst, auch Großvater und Vater bildeten aus. Dass die Mitarbeiter Jahrzehnte bei ihnen bleiben, freut Straub, natürlich. „Ich lebe von meinen Mitarbeitern“, sagt er. Dazu zähle eine entsprechend Entlohnung „Mit einem netten Gesicht kann ich keinen Mitarbeiter halten.“