Die Konstanzer Kirche in Ditzingen mit Licht in Szene gesetzt: In Zukunft könnte der Kirchenbezirk zusammen mit dem aus Vaihingen/Enz agieren. Foto: factum/Granville

Die Dekanate Ditzingen und Vaihingen an der Enz sollen vereint werden. Die Dekane versprechen weniger Verwaltung und mehr Zeit für die Seelsorger – trotz Stellenstreichungen. Kritiker bezweifeln das und sehen die Zusammenlegung skeptisch.

Ditzingen/Vaihingen an der Enz - Die Kirchen verlieren jedes Jahr Mitglieder, und die evangelische Landeskirche reagiert mit der Streichung von Pfarrerstellen. Oft werden auch Gemeinden zusammengelegt, wie zum Beispiel in Gerlingen die Lukas- und die Petrusgemeinde. Nun wollen erstmals zwei Bezirke fusionieren: So sondieren Verantwortliche aus dem Strohgäu und Vaihingen/Enz einen möglichen Zusammenschluss. Damit soll auf Verwaltungsebene Arbeitszeit gespart werden.

Was sind die Grundlagen?

Die Kirchenbezirke Ditzingen und Vaihingen sind etwa gleich groß. Sie gehören in Württemberg zu den kleinen: Bis 2024 haben sie 15 beziehungsweise 16 Vollzeit-Pfarrstellen – und sie werden weiter schrumpfen. Im Landkreis gibt es außer diesen beiden noch die Kirchenbezirke Ludwigsburg, Marbach und Besigheim.

Seit rund anderthalb Jahren wird in Gremien ausgelotet, wie die Aufgaben im neuen Kirchenbezirk Ditzingen/Vaihingen künftig verteilt sein könnten. Das Ziel sei, so der seit 2013 amtierende Ditzinger Dekan Friedrich Zimmermann, die Pfarrer von Verwaltung zu entlasten. Im Falle einer Fusion bekäme er selbst eine Stellvertreter-Position: Geschäftsführender Dekan würde der Vaihinger Reiner Zeyher.

So könnten die Gebäudeunterhaltung, die Kindergarten- und die Personalverwaltung zentral erledigt werden. „Wir müssen die Theologen mittel- und langfristig von Fachfremdem entlasten.“ Aufgaben wie Notfallseelsorge oder Betreuung der Laienprediger müssten nicht doppelt geregelt werden. Fusion bedeute also auch weniger Aufwand für Gremien.

Was ist schon vereinbart?

Der Aderlass auf Gemeindeebene ist längst beschlossen: Der Bezirk Ditzingen wird bis 2024 um vier, der Vaihinger um 3,5 Pfarrstellen schrumpfen. Das bedeutet mehr Arbeit für die verbleibenden Theologen. Auf Leitungsebene bleibt aber vieles beim Alten: Wird die Fusion zum 1. Januar 2020 beschlossen, soll es weiter zwei Dekanatsämter und zwei Dekane geben, die beiden Jugendwerke sollen ebenso bleiben wie die Diakonischen Bezirksstellen mit ihren zahlreichen Beratungsangeboten.

Was meint der Vaihinger Dekan?

Reiner Zeyher hat die Gespräche über einen Zusammenschluss mit angestoßen. „Wir wollen die Fusion, um zukunftsfähig zu bleiben“, erklärt er. Als er 2011 gekommen sei, habe sein Bezirk 30 000 Mitglieder gehabt. Jetzt seien es noch 27 500. Ab 25 000 beginne die „kritische Größe“.

„Fusionen haben immer den Geschmack des Ziels der Stelleneinsparungen“, räumt Zeyher ein. In Vaihingen hätten deshalb Hauptamtliche zu Beginn des Prozesses große Ängste um ihren Arbeitsplatz gehabt. Kritik gab es auch wegen seiner viermonatigen Abwesenheit zur Fortbildung im ersten Halbjahr 2018.

„Ich will die Fusion aus der Stärke heraus, damit wir niemandem kündigen müssen“, sagt der Dekan. Er wolle alle bisherigen Mitarbeiter in der Diakonie, in der Musik und im Jugendwerk in den größeren Bezirk einbringen. „Aufgaben gibt es genug.“ Mit dieser klaren Einstellung habe er vielen Mitarbeitern die Furcht nehmen können: „Ich bin doch auch Seelsorger.“

Was spürt das Gemeindemitglied?

Wenn die Pfarrer mehr Zeit haben, so die Idee, können sie sich ihren Gemeindegliedern stärker zuwenden: Sie können mehr Besuche machen oder sich ausreichend Zeit nehmen für Trauer-, Eheschließungs- oder Taufgesprächen. Das heißt: Ihr „Kerngeschäft“, die Seelsorge und der Gottesdienst, erhält größere Bedeutung. Und die Gemeindemitglieder können den Pfarrer als Tröster und Ratgeber wieder häufiger antreffen – so zumindest die offizielle Lesart. Manche bezweifeln das allerdings. Schließlich werden unabhängig von der Fusion Pfarrerstellen abgebaut. Zudem gibt es Kritik, dass weiterhin zwei Dekanate unterhalten werden.

Was sagt die Basis?

Nicht alle sind mit der Fusion einverstanden. Zum Beispiel Bettina Rath, Synodale aus Korntal: „Es wäre viel stimmiger, wenn wir uns in Richtung Ludwigsburg orientieren würden; dorthin gibt es mehr Kontakte als in Richtung Vaihingen. Die Verbindung des öffentlichen Verkehrs ist von Ditzingen nach Vaihingen viel schlechter als nach Ludwigsburg.“

Anders sieht das Anja Pfeiffer , Synodenmitglied aus Hemmingen: „Die Fusion wäre ein Gewinn für beide Seiten. Die Vorarbeit ist fundiert. Entscheidend ist, wie das Geld verteilt wird. Es wäre wirklich schön, wenn die Pfarrer mehr Zeit für die Menschen hätten. Bei uns wird eine halbe Stelle gestrichen.“ Und wie sieht man das in Vaihingen/Enz? Rose Martis, Kirchengemeinderätin in der dortigen Gemeinde, meint: „Ich kann mir die Fusion vorstellen, obwohl beide Bezirke sehr unterschiedlich sind. Vaihingen hat ein großes Jugendwerk und viele Kindergärten.“

Auf die Zukunft verweist Michael Marek , Leiter der Diakonischen Bezirksstelle Vaihingen: „Im Moment steht die Kirche noch gut da. Wie es in fünf bis sieben Jahren weitergeht, wissen wir nicht.“

Welche Erfahrungen haben andere?

Zwei Vertreter des Kirchenbezirks Bad Urach/Münsingen berichteten bei der jüngsten Bezirkssynode über die dortige Zusammenlegung im Jahr 2013. „Wir wollten handeln, so lange es uns gut geht“, hieß es. Man habe nicht fusioniert, um ein „Sparmodell“ zu installieren.

Vieles, was die Dekane in Ditzingen und Vaihingen als Vorteil herausstreichen, wurde auf der Alb Wirklichkeit. So gibt es dort jetzt ein Dienstleistungszentrum und ein Bildungswerk gemeinsam.

Was sagt die Landeskirche dazu?

Die Kirchenleitung hält die Fusion kleinerer Bezirke für sinnvoll. Die Pfarrerteams würden größer, Vertretungen einfacher, die Verwaltung gebündelt. „Das mittelfristige Ziel muss es sein, mehr Zeit für Seelsorge zu haben“, sagt Oliver Hoesch, der Sprecher der Landeskirche. So gebe es im Landkreis Ludwigsburg eine Verwaltungsstelle für mehrere Kirchenbezirke. Die Kirchenleitung überlegt bereits, wie kirchliche Strukturen nach 2024 aussehen könnten.

Wie geht es weiter?

Im März 2019 wird in beiden Bezirken entschieden, ob die Fusion zu Ende geführt oder die Sondierungabgebrochen wird.