„Jeder hat das Recht zu klagen“, sagt Ulrich Schellenberg, der Präsident des Deutschen Anwaltvereins. Foto: DAV

Der Präsident des Deutschen Anwaltsvereins geißelt die Vorwürfe des CSU-Landesgruppenchefs, Juristen unterhielten eine „Anti-Abschiebe-Industrie“. Er sieht darin einen Angriff auf den Rechtsstaat.

Stuttgart - Wenn rechtsstaatliche Grundprinzipien nicht mehr anerkannt würden, das wird Ulrich Schellenberg nicht müde zu betonen, dann müssten alle Alarmglocken klingeln. Dann sei der Rechtsstaat in Gefahr, warnt der Präsident des Deutschen Anwaltvereins (DAV). Und der CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt habe mit seiner Äußerung über eine „Anti-Abschiebe-Industrie“ aus Schellenbergs Sicht das gesellschaftliche Klima weiter vergiftet. Statt solcher Attacken wünscht sich der DAV seitens der Politik mehr Rückendeckung: Es brauche ein klares Signal der Politik, dass Anwälte „das Fundament unseres Rechtsstaates“ seien. Kein Anwalt dürfe seiner Arbeit wegen Angst haben müssen.

Alarmiert ist der Verein wegen der Hassbotschaften, die der Stuttgarter Anwalt Engin Sanli als Rechtsvertreter eines 23-jährigen Flüchtlings im Nachgang zu einer zunächst gescheiterten Abschiebung in Ellwangen bekommen hat. Das Mailpostfach des 29-Jährigen wird seitdem täglich von 3000 bis 4000 E-Mails voller Beleidigungen, Hetze und Bedrohungen geflutet, er bekommt Drohbriefe per Post, und in der Kanzlei steht das Telefon nicht mehr still. Mittlerweile ist der Asylbewerber, der aus Togo stammt, über den Frankfurter Flughafen ohne Zwischenfälle nach Italien abgeschoben worden. Der Fall des Mannes, den Sanli vor Gericht vertreten hatte, schlug bundesweit Wellen, denn die erste Abschiebung aus der Unterkunft in Ellwangen war gescheitert, weil dem Mann 150 bis 200 Asylbewerber zu Hilfe eilten und die Polizei wieder abzog.

Für einen solchen Fall bekomme er in der Regel am Ende unter dem Strich 700 bis 800 Euro, sagte Sanli. „Im Asylrecht ist noch kein Anwalt reich geworden“, sagte Schellenberg. Die Stuttgarter SPD-Bundestagsabgeordnete Ute Vogt forderte die Verantwortlichen der Stuttgarter AfD auf, sich bei Sanli für den diffamierenden Beitrag über ihn auf Facebook zu entschuldigen und das Posting zu löschen. Sanli, selbst SPD-Mitglied, habe „nichts anderes getan, als im Rahmen geltenden deutschen Rechts seine Arbeit als Anwalt auszuüben“, so Vogt.

Ute Vogt: Engin Sanli hat nur seine Arbeit gemacht

Dobrindt hatte Klagen gegen die Abschiebung abgelehnter Asylbewerber als Sabotage des Rechtsstaats bezeichnet und auch von einer „Anti-Abschiebe-Industrie“ gesprochen. Im vergangenen Jahr nutzten laut dem Bundesamt für Migration und Flüchtlingen 91 Prozent der abgelehnten Asylbewerber ihr gesetzlich verankertes Klagerecht in der Hoffnung, doch noch im Land bleiben zu können. Ihre Erfolgsquote war allerdings dürftig. Nur zwölf Prozent der abgelehnten Asylbewerber konnten sich vor Gericht ein Bleiberecht erstreiten.