Apothekerin Petra Steinbeck (l.) begrüßte auf dem Podium Ulrich Karle vom städtischen Krankenhausreferat, MdB Karin Maag, KV-Vorsitzender Norbert Metke, Rentenberaterin Karin Svete und AOK-Bezirksdirektor Christian Kratzke (v. l.). Foto: Bergmann (z)

Im Hof der „Alten Apotheke“ in Feuerbach saßen fünf Experten aus dem Gesundheitswesen auf dem Podium und beantworteten Fragen aus dem Publikum.

Feuerbach - Wann haben Bürger sonst die Gelegenheit, Experten des Gesundheitssystems mit Fragen zu löchern und persönliche Fälle zur Diskussion zu stellen? Petra Steinbeck, Inhaberin der „Alten Apotheke“ in Feuerbach, bringt diesen Dialog immer wieder in Gang. „Medizinische Versorgung: Funktioniert das Zusammenspiel zwischen Krankenhaus, niedergelassenen Ärzten und Pflegenden?“ so lautete diesmal das Thema der Podiumsdiskussion. Bereits zum fünften Mal lud sie unter dem Motto „Gesundheit im Zelt“ Interessierte ein, um mit den Podiumsgästen ihre Anliegen zu diskutieren.

Wobei die Feuerbacher Apothekerin bei diesen alljährlichen Anlässen auch selbst deutliche Worte findet: „Ein etwas heikles Thema ist die Konzentration der Machtfülle bei den Kassen der gesetzlichen Krankenversicherung“, sagte sie in ihrer Einführung. Die Gesamtausgaben für Gesundheit in Deutschland betrugen 344 Milliarden Euro im Jahr 2015. Davon entfielen allein auf die gesetzlichen Krankenkassen Ausgaben in Höhe von 200 Milliarden Euro. „Durch diesen hohen Anteil der gesetzlichen Krankenversicherung an den Gesamtausgaben des Gesundheitssektors und der Machtbefugnis sowohl zur Genehmigung von Leistungen ihrer Versicherten als auch in der Abrechnung mit den Leistungserbringern haben sie sich über Jahrzehnte eine Position erarbeitet, die einzigartig ist“, betonte Steinbeck. „Vermeintlich dem Gemeinwohl verpflichtet, haben sie sich zu Gesundheitskonzernen der Versicherungsindustrie entwickelt, zum Teil entgegen den Interessen ihrer Versicherten und ohne Rücksicht auf bestehende Strukturen.“ So würden zum Beispiel Vereinbarungen mit Leistungserbringern anders ausgelegt: „Dies ist befremdlich und bedarf dringender Korrektur durch die Politik“, meinte Steinbeck. Christian Kratzke, Geschäftsführer der AOK-Bezirksdirektion Stuttgart-Böblingen, der für 20 Standorte in Stadt und Landkreis verantwortlich ist, betrachtet die Sache aus Sicht des Zahlmeisters nüchtern: „Was ist eigentlich der Job einer GKV?“, fragte er und lieferte die Antwort mit: „Wir machen nichts anderes, als das, was unsere Versicherten medizinisch brauchen, einzukaufen.“ Die Kasse sei dabei verpflichtet, sich an die gesetzlichen Regelungen zu halten.

Ausbildungsqualität der Ärzte ist Thema

„Das System an sich ist nicht falsch“, sagte CDU-Bundestagsabgeordnete Karin Maag, die im Bundestag auch im Gesundheitsausschuss sitzt. Die Krankenkasse suche sich ihre Vertragspartner aus. „Sie schauen ja auch, wo die Kirschen billiger sind, beim Aldi oder beim Lidl“, wandte sich Norbert Metke, der seit 2011 Vorstandsvorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württembergs ist, an die Zuhörer mit einem einfachen Vergleich. Wer hierzulande eine schwere Erkrankung habe, dessen Behandlung werde auch bezahlt, sagte Metke. Er kenne keinen anderen Einzelfall. Der Einschätzung, dass die Ausbildungsqualität der Ärzte hierzulande „erschreckend“ schlecht sei, widersprach Metke, der Mitglied des Bewertungsausschusses ist, vehement: „Ich sehe das grundlegend anders, die Fehlerquote ist gering und der Qualitätsstandard hoch.“ Es gebe in Deutschland pro Jahr etwa 600 Millionen Behandlungsfälle, 580 Millionen ambulante und 20 Millionen stationäre. Die Zahl der anerkannten Behandlungsfehler liege bei 3500 pro Jahr. Die Quote der Kunstfehler sei gering.

„Wir jammern auf hohem Niveau“, räumte Apothekerin Steinbeck ein, schilderte allerdings eine ganze Reihe von Fällen, wo im Zusammenspiel zwischen Krankenhaus, Krankenkassen niedergelassenen Ärzten und Pflegenden offensichtlich einiges schieflief. Ulrich Karle, Abteilungsleiter beim Krankenhausreferat der Stadt, verwies auf eine Reihe von Beratungsstellen und Servicestellen der Krankenhäuser wie den onkologischen Schwerpunkt in Stuttgart, an den sich Betroffene wenden können: „Im Krankenhaus findet die erste Beratung statt“, sagte Karle. Ein häufiger auftauchendes Problem ist dennoch, dass Patienten, die gegen Wochenende das Krankenhaus verlassen, zwar den Entlassbrief und einen Medikationsplan bekommen, nicht aber das Rezept für die benötigte Medikation. Solche Situationen solle es in naher Zukunft nicht mehr geben, meinte Metke. Krankenhausärzte dürfen ihren Patienten künftig bei der Entlassung auch ein Rezept für sieben Tage ausstellen. Das sehe eine einschlägige rechtliche Regelung vor.

Diskussion über neue Pflegeversicherung

Doch Gesetze sind das eine, die Praxis das andere. So auch bei der neuen Pflegeversicherung. Mit dem Pflegestärkungsgesetz II gibt es seit dem 1. Januar 2017 fünf Pflegegrade statt drei Pflegestufen sowie teilweise höhere und erweiterte Leistungen. Das neue Bewertungssystem sei Klasse, sagte Karin Svete, eine gerichtlich zugelassene Rentenberaterin im Teilbereich Pflege. Doch die Leistungen der Pflegekassen hängen maßgeblich vom Gutachten des Medizinischen Dienstes (MDK) der Krankenkassen ab. Und da laufe einiges schief. Pflegebedürftige würden vom MDK falsch eingestuft, Punkte nicht richtig gewichtet, wobei die Rentenberaterin ausdrücklich betonte, dass dies für die hier auf dem Podium vertretene Krankenkasse nicht zuträfe. Svete riet den Betroffenen, in solchen Fällen möglichst schnell Widerspruch bei der jeweiligen Kasse einzulegen.