Auch beim Schloss und an der Sternkreuzung ist freie Fahrt. Foto: Stadt Ludwigsburg

Mitten im dichten Verkehr auf der B 27 in Ludwigsburg springen alle Ampeln auf Grün: Die Feuerwehr verfügt über eine kleine, schwarze Box in ihren Fahrzeugen, die mancher Autofahrer auch gerne hätte.

Ludwigsburg - Ein Nachmittag auf der Bundesstraße 27 in Ludwigsburg. Martinshörner heulen, Blaulicht blinkt, zwei Feuerwehrfahrzeuge fahren aus der Hauptwache in Richtung Schloss. Normalerweise müsste Manuel Moz am Steuer jetzt abbremsen, weil eine Ampel rot ist und auf beiden Spuren Autos stehen. Doch wie durch ein Wunder springen die Signale auf Grün. Am Schloss ist es wieder so – an der Sternkreuzung gilt die grüne Welle gleich für alle vier Richtungen. Das klingt unmöglich – und ist doch wahr.

Ein Wunder ist das allerdings nicht, sondern Digitaltechnik. Car2X heißt sie, es ist eine Abkürzung für Car-to-everything-Kommunikation. Frei übersetzt: Autos sind vernetzt und nehmen Kontakt mit den Ampeln auf. Damit das funktioniert, haben zum Start drei Feuerwehrwagen einen kleinen, schwarzen Kasten im Inneren, der mit reichlich Datenkabeln an den Bordcomputer angeschlossen ist. „Mit einer 5,9-Gigaherz-Antenne sendet das Auto ein Signal“, erklärt Andreas Schmid von der österreichischen Firma Swarco, die sich das System ausgedacht hat.

Entlang der B 27 herrscht schon freie Fahrt

An zurzeit acht Ampeln entlang der B 27 sind Schaltkästen mit zwei Antennen zu erkennen, die wie ein heimischer Internet-Router aussehen: Hier kommt das Signal aus dem Einsatzfahrzeug an. Und somit kann Manuel Moz einfach über die Sternenkreuzung düsen, den stark frequentierten Knotenpunkt der Stadt zwischen B 27, Wilhelmstraße und Schorndorfer Straße.

„Es gibt mir ein sicheres Gefühl, wenn die Ampeln für uns grün sind“, sagt er. Niemand kann von rechts oder links unvermittelt reinfahren, kein Fußgänger oder Radfahrer dazwischen kommen. Bewusst fährt Moz nicht in den B-27-Tunnel – dort ist es zu eng. Da hilft auch das Ampelfunkgerät nichts. „Das wäre eine Falle für uns“, sagt der Feuerwehrmann. Er fährt rechts am Tunnel vorbei. Auch bei der nächsten Ampel springen die Lichter, die gerade Rot geworden sind, jetzt wieder auf Grün. Diese Technologie, die zunächst drei Jahre in Ludwigsburg als Pilotprojekt erforscht wurde, soll bis Ende des Jahres an allen 130 Ampeln in Ludwigsburg installiert sein. Damit wäre die Barockstadt digitaler Vorreiter in Baden-Württemberg.

Ludwigsburg ist digitaler Vorreiter

„Ich kenne keine andere Stadt, die so etwas hat“, sagt Stefan Krebs, der Digitalisierungsbeauftragte der Landesregierung. Auch der Oberbürgermeister Werner Spec (Freie Wähler) freut sich, dass sein oft kritisiertes Digital-Forschungslabor „Living Lab“ nun ein greifbares Ergebnis hat. Es ist einer der Lieblingsbegriffe des Stadtoberhauptes. Was bringen die intelligenten Ampeln und smarten Fahrzeuge im Alltag? „Viel schneller sind wir damit nicht immer“, sagt Hans-Peter Peifer, der Vizekommandant der Ludwigsburger Feuerwehr. Aber man komme sicherer über die Kreuzungen. Allerdings löst diese Technologie auch Irritationen aus: Das zeigt eine weitere Testfahrt mit dem vernetzten Feuerwehrauto in Richtung Bietigheim.

An einer Ampel stehen die Autos auf vier Spuren in zwei Fahrtrichtungen. Obwohl die Fahrer sich bemühen, eine Rettungsgasse zu bilden, ist einfach zu wenig Platz. „Viele sind irritiert, dass die Ampel erst auf Rot springt und dann wenige Sekunden wieder auf Grün“, sagt Manuel Moz. Er hat Mühe, sein breites Fahrzeug durch die Autoreihen zu steuern.

Autofahrer nutzen die grüne Ampel nicht

Zwei Probleme haben die Brandbekämpfer in der Praxis ausgemacht: Kaum ein Autofahrer fährt nach vorne über die grüne Ampel. „Sobald sie das Martinshorn hören, verfallen sie in Schockstarre“, sagt Manuel Moz. Und dann gebe es noch die „WhatApp-Checker“: Sobald die Ampel Anhalten signalisiert, bleiben sie stehen. Sie greifen zu ihrem Handy und schreiben Kurznachrichten. „Bis sie merken, dass die Ampel schon wieder Grün zeigt, ist es zu spät“, sagt Moz.

Vielleicht müssen die Autofahrer noch lernen, dass die „Lichtsignalanlagen“, wie Ampeln in Amtssprache heißen, bei nahenden Feuerwehrwagen plötzlich umschalten können. Die Kinderkrankheiten des Systems sind jedenfalls überwunden: Am Anfang hatten Tiere die Kabel an den Ampeln durchgebissen, so dass es zu Ausfällen kam. „Das System funktioniert“, bilanziert nun OB Werner Spec. Sechs Millionen Euro von der Bundesregierung aus dem Dieselpakt sollen helfen, die ganze Stadt zu einer „Smart City Cloud“ zu machen – auch ein Lieblingsbegriff des Rathauschefs.

Alle 130 Ampeln sollen umgerüstet werden

Nun sollen noch zwei weitere Steuerungsgeräte kommen, damit könnten dann fünf Feuerwehrfahrzeuge ausgestattet sein. „Da sie meistens in Kolonnen fahren, benötigt nicht jedes ein Funkgerät“, sagt der Vizekommandant Hans-Peter Peifer. Bis zu 30 Sekunden Zeit pro Ampel könnten eingespart werden, was etwa bei einem Großbrand Leben retten kann.

Überschätzen will er die neue Technologie allerdings nicht. „Es ist ein Pilotprojekt“, sagt Pfeifer. Dennoch: Die Digitalisierung der Stadt, von der so viel geredet wird, hier wird sie nun greifbar.