Hauptsache irgendwas mit Blockchain: in dieser Rechnerfarm werden neue Bitcoins geschürft. Foto: AFP

Auch im 21. Jahrhundert lässt der Zauber trendgestützter Schlagwörter nicht nach. Das machen sich viele Unternehmen zunutze.

Stuttgart - Nachdem Charles Lindbergh im Mai 1927 der erster Nonstop-Flug über den Atlantik gelungen war, stürzten sich Börsenspekulanten auf die Aktien von Luftfahrtunternehmen. Dazu gehörten auch die Papiere einer Seaboard Air Line. Wie sich erst bei genauerem Hinsehen herausstellte, handelte es sich dabei allerdings nur um eine kleine Personenbahn, die den Südosten der Vereinigten Staaten bediente. Ihr Name stammte noch aus einer Zeit vor der Luftfahrt, als „Luftlinie“ („Air Line“) suggerierte, dass Eisenbahnrouten kürzer waren als vergleichbare Straßenverbindungen.

Dass Menschen sich von Namen behexen lassen, kann man unverändert beobachten. So fanden clevere Unternehmer in der Technologieblase der neunziger Jahre schnell heraus, dass sich Aktien attraktiver machen ließen, wenn der Firmenname auf .com endete. Dieser Tage haucht nichts einem Unternehmen so viel neues Leben ein wie die Begriffe „Bitcoin“ und „Blockchain“. Die in Essex niedergelassene Firma On-line PLC etwa wurde 1989 gegründet und „entwickelt und nutzt Internetinhalte“. Ende November letzten Jahres wurde der Firmenname geändert, der Laden heißt nun On-line Blockchain PLC. Blockchain ist die Bezeichnung des technischen Verfahrens, mit dem die Transaktionssicherheit von Kryptowährungen wie Bitcoin sichergestellt wird, und viele sehen darin noch Zukunftspotenzial.

Unheimlicher Kursanstieg

Der Finanznachrichtendienst Bloomberg meldete am Tag nach der Umbenennung einen Anstieg des Börsenkurses um 400 Prozent. Das war sogar der Firma selbst unheimlich, die in einer Mitteilung Investoren darauf hinwies, dass sich die Entwicklung des eigenen Blockchain-Produkts „noch in einer sehr frühen Phase“ befinde.

Ebenfalls seit November heißt die US-Firma Omni Global Technologies nun Blockchain Industries, mit dem neuen primären Unternehmensziel „ein diversifiziertes Finanztechnologieunternehmen aufzubauen, das sich auf die Blockchain konzentriert“. Die Aktien, ursprünglich für weniger als 0,05 Dollar zu haben, werden jetzt für 21 Dollar gehandelt. Schon im Oktober war die moderne Namensmagie bei einem anderen Unternehmen zutage getreten. Die US-Firma Bioptix benannte sich in Riot Blockchain um („riot“ heißt so viel wie „randalieren“), wodurch ihr Börsenwert kurzzeitig von drei Euro auf mehr als 30 Euro hochschoß. Mit Kryptowährungen hatte Bioptix nichts am Hut, man handelte mit speziellen Lizenzen für Veterinärprodukte. Nun hieß es, es würden 1200 Mining Rigs angeschafft – hochgezüchtete Spezialcomputer, mit denen sich Bitcoins errechnen lassen. Auch dieser Aktienkurs erkaltet gerade wieder, steht aber immer noch mehr als doppelt so hoch wie vor der Namensänderung.

Aus Kim Schmitz wird Mr. Dotcom

Und natürlich nehmen nicht nur Firmen neue Namen an, sondern auch Personen. Der prominenteste Name Changer auf digitalem Gebiet dürfte Kim Dotcom sein. Der 1974 als Kim Schmitz in Kiel geborene Mr. Dotcom entschloss sich zu dem Namenswechsel – und zur Auswanderung nach Neuseeland –, nachdem ihm seine Aktivitäten als Hacker in Deutschland mehrere rechtskräftige Verurteilungen eingebracht hatten. Seit er im Februar 2010 einen Mietvertrag für Neuseelands teuerste Privatimmobilie geschlossen hatte, trat er als Kim Dotcom auf.

Die wohl folgenreichste Umbenennung im Digitalsektor fand im übrigen 1989 in Kalifornien statt, als die beiden Studenten Larry Page und Sergej Brin ihrer neuen Internet-Suchmaschine, die sie ursprünglich „Back Rub“ („Rückenmassage“) getauft hatten, einen neuen Namen gaben. Sie heißt seither Google.

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