In „Songs from above“ will Dieter Thomas Kuhn verstorbene Musiker ehren. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die singende Föhnwelle Dieter Thomas Kuhn kann auch anders: An drei Abenden hat der Schlagerbarde im Wilhelma-Theater mit „Songs from above – The Grave Chapel Radio Show“ die Werke verstorbener Musikerkollegen gefeiert.

Stuttgart - „Halt, halt! Willste’n Gesangbuch?“ Wirklich keiner kommt an den netten, schwarz gekleideten Herren im Foyer des Wilhelma-Theaters vorbei. Kurz blitzt der Gedanke auf, man sei in eine CVJM-Großoffensive geraten. In Wahrheit präsentiert Dieter Thomas Kuhn, berühmt geworden als „die singende Föhnwelle“, an drei Abenden ein einmaliges Konzertprojekt. „Songs from above – The Grave Chapel Radio Show“ verheißt der Noten-Leporello im Bibelformat. Auf dem Bühnenaushang prangt ein Barock-Kapelleninterieur mitsamt bunt strahlendem Kirchenfenster.

Als Dieter Thomas Kuhn am Mittwoch die Bretter betritt, staunt man nicht schlecht; statt blonder Tolle trägt er ergraute Wuschelmähne, statt Glitzerdress und Brusttoupet Jeans und Silber-Amulett unterm aufgeknöpften Hemd. Auch die Instrumentierung ist alles andere als schlagertypisch. Neben Philipp Feldtkeller an der Gitarre und Frank Stoeger am Schlagzeug hat Kuhn den Bassisten Dirk Blümlein, den Pianisten Rainer Tempel mitsamt Hammond-Orgel und den hervorragenden Pedal-Steel-Gitarristen Winfried Wohlbold engagiert. Den launigen Conférencier gibt der in Tübingen ansässige Gitarrenbauer und Country-Blues-Musiker Rudie Blazer. Im Background und manchmal auch solo singen Anja Mahnke und Marion Welch.

Mit einer Ballade Johnny Cashs geht es los

Den Abend eröffnet die Band dann auch nicht mit einem zünftigen „Schalala“, sondern mit Johnny Cashs morbider Ballade „Give my love to Rose“, in der ein Sterbender bittet, man möge Frau und Sohn sein Lebewohl ausrichten. Mit der „Grave Chapel Radio Show“ will Kuhn verstorbene Musiker wie David Bowie, Prince, Lou Reed oder Amy Winehouse ehren, wobei die Werke männlicher Künstler deutlich überwiegen. Respektvoll und begeistert intoniert die Band legendäre Kompositionen wie „While my guitar gently weeps“, „A Space Oddity“ und „Back to Black“, bei „Handle with care“ vollbringt der singende Drummer Frank Stoeger noch das Kunststück, Roy Orbisons spezielles Timbre nahezu in Perfektion zu imitieren. Beim „The Doors“-Kracher „Light my Fire“ und bei der erschreckend heiteren Interpretation des Nirvana-Klassikers „Come as you are“ müssen eingefleischte Fans aber ganz stark sein. „Light my Fire“ mutiert im launigen Up-Tempo zum flotten Cha-Cha-Cha, zu Kurt Cobains düsterer Zeile „And I swear I don’t have gun“ drückt Kuhn lächelnd seine Finger an die Schläfe. Eine makabere Geste wenn man bedenkt, dass sich Cobain mit einer Schrotflinte das Leben nahm.

Gnadenlose Rock-Exegeten könnten Kuhn vorwerfen, er nehme den extrem unterschiedlichen Stücken durch die einheitlichen Country-Blues-Arrangements ihren eigenständigen Charakter. Doch spätestens, wenn Winfried Wohlbold das fein ziselierte Gitarrensolo im Prince-Hit „Purple Rain“ bis ins letzte Detail ausbuchstabiert, zerschmilzt selbst der härteste Kritiker zu Buttersoße. Um es mit Leonard Cohen zu sagen: Hallelujah!