Im Jahr 2019 greift das Verbot für Diesel der Euronorm vier und schlechter. Foto: dpa//Marijan Murat

Rund 450 000 Verkehrssünder hat die Bußgeldstelle im vergangenen Jahr auch daraufhin überprüft, ob sie gegen das Dieselfahrverbot verstoßen haben. Der Anteil ist erstaunlich gering.

Stuttgart - Es kursiert in der Landeshauptstadt unter Uneinsichtigen eine Anleitung zum unerlaubten Fahrens mit Dieselautos der Euronorm vier und schlechter trotz des vor einem Jahr eingeführten Verbots: Auf Privatparkplätzen oder in Parkhäusern parken, mit etwas Glück in keine Polizeikontrolle geraten und an Geschwindigkeitsbegrenzungen halten, damit man nicht geblitzt wird. „Dann merkt das kein Mensch“, heißt es im Volksmund der hartnäckigen Dieselfahrer mit Euronorm vier und schlechter. Doch die Tipps scheinen einen Insiderkreis nicht verlassen zu haben, wie die Zahl der im vergangenen Jahr beanstandeten Fahrten trotz des Verkehrsverbots für Diesel der Abgasnorm Euro vier und schlechter zeigt. Denn insgesamt wurden 2 943 Bußgeldbescheide à 80 Euro ausgestellt. 2 862 sind bereits rechtskräftig.

Auf den Schreibtischen in der Bußgeldstelle sind 450 000 Fälle von Verkehrssündern gelandet. Diese überprüften die Mitarbeiter neben den Verstößen, mit denen sie auffielen, auf die Abgasklasse und die Vereinbarkeit mit den Verkehrsverboten, welche seit dem 1. Januar 2019 gelten. Von diesen 450 000 Fällen waren 38 Prozent im sogenannten ruhenden Verkehr negativ aufgefallen – das sind rund 171 000 Falschparker. Den Mammutanteil machen die Raser aus, die wegen überhöhter Geschwindigkeit geblitzt wurden, nämlich 92 Prozent der verbliebenen 279 000 geprüften Fälle. 25 6680 Autofahrer waren zu schnell unterwegs an Stellen, wo die Stadt einen stationären oder mobilen Blitzer stehen hatte. 16 740 Autos wurden von der Verkehrsüberwachung erfasst, weil ihre Fahrer eine Rot zeigende Ampel nicht beachtet hatten. Die restlichen zwei Prozent sonstigen Verstöße schlüsselt die Statistik nicht extra auf.

Ein Dieselfahrer zieht gegen die Stadt vor Gericht

Einer, der eigentlich die Auskunft hatte, fahren zu dürfen, kämpft nun am Mittwoch vor dem Amtsgericht gegen das ihm auferlegte Bußgeld. Ein Handwerker aus dem Rems-Murr-Kreis sollte zahlen. Er war nach einem Anruf bei der Stadt Stuttgart davon ausgegangen, er brauche keine Ausnahmegenehmigung, da Handwerker fahren dürfen, wenn sie etwas zur Baustelle transportieren müssen – wohlgemerkt etwas, was sich nur im Fahrzeug unterbringen lässt. Dann fuhr er etwas zu schnell in Stuttgart und ein Blitzer erfasste seinen Wagen. Dass er dann nicht nur für die Geschwindigkeitsübertretung, sondern auch für den Verstoß gegen das Luftreinhaltungsgesetz zahlen sollte, sah er nicht ein. Er legte Widerspruch ein. Der Konflikt des Handwerkers mit der Stadt soll nun am Amtsgericht geklärt werden.

Verstöße gegen das Dieselverkehrsverbot hat die Stadt bei den 450 000 überprüften Verkehrssündern 6 716 festgestellt. „Das entspricht etwa 1,5 Prozent der überprüften Fälle“, sagt die Pressesprecherin Jasmin Bühler. Ob all diese 6 716 Fahrzeughalter einen Bußgeldbescheid erhalten, wird sich zeigen: Es wird noch geprüft, ob Ausnahmegenehmigungen vorliegen. Die Verstöße werden noch geprüft. So kann es sein, dass die von Blitzern erfassten Fahrzeuge aufgrund einer Ausnahmegenehmigung doch in Stuttgart unterwegs sein dürfen. Die Zahlen geben keinen Aufschluss darüber, wie viele Fahrer das Verbot tatsächlich nicht beachten: Zählbar sind nur jene, die aufgrund anderer Verstöße in der Bußgeldstelle landen. Dort werden die Kennzeichen mit den hinterlegten Fahrzeugdaten abgeglichen.

Die Zahl der rechtskräftigen Bußgeldbescheide ist im vergangenen Jahr in der monatlichen Statistik der Stadt im September sprunghaft angestiegen – nachdem die Werte in den Monaten davor extrem niedrig gewirkt hatten. Das lag daran, dass sich in der Auswertung ein Fehler eingeschlichen hatte. Die Zahlen für das ganze Jahr 2019 sind nun bereinigt.