Ab 1. Juli sind Fahrverbote für Euro-5-Diesel in Stuttgart geplant. Doch möglicherweise verschieben sich die Maßnahmen. Foto: dpa/Bernd Weissbrod

Das Land will sie nicht, muss aber, und die Umwelthilfe macht weiter Druck vor Gericht. Seit Jahren wird in Stuttgart um Fahrverbote gestritten. Weitere stehen nun kurz bevor. Oder doch nicht?

Stuttgart - Kommen sie nun? Oder kommen sie nicht? Zum 1. Juli muss es in Stuttgart eigentlich Fahrverbote auch für Diesel mit der Abgasnorm Euro 5 geben - es sei denn, die Grenzwerte für den Schadstoff Stickstoffdioxid können in diesem Jahr eingehalten werden. Nun bringt aber auch die Coronavirus-Pandemie vieles durcheinander.

Wie ist der aktuelle Stand?

In der 5. Fortschreibung des Luftreinhalteplans für die Stadt Stuttgart sind Fahrverbote für Euro-5-Diesel vom 1. Juli dieses Jahres an festgeschrieben. Sie sollen in einer sogenannten kleinen Umweltzone gelten, die neben dem Talkessel auch die Stadtteile Bad Cannstatt, Feuerbach und Zuffenhausen umfasst. Das Land will eigentlich keine weiteren Fahrverbote, ist aber durch ein Gerichtsurteil dazu gezwungen. Die Verordnung lässt auch ein Hintertürchen offen: „Sollte der 3-Monatswert im April 2020 prognostisch ergeben, dass der Grenzwert im Jahresmittel 2020 eingehalten wird, wird von der Maßnahme M1 mangels Erforderlichkeit abgesehen“, heißt es dort.

Was sagt denn die Prognose?

Bislang gar nichts - es gibt noch keine. Nach Angaben des zuständigen Regierungspräsidiums Stuttgart werden für die Prognose die Messwerte aus dem ersten Quartal herangezogen, hinzu kommen Modellrechnungen von externen Gutachtern. „Nach Kenntnis dieser Prognose wird das Land über die Erforderlichkeit eines zonalen Verkehrsverbotes entscheiden – unter Berücksichtigung der aktuellen Lage“, betont das Regierungspräsidium.

Ist die Luft denn besser geworden?

Definitiv. Die Belastung mit dem Schadstoff Stickstoffdioxid (NO2) sinkt kontinuierlich. Nimmt man den vorläufigen Mittelwert des ersten Quartals, auf dem ja auch die Prognose basieren soll, hält Stuttgart den Grenzwert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter Luft sogar ein - wenn auch nur gerade so. Einfach so auf das Jahr hochrechnen kann man das allerdings nicht. Weil neben dem Verkehr zum Beispiel auch das Wetter eine gewichtige Rolle spielt, können die Werte je nach Jahreszeit sehr unterschiedlich ausfallen. Deshalb zählt für die Einhaltung des Grenzwerts am Ende einzig der Mittelwert eines kompletten Jahres.

Welche Rolle spielt Corona?

Das ist die große Frage. Klar ist: Die massiven Beschränkungen des öffentlichen Lebens sind auch auf den Straßen sichtbar. Die Verkehrsleitzentrale in Stuttgart stellt seit dem Beginn der Anti-Corona-Maßnahmen ein sehr reduziertes Verkehrsaufkommen in der gesamten Stadt fest. „Es gibt seither praktisch keine Staus mehr“, sagt eine Stadtsprecherin.

Auch direkt am berüchtigten Neckartor sprechen die Zahlen Bände: Laut Landesanstalt für Umwelt (LUBW) hat die Zahl der Autos dort deutlich abgenommen. Während dort an einigen Wochentagen in der Regel mehr als 60 000 Fahrzeuge gezählt werden, kam Ende März kein Tag mehr auf 40 000. Nur war die Stickoxidbelastung teilweise trotzdem höher als an vergleichbaren Tagen mit deutlich mehr Verkehr.

Was unternimmt das Land jetzt?

Das Verkehrsministerium hat den Verwaltungsgerichtshof gebeten, die Entscheidung über die weiteren Fahrverbote aufschieben zu dürfen. Dort läuft noch ein Beschwerdeverfahren, in dem sich das Land gegen ein Zwangsgeld von 25 000 Euro wehrt, das es zahlen soll, weil die Euro-5-Fahrverbote bislang nicht umgesetzt wurden. Die Entwicklung sei positiv, aber wegen der Coronavirus-Krise sei nun überhaupt nicht absehbar, wie sich die Lage in den kommenden Monaten entwickeln werde, heißt es zur Begründung. Denkbar wäre zum Beispiel, dass nach dem Ende der größten Beschränkungen wieder mehr Menschen mit dem Auto in die Stadt fahren als vor der Krise - aus Angst vor Ansteckung in Bus oder Bahn.

Wie stehen die Chancen?

Das ist offen und hängt maßgeblich auch von der Haltung der Deutschen Umwelthilfe (DUH) ab, die schon mehrere Zwangsgelder gegen das Land erwirkt hat, weil es seiner Pflicht zur Einführung von Fahrverboten nicht nachkommt. Der Verwaltungsgerichtshof wird die Stellungnahme der DUH in seine Entscheidung einfließen lassen. „Wir sind immer zu Gesprächen bereit“, sagt DUH-Chef Jürgen Resch. Im Zentrum müsse aber immer die Frage stehen, was getan werden könne, um schnellstmöglich den Grenzwert einzuhalten. Mit Nordrhein-Westfalen habe man so schon diverse Vergleiche aushandeln können. Baden-Württemberg hingegen habe sich bislang stets verweigert. Als Grund, jetzt erstmal abzuwarten, werde die DUH die Corona-Krise jedenfalls nicht gelten lassen. „Gerade jetzt ist es notwendig, alles zu tun, um die Werte runterzukriegen“, sagt Resch.