So funktioniert P+R in Österfeld: Der Park- ist auch ein Fahrschein. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Die Debatte über die Ausnahmeregelung für P+R-Nutzer in Stuttgart vom Fahrverbot nimmt Fahrt auf: Die CDU-Landtagsfraktion fühlt sich übergangen und fordert Nachbesserungen. Aber auch sonst ist vieles noch unklar.

Stuttgart - Die Absicht des Landesverkehrsministeriums, Pendler unter bestimmten Voraussetzungen trotz Dieselfahrverbots für Euro-Norm 4 und schlechter zu den P+R-Häusern in Degerloch und Österfeld in Vaihingen fahren zu lassen, wird von der Stadt Stuttgart unterstützt. Doch das Rathaus verweist auch auf eine Entscheidung des Gemeinderats, die Anfahrt zu anderen P+R-Anlagen ebenfalls zu ermöglichen. Wann und wie die Ausnahmeregelung umgesetzt wird, ist allerdings offen. Zunächst müsse das Land die rechtlichen Grundlagen schaffen, sagte eine Rathaus-Sprecherin.

Derweil fordert auch die CDU-Fraktion im Landtag, die Ausnahme auf andere P+R-Anlagen in Stuttgart und einen größeren Personenkreis auszuweiten. Ein Sprecher dementierte, dass es eine Einigung der Fraktion mit dem Ministerium gebe. Dagegen verwies das von Winfried Hermann (Grüne) geführte Ministerium auf eine Übereinkunft mit anderen Ressorts in der interministeriellen Arbeitsgruppe.

Wie ist die Ausgangslage bei P+R?

Der im Dezember veröffentlichte Luftreinhalteplan für Stuttgart enthält keine Ausnahmeregelungen für Park-and-Ride-Anlagen innerhalb des Stuttgarter Stadtgebiets. Vom Fahrverbot für Dieselautos der Euronorm 4 und schlechter betroffene Autofahrer aus der Region dürfen seit dem 1. Januar die Stuttgarter P+R-Anlagen also nicht mehr anfahren. Dies war wiederholt heftig kritisiert worden, weil die P+R-Nutzer mit Bahnen oder Bussen weiter in die Innenstadt fahren und damit einen Beitrag zur Luftreinhaltung leisten.

Was soll sich ändern?

Wie die Ausnahmeregelung genau aussieht, wird intern noch abgestimmt. Sie soll, so der Vorschlag des Verkehrsministeriums, aber nur von Inhabern mit VVS-Monats- oder -Jahreskarten verbunden mit einer Dauerparkberechtigung in der jeweiligen P+R-Anlage gelten. Gelegenheitsparker und -nutzer des VVS, die mit dem Parkticket einen Einzel- oder Gruppentagesfahrschein erwerben, fallen nicht unter die Ausnahme. Der Grund: Nur die Dauernutzer könnten bei einer Kontrolle eine Berechtigung nachweisen. Würde man auch Gelegenheitsnutzer, die erst in der P+R-Anlage ihren Fahr- und Parkschein erwerben, vom Fahrverbot ausnehmen, wäre wegen mangelnder Kontrollmöglichkeit dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

Wer profitiert davon?

Die Zahl der Dauernutzer ist überschaubar. In Österfeld sind es nach Angaben des VVS bei 510 Plätzen rund 175, am Albplatz 150 von 450, so die SSB. Wie viele davon mit vom Fahrverbot betroffenen Dieselautos fahren, ist nicht bekannt. Die Zahl dürfte aber höchstens bei einigen Dutzend liegen.

Was fordert die CDU?

Die CDU-Landtagsfraktion verlangt, die Ausnahmeregelung auszuweiten. Sie müsse auch für andere P+R-Anlagen in Stuttgart gelten, etwa für die große (272 Plätze) und nur wenige hundert Meter von der A 81 entfernt liegende im Gewerbegebiet Weilimdorf. Zudem müssten auch Gelegenheitsnutzer und Touristen in den Genuss der Regelung kommen. Man erwarte vom Ministerium einen praktikablen Vorschlag. „Der bisherige Plan geht in die richtige Richtung, aber es gibt noch keine Einigung, weil noch niemand mit uns darüber gesprochen hat“, sagte der Sprecher.

Was sagt die Stadt Stuttgart?

Die Stadt kann die P+R-Anlagen nicht vom Verkehrsverbot ausnehmen, dafür ist das Land zuständig. Man kenne die Pläne des Ministeriums, sagte eine Sprecherin, es sei aber dessen Aufgabe, „die Stadt über das Vorhaben offiziell zu unterrichten und die rechtlichen Rahmenbedingungen für die angedachten Ausnahmen zu schaffen“. Da dies noch nicht der Fall sei, gebe es „zum jetzigen Zeitpunkt keine rechtliche Grundlage, um eine Allgemeinverfügung der Landeshauptstadt Stuttgart zu erlassen“, so die Sprecherin. Der Gemeinderat hat in seiner Stellungnahme zum Luftreinhalteplan gefordert, dass die P+R-Anlagen in Weilimdorf, Degerloch-Albstraße, Österfeld, Sommerrain und Obertürkheim vom Fahrverbot ausgenommen werden.

Gibt es weitere Reaktionen?

Die Kraftfahrzeuginnung Region Stuttgart bezeichnet den Vorschlag als „ersten Schritt in die richtige Richtung“. Man setze darauf, dass „weitere unserer Vorschläge noch Gehör finden“, sagte Geschäftsführer Christian Reher. Dennoch werde die Innung mit Verwaltungsjuristen prüfen, „wo der Luftreinhalteplan rechtlich noch angreifbar ist“. Für den verkehrspolitischen Sprecher der FDP-Landtagsfraktion, Jochen Haußmann, zeige die Nachbesserung, dass der grüne Verkehrsminister Hermann „komplett den Überblick verloren hat“. Kai Buschmann, Chef der FDP-Regionalfraktion, fordert, auch die P+R-Anlage Weilimdorf einzubeziehen und verteilt einen kleinen Seitenhieb an den Koalitionspartner der Grünen: „Die CDU hat von dem Vorschlag mal wieder aus der Zeitung gelesen.“

Wo gilt das Verbot?

Offenbar kursieren Meldungen, wonach das Verbot nur in der Innenstadt oder im Stuttgarter Kessel gültig ist. Das ist falsch. Das Verkehrsverbot gilt ganzjährig in der sogenannten Umweltzone der Stadt Stuttgart, also im gesamten Stadtgebiet. Betroffen sind also nicht nur die Innenstadtbezirke oder die engere Innenstadt innerhalb des Cityrings, sondern alle Stadtbezirke von Uhlbach bis Botnang und von Sillenbuch bis Mühlhausen. Das Verbot gilt auch für Fahrten von einer Nachbarstadt in einen der Außenstadtbezirke oder von einem der Außenstadtbezirke in eine Nachbarstadt. Das Fahrverbot wird markiert durch Zusatzschilder zu den vorhandenen Schildern für die Umweltzone und „Grüne Plakette frei“ mit dem Text: „Diesel (außer Lieferverkehr) erst ab Euro 5/V frei“.

Gilt das Verbot überall?

Drei Strecken auf Stuttgarter Markung sind von dem Verkehrsverbot ausgenommen, weil sie nicht zur Umweltzone gehören. Diese Sonderregelung gilt seit Jahren, damit bestimmte Stadtteile von allen Fahrzeugen erreicht werden können (diese sind jeweils mit der Beschilderung „Zufahrt zu ... frei“ gekennzeichnet). Dabei handelt es sich um die Hafenbahnstraße zwischen der B 10 und Obertürkheimer Straße, um den Straßenzug Heerstraße, Filderstraße und Neuhauser Straße entlang der A 8 und um die B 10 und die B27a zwischen Korntal-Münchingen und Kornwestheim.

Wie können Autofahrer reagieren?

Wer kein neues Auto kauft oder nachrüstet und keine Ausnahmegenehmigung erhält, darf mit dem Euro-4-Diesel nicht mehr in Stuttgart fahren. Wer bisher „nur“ durch Stuttgart fährt, kann sich einen anderen Weg um die Stadt herum suchen, was freilich meist mit einer längeren Strecke verbunden ist. Wichtig dabei: Im Gegensatz zu den Bundesstraßen gehören die Autobahnen nicht zur Umweltzone, sind also frei befahrbar.

Gibt es Alternativen zum Auto?

Wer nach Stuttgart will, kann auch den öffentlichen Nahverkehr benutzen. Mit der Tarifreform, die zum 1. April in Kraft tritt, werden die Fahrten nach und durch Stuttgart günstiger, weil man eine Zone spart. In der Landeshauptstadt selbst gibt es nur noch eine Zone.