Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zeigt sich gerne mit Soldaten. Nun hat sie sich mit pauschaler Kritik an der Truppe Unmut eingehandelt. Foto: dpa

Die Festnahme des terrorverdächtigen Oberleutnants Franco A. bringt die Verteidigungsministerin auf die Palme: Mit Blick auf die jüngsten Skandale beschwert sich Ursula von der Leyen offen über Haltungs- und Führungsprobleme in der Truppe. Dies lassen viele Soldaten nicht auf sich sitzen.

Stuttgart - Wegen der Turbulenzen im Fall des terrorverdächtigen Oberleutnants Franco A., der sich als syrischer Flüchtling ausgegeben hat, hat nach Informationen dieser Zeitung der Verteidigungsausschuss des Bundestags seine USA-Reise kurzfristig abgesagt. Die Tour sollte an diesem Dienstag beginnen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) ist mit einem Interview zu dem Fall selbst in die Kritik geraten. Angesichts von aus dem Ruder gelaufenen Aufnahmeritualen, sexuell aufgeladenen Ausbildungspraktiken und Schindereien, wie sie zuletzt aus Pfullendorf, Bad Reichenhall und Sonderhausen bekannt geworden seien, sowie wegen des rechtsextremen Franco A. hatte von der Leyen im ZDF erklärt: „Die Bundeswehr hat ein Haltungsproblem und sie hat offensichtlich eine Führungsschwäche auf verschiedenen Ebenen.“

SPD: Ministerin verdeckt eigene Versäumnisse

Das Echo kam prompt: „Wer nach drei Jahren im Amt über ein breites Führungsversagen in der Bundeswehr klagt, der klagt sich selbst an“, sagte SPD-Vize Ralf Stegner. „Die Ministerin hätte schon lange gegensteuern müssen“, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD, Rainer Arnold. Dass Informationen über Verfehlungen und Rechtsextremismus nicht bis zu ihr vordrängen, hat in seinen Augen mit der verfehlten Reform ihres Vorgängers Thomas de Maizière (CDU) zu tun. „Statt dieser Aufgabe gerecht zu werden, beschimpft sie pauschal die Truppe.“ Der Grüne Omid Nouripour bezeichnete es als „bizarr“, dass von der Leyen die Problemlage nach fast vier Jahren Amtszeit bemerke.

Von der Leyen rudert zum Teil zurück

Auch in der Bundeswehr selbst rumort es, weil sich viele Soldaten offenbar unter einen Generalverdacht gestellt sehen. In dem bei ihnen populären Internetblog „Augen geradeaus“ laufen deswegen die Kommentarspalten über. Abgeordnete berichten von empörten Anrufen aus Soldatenkreisen. Um gegenzusteuern ist von der Leyen in einem offenen Brief an die Truppe zum Teil zurückgerudert. „Als Inhaberin der Befehls- und Kommandogewalt bin ich nach wie vor fest davon überzeugt, dass die übergroße Mehrheit von Ihnen ob in den Einsätzen oder im Grundbetrieb tagtäglich anständig und tadellos ihren wichtigen Dienst für unser Land leistet“, schreibt sie. Dafür lege sie nach dreieinhalb Jahren Erfahrung mit der Truppe die Hand ins Feuer.

Vorsitzender des Bundeswehrverbandes ist „schockiert“

Der Chef des Bundeswehrverbandes, André Wüstner, zeigte sich „schockiert“ über die schweren Vorwürfe von der Leyens. „Politiker an Bundeswehrstandorten, Menschen aus der Bundeswehr und Angehörige, viele Soldaten im Auslandseinsatz – alle sind über diese Verallgemeinerungen entsetzt“, sagte er der „Augsburger Allgemeinen“. Die Ministerin nehme weiteren Schaden im Verhältnis zwischen Politik und Bundeswehr in Kauf, ohne genau zu sagen, auf welcher Faktenlage sie kritisiere.