Jauche im Selbstporträt Foto: privat

Beim Trio Jauche finden drei äußerst interessante Stuttgarter Musiker zusammen. Aus einer nächtlichen Jam-Session ist jetzt das erste Album zwischen Electronica, Kraut und Minimal Music entstanden.

Stuttgart - Mit dem popmusikalischen Untergrund kennt man sich in Stuttgart eigentlich aus. In den Zehnerjahren sind den schwäbischen Musikkellern und Kleinstbühnen zahlreiche einflussreiche und nicht nur in den Feuilletons gefeierte Bands und Musikprojekte entstiegen, man denke etwa an Die Nerven, Levin Goes Lightly oder Wolf Mountains. Deren Protagonisten sind mittlerweile über die Republik verteilt und pflegen ihre Haupt- und Nebenprojekte. Eines davon ist, selbst von der Fachwelt bislang weitgehend unbeachtet, das Trio Jauche.

Diese „Band“ besteht aus Max Rieger, Thomas Zehnle und Ralv Milberg. Die Drei repräsentierten durchaus das musikalische Schaffen und den dazugehörigen Sound des vorgenannten Untergrunds. Es versteht sich von selbst, dass da kein radiotauglicher Pop herauskommt. Man trifft sich zum Musizieren schließlich nicht im Songwriter-Bootcamp, sondern spätabends im Milberg-Studio in Heslach. Nach kurzer Diskussion über das grobe Konzept einzelner Songs wurden diverse Drumcomputer, Synthesizer sowie ein Bass angeschlossen und los ging der Jam – so schildert Milberg jene Nacht im Dezember 2016, in der das jetzt erschienene Jauche-Album „Wayne“ entstanden ist.

Da wurde die eine oder andere Flasche Rotwein geleert und gegen Ende des Jams, um acht Uhr morgens, war man der Ohnmacht schon ziemlich nah, berichtet Ralv Milberg. Mehr als drei Jahre lang reifte das Material, wurde editiert und auf 35 Minuten Laufzeit verdichtet. Das Ergebnis lässt sich jetzt nachhören, vom Berliner Label Beatbude auf Vinyl gepresst.

Berghain im Wohnzimmer

Zunächst einmal ist das „nur“ das Ergebnis eines nachträglich bearbeiteten, stundenlangen Studiojams. Aber in dieser bemerkenswerten Heslacher Nacht sind eben auch sehr viele gute Ideen entstanden, die in der nun komprimierten Form auch Jahre später ihre oftmals repetitive Kraft entfalten. Jauche mischen auf „Wayne“ Minimal Music, Kraut und Electronica. Heraus kommt so etwas wie Techno für Stubenhocker. Den man im Kontakverbot gerne auch mal frühmorgens auflegen kann, um sich wie im Club zu fühlen, als man da noch hindurfte. Wenn dann irgendwann noch die Sonne durch den Rollladen scheint, passt der Track „Guten Morgen“ mit angstvoll verhalltem Gesang à la Suicide perfekt. Mehr Berghain im eigenen Wohnzimmer geht nicht.

Jauche sind auch deshalb für den Hausgebrauch besonders geeignet, weil sie quasi nie live auftreten. Das ist das Schicksal solcher Nebenprojekte. Zwei Ausnahmen gab es: einmal beim Stuttgarter Troglobatem-Festival für experimentelle Musik; das kann man bis heute zumindest online auf der Plattform Bandcamp nachhören. Außerdem stand das Trio vergangenes Jahr beim Pop-Kultur-Festival in Berlin auf der Bühne – auch damals stundenlang, ebenfalls komplett improvisiert und vor allem: in bester Qualität mitgeschnitten.

Da gibt es also schon weiteres Material – übrigens auch aus der Zeit vor der „Wayne“-Session, dessen Veröffentlichung zumindest angedacht ist. Auch da hört man stoische Drumcomputer, flächenhaftes Rauschen, irre-verhallten Gesang – und spürt die Spannung, die auch über das scheinbar unendliche Wiederholen der immer gleichen Sequenzen gehalten wird.

Auch wenn die Musiker selbst das so nie intendiert haben: dieses Trio, das schon immer bevorzugt im geschlossenen (Studio-)Raum gespielt hat, die Musik zur Shutdown-Zeit.