Ein voller Einkaufswagen Foto: dpa

 Man wollte nur ein paar Besorgungen machen und kommt doch mit vollen Taschen nach Hause.

Hamburg - "Jeder Schritt, jeder Blick, jeder Griff ins Regal ist genau geplant: Sie sollen nicht nur finden, was Sie brauchen, sondern kaufen, wovon Sie bisher gar nicht wussten, dass Sie es brauchen", haben Silke Schwartau und Armin Valet in ihrem Buch "Vorsicht Supermarkt! Wie wir verführt und betrogen werden" (Rowohlt-Taschenbuch) geschrieben - und holen damit zum Gegenschlag aus. Sie wollten eine profunde Hilfestellung geben, mit der jedermann sich vom "dressierten Kunden" zum "selbstbestimmten Verbraucher" verwandeln kann.

Denn wem ist schon bewusst, was sich die Supermarktbetreiber alles einfallen lassen, um die arglosen Kunden zu zahlreichen Spontankäufen zu animieren. Nichts ist dem Zufall überlassen, alles ist genau geplant. Dezente Dudelmusik sorgt für angenehme Stimmung, raffinierte Beleuchtung setzt selbst das langweiligste Warenangebot in Szene, ausgeklügelte Regalaufstellungen bremsen die schnellen Schritte der Käufer und zwingen zu möglichst langen Wegen durch den Laden zur Kasse. Alle diese Maßnahmen verfolgen dasselbe Ziel. Der Kunde soll sich wohlfühlen, somit länger im Markt verweilen und bestenfalls viel mehr kaufen, als er eigentlich vorhatte.

Ob Bremstrick, Wohlfühltrick oder ausgeklügelte Regalanordnung im Markt - die Läden haben mit ihren teils fantasievollen Finten Erfolg. Eine Studie des Verlags für die Deutsche Wirtschaft hat herausgefunden, dass bis zu 60 Prozent der Einkäufe spontan getätigt werden. Früher funktionierte das Einkaufsmarketing unverdeckt und persönlich. Mit einem Lächeln und dem Satz "Darf's auch ein bisschen mehr sein?", animierte einst die nette Dame hinter der Theke des Tante-Emma-Ladens zum Kauf. Heute werden die Waren ganz modern nonverbal angepriesen. "Da auf Verkaufspersonal mittlerweile weitgehend verzichtet wird, verführen heute allein die Werbung, die Platzierung, der Markenname, die Verpackungsgestaltung oder der Preis", heißt es in dem Buch der Verbaucherschützer.

In jahrelangen Testreihen haben Wissenschaftler das Einkaufsverhalten der Deutschen genauestens untersucht und gemeinsam mit Marketingstrategen ihre Schlüsse daraus gezogen. Eine wichtige Rolle spielt dabei die Gehirnforschung, die herausgefunden hat, dass Kaufentscheidungen im Wesentlichen von den emotionalen Bereichen im Inneren des Gehirns getroffen werden und nicht von der eher rational denkenden Großhirnrinde. Also wird mit allen Mitteln versucht, die Sinne anzusprechen. Zum Beispiel mit zielgruppenspezifischer Musik. "Morgens richtet man sich an Hausfrauen und Rentner, abends an Jugendliche und Berufstätige. Dieser strategische Einsatz von akustischen Reizen dient dazu, die Atmosphäre zu verbessern und den Käufern bestimmte Bedürfnisse zu infiltrieren", so die Verbraucherschützer. Wichtig ist zudem die passende Temperatur - nicht zu warm, nicht zu kalt. Als ideal gelten 19 Grad Celsius. Wer friert oder schwitzt, könnte den Laden zu schnell wieder verlassen wollen.

Zur Psychologie der Verkaufsführung gehört auch der passende Duft. Zitronenfrische in der Nähe der Fischtheke, der Duft von Frischgebackenem beim Brot, Kakaogeruch im Gang der Süßwaren. "Studien haben gezeigt, dass Kunden 16 Prozent mehr Zeit in bedufteten Räumen verbringen und für sechs Prozent mehr Umsatz sorgen, wenn man ihrer Nase Gutes tut", schreiben Silke Schwartau und Armin Valet, die diese Wellnessattacken sehr kritisch sehen, denn es sei nicht endgültig erforscht, ob sie der Gesundheit schaden. Allergiker zumindest hätten über Probleme geklagt.