Die „Sparsamen“ unter sich, von links nach rechts: Mark Rutte (Niederlande), Sebastian Kurz (Österreich), Sanna Marin (Finnland), Mette Frederiksen (Dänemark) und Stefan Lofven (Schweden). Foto: AFP/Francois Walschaerts

Dänemark, Finnland, Österreich, Schweden und die Niederlande prägen den Corona-Krisengipfel. Ihr vehementer Einsatz für weniger Corona-Hilfszuschüsse ist hochumstritten, die harte Haltung für Rechtsstaatlichkeit als Auszahlungsbedingung dagegen hoch willkommen.

Brüssel - Zu Beginn des vierten Verhandlungstages berichtet Angela Merkel, dass in der Nacht zuvor „ein Rahmen für eine mögliche Einigung erarbeitet“ worden ist, vor einem endgültigen Kompromiss aber nochmals „unglaublich harte Verhandlungen“ stünden. Die Kanzlerin nennt die Amtskollegen, die mit ihren dezidierten Positionen dafür verantwortlich zeichnen, nicht beim Namen. Aber es ist klar, dass vorrangig die Gruppe der „Frugal Four“ gemeint ist, die dem EU-Gipfel ihren Stempel aufgedrückt hat.

Das englische Adjektiv kann mit „sparsam“ übersetzt werden, weil Dänemark, Österreich, Schweden und die Niederlande von Anfang an eine Steigerung des EU-Haushalts ablehnten. Mit einem strikten Nein reagierten die vier Länder auf die deutsch-französische Initiative für einen Wiederaufbaufonds, um die ökonomischen Folgen der Corona-Pandemie in den Griff zu bekommen. Dem Vorschlag, dafür gemeinschaftlich 500 Milliarden Schulden aufzunehmen und sie besonders betroffenen Staaten zu überweisen, setzten sie ihr eigenes Konzept mit rückzahlbaren Krediten über 250 Milliarden Euro entgegen.

Verhältnis von Zuschüssen und Krediten verschiebt sich

Im Laufe der Verhandlungen über den schlussendlichen Vorschlag der EU-Kommission, die beide Initiativen zu einem 750-Milliarden-Paket addierte, hat sich das Verhältnis von Zuschüssen und Krediten immer weiter verschoben – im Sinne der „Sparsamen“. Sie waren dabei nicht „genügsam“, wie eine andere mögliche Übersetzung lautet. Mehrere Kompromissvorschläge wurden verworfen – weder 450 noch 400 Milliarden Euro an Zuschüssen waren akzeptabel für die Ländergruppe, der sich spontan noch Finnland anschloss. In der Nacht zu Montag ging es unter die 400-Milliarden-Marke. 390 zu 360? Oder 375 zu 375? Am Montagnachmittag kamen aus Brüssel unterschiedliche Aussagen zur eventuell konsensfähigen Mischung. Was die einen als Schwächung der EU-Krisenreaktion interpretieren, sieht das Quintett selbst als großes Zugeständnis – schließlich habe man erst gar keine Zuschüsse haben wollen.

Der niederländische Premier Mark Rutte, der einer Wahl entgegensieht und dem Druck des Rechtspopulisten Geert Wilders ausgesetzt ist, hat nicht nur für weniger Zuschüsse, sondern auch für strenge Auszahlungsbedingungen gekämpft – Italiens Premier Giuseppe Conte rang er Reformgarantien und eine „Notbremse“ ab, falls gegen Konditionen verstoßen wird. Als europapolitischer Sprecher der FDP-Bundestagsfraktion begrüßt Michael Link das: „Wenn die Bundesregierung sich zu wenig darum kümmert, wie genau die Milliardenhilfen eingesetzt und kontrolliert werden sollen, ist der Einsatz der Fünf umso wichtiger.“

Grüne rügen die Sparsamen

Seine grüne Kollegin Franziska Brantner rügt die „Frugalen“ dagegen scharf. „Jede Milliarde mehr an europäischen Zuschüssen, der sie zustimmen, lassen sich die geizigen Fünf mit Rabatten versüßen, die vor allem zu Lasten Deutschlands und Frankreichs gehen.“ Der Gipfel zeige, so die SPD-Europaabgeordnete Katarina Barley, „dass trotz der ernsten Lage nationale Egoismen leider eine zentrale Rolle spielen – das geht von links bis rechts quer durch alle Parteienfamilien“.

In Dänemark, Schweden und Finnland sind Sozialdemokraten am Ruder, in Finnland, Österreich und Schweden regieren die Grünen mit. „Ich kann bei diesen Regierungen kaum europäische Verantwortung erkennen“, so Brantner, „in drei Ländern haben die Grünen als Juniorpartner immerhin noch Schlimmeres verhindert.“ So sollen die Wiener Grünen mit dafür gesorgt haben, dass der konservative Kanzler Sebastian Kurz den Kommissionsvorschlag mit den Zuschüssen überhaupt als Verhandlungsgrundlage akzeptierte. In Finnland hatte die frühere Europaabgeordnete Satu Hassi als Vorsitzende des für EU-Fragen zuständigen Ausschusses ein klares parlamentarisches Nein zu schuldenfinanzierten Zuschüssen verhindert.

Breite Unterstützung erhält das Quintett in einem anderen Punkt, den auch die Bundesregierung forciert hat. Man solle den sparsamen Vier, so Ex-Justizministerin Barley, „keinen Vorwurf daraus machen, dass sie bei der Bindung von EU Geldern an Rechtsstaat und Demokratie hart bleiben“. Dieser Hebel zur Verbesserung der Lage speziell in Ungarn und Polen bietet sich ihrer Ansicht nach nur alle sieben Jahre bei den Etatverhandlungen: „Wenn die Rechtsstaatsklausel jetzt nicht kommt, dann gibt es in sieben Jahren in einigen Ländern keinen Rechtsstaat mehr, den man schützen kann.“