Dietmar Bartsch Foto: dapd

Bartsch will im Juni Parteivorsitzender werden, doch Lafontaine hält sich eigene Kandidatur offen.

Berlin - - Dietmar Bartsch hat seine 1,93 m Körperlänge auf diesen Stuhl der ungemütlicheren Sorte zusammengeklappt und reckt sein Kreuz gegen aufkommende Verspannungen auf die Position „kerzengerade“. Der Anzug sitzt, die Krawatte auch. Selbst im Sitzen wirkt der 53-Jährige überragend: Neben ihm haben die erheblich kürzer gewachsenen Dagmar Enkelmann, Gesine Lötzsch, Gregor Gysi und Petra Pau das Nachsehen.

Bartsch sagt indes keinen Ton, zumindest nicht offiziell auf dem Podium zum politischen Jahresauftakt der Linkspartei an diesem Montag. Doch noch bevor im früheren Kino Kosmos, dem einstmals größten und noch dazu Premierenkino der DDR, die Lichter angehen, stellt Bartsch sich selbst ins Scheinwerferlicht. Ja, er wolle für das Amt des Parteivorsitzenden kandidieren. Ja, er wisse, dass auch Oskar Lafontaine „über Dinge nachdenkt, aber das habe ich über andere von ihm gehört, nicht von ihm selbst“. Und: „Ja, ich bestreite, dass er zu mir gesagt hat: Sie werden es ganz bestimmt nicht.“ Sagt’s und überlässt damit seinen Genossen die Bühne.

Dietmar Bartsch kennt die Mechanismen der Partei

Sein Auftritt kommt schon noch, soll das wohl signalisieren. Dietmar Bartsch kennt die Mechanismen der Partei. Er war schon SED-Mitglied, danach Bundesgeschäftsführer der vereinten Ost-West-Linken, zog im Jahr 2010 im internen Machtkampf gegen Lafontaine den Kürzeren und rehabilitiert sich seither als Gysis Stellvertreter in der Bundestagsfraktionsspitze. Führende West-Linke in der noch immer zersplitterten Partei werfen dem Ostdeutschen Bartsch bis heute Illoyalität vor, während die ostdeutschen Genossen für ihn jederzeit in die Bresche springen.

Doch so sehr Bartsch sich zu betonen bemüht, sein Verhältnis zu Lafontaine sei gar nicht so schlecht wie kolportiert, so eindeutig ist, dass vieles in der Partei vom Verhältnis der beiden zueinander abhängt: Kündigt auch der Altlinke Lafontaine seine Kandidatur zum Parteivorsitz an, ist die Konkurrenz zum Realo Bartsch besiegelt und der Richtungskampf um den Kurs der Linkspartei neu befeuert. Verzichtet der heiß umworbene Saarländer Lafontaine darauf, als Chef im Ring zurückzukehren, läuft es darauf hinaus, dass Gesine Lötzsch (Ost) und Lafo-Zögling Klaus Ernst (West) als glücklos amtierende Doppelspitze irgendwie weiterwurschteln oder Bartsch mit einer West-Frau die Macht übernimmt. Als potenzielle Kandidatin der West-Linken wiederum gilt sogar Fraktionsvize Sahra Wagenknecht, die zwar in der DDR geboren, aber seit 1998 in Nordrhein-Westfalen politisch aktiv ist. Seit Lafontaine sie als seine Lebensgefährtin vorstellte, ist sie für den Job als Parteichefin für einige Genossen aber nicht mehr wählbar. Vorsorglich hat Lafontaine darum zwei Kandidatinnen ausgeguckt, die Bartsch zur Seite gestellt werden könnten – Hamburgs Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn oder die NRW-Landessprecherin Katharina Schwabedissen.

Ohne Oskar keine neue Führung. Mindestens einer des nächsten Parteispitzen-Duos wird Chef von Oskars Gnaden. Zudem soll Ulrich Maurer – mit Lafontaine aus guten SPD-Zeiten seit Jahrzehnten eng verbandelt – Bundesgeschäftsführer werden, auf Oskars speziellen Wunsch natürlich. Anfang Juni wählt die Linke ihren neuen Vorstand, und noch im Januar will die Partei über einen Antrag einiger Landesverbände abstimmen, ob nicht besser alle Mitglieder über die Kandidaten entscheiden. Bislang gestattet dies die Satzung nicht.

Dementiert hat Lafontaine bisher nicht

Der Proporz will zudem, dass Ost wie West und Mann wie Frau in Fraktions- und Parteispitze vertreten sind. Klar, Lötzsch spricht sich für Lafontaine aus; sie kann dann im Amt bleiben: „Ich glaube, viele in unserer Partei wünschen sich, dass Lafontaine Spitzenkandidat wird“, sagt sie am Montag.

Nach Informationen unserer Zeitung ist Lafontaine über seine Bestellung keineswegs hoch erfreut – vor allem nicht, weil Gysi ihn via Radio-Interview ins Gespräch brachte. Dementiert hat der 68-jährige frühere SPD-Chef jedoch bisher nicht, für die Rückkehr auf die Berliner Bühne bereit zu sein. „Fragen Sie im Mai noch mal nach“, raunte er am Wochenende. Im Mai 2010 hatte Lafontaine wegen einer Krebserkrankung auf eine erneute Kandidatur als Parteivorsitzender verzichtet. Er sei voll genesen, heißt es.

Während er am Sonntag zum Todestag von Rosa Luxemburg noch Nelken an deren Berliner Gedenkstätte niederlegte, lässt sich Lafontaine am Montag zum politischen Jahresauftakt seiner Parteigenossen nicht blicken. „Es gibt keinen Einzelnen, der all unsere Probleme lösen kann“, sagt Dietmar Bartsch sibyllinisch und schafft es tatsächlich, dabei nicht angriffslustig zu klingen. Noch nicht.