Ilse Aigner (CSU), die neue Parlamentspräsidentin in Bayern Foto: dpa

Lange galt Ilse Aigner als Konkurrentin Markus Söders in der CSU. Nun ist sie Landtagspräsidentin – und verliert damit an konkreter Macht. Doch die volksnahe 53-Jährige trägt es mit Fassung.

München - Gut drei Wochen nach der Wahl hat der neue Landtag in Bayern am Montag die Arbeit aufgenommen – und gleich eine Leerstelle gefüllt: Nach dem altersbedingten Ausscheiden der hoch beliebten CSU-Politikerin Barbara Stamm (74), die das Amt zehn Jahre innehatte, wurde Ilse Aigner zur neuen Parlamentspräsidentin gewählt – und zwar mit einem fast einstimmigen Traumergebnis. Die 53-Jährige führt seit 2011 den mächtigen, weil mitgliederstärksten CSU-Parteibezirk Oberbayern und galt – für höhere Aufgaben – auch einige Jahre lang als aussichtsreichste Konkurrentin von Markus Söder. Jedenfalls hat Parteichef Horst Seehofer sie zwischendurch zur „Kronprinzessin“ aufgebaut. Aus Berlin, wo sie von 2008 bis 2013 Bundesministerin für Landwirtschaft und Verbraucherschutz war, holte er sie als sympathisches Vorzeigegesicht für die Landtagswahl 2013 zurück nach Bayern. Danach aber bekam sie nur ein abgespecktes Wirtschaftsministerium zugeteilt, dem wesentliche Kompetenzen zugunsten des Finanz- und Heimatministeriums von Markus Söder und des Innenministeriums von Joachim Herrmann weggenommen worden waren. Aigner ließ das ohne große Proteste mit sich geschehen – und irritierte damit ihre Anhänger.

Nach der Niederlage der CSU bei der Bundestagswahl 2017 machte Aigner dann einen letzten Anlauf: sie schlug vor, die Spitzenkandidatur für die Landtagswahl 2018 per Urwahl von der CSU-Basis ermitteln zu lassen. Das war aber schon zu spät: die Söder’sche Unterstützertruppe feuerte aus allen Rohren gegen Aigner, und sie zog zurück. Dem „Zeit-Magazin“ sagte sie im Sommer, das von Seehofer befeuerte Machtspiel mit Söder habe sie „irgendwann nicht mehr mitgespielt, weil es mir zu blöd war.“ Sie sei, so Aigner weiter, „nicht bereit gewesen, den Kampf bis aufs Allerletzte durchzufechten. Der Preis wäre zu hoch gewesen. Ich hätte mich komplett verändern müssen. Für den Kampf hätte ich einen Säbel auspacken müssen. Meine Waffe ist aber das Florett.“

Ungekünstelte Volksnähe

Aigner stammt aus Feldkirchen-Westerham, auf dem Land südöstlich von München, wo sie heute noch wohnt. Sie ist ausgebildete Radio- und Fernsehtechnikerin und über die Junge Union zur CSU gestoßen. 1994 kam sie auf direktem Weg zum erstenmal in den Bayerischen Landtag, 1998 wechselte sie in den Bundestag und sitzt seit 2007 im Präsidium der CSU. Die hochgewachsene, ledige, gerne fesch im Dirndl auftretende Aigner hat sich einen mädchenhaften Charme und eine ganz natürliche, bodenständige Volksnähe bewahrt. Seit ihren Lehrjahren im Handwerk versteht sie sich aber auch in der Männerwelt zu behaupten. Wenigstens sie persönlich. Viel mehr an konkreter Frauenförderung konnte sie ihrer CSU bisher nicht abringen.

Markus Söder, als er im März zum erstenmal Ministerpräsident wurde, machte Ilse Aigner von der Wirtschafts- zur Ministerin für Wohnen, Bau und Verkehr. Sie musste dieses neu geschaffene Wahlkampf-Schlüsselministerium erst aufbauen – ganz wortwörtlich: Es gab für die aus dem Wirtschaftsressort von heute auf morgen Ausquartierte keine Räume; es mussten erst welche gefunden, restauriert und eingerichtet werden. Fürs drastische Foto stellte Aigner sich lächelnd zwischen Maler und Leitern. Und für die Wahlplakate dann posierte sie unverdrossen Rücken an Rücken mit Söder „für ein starkes Bayern“.

Als Söder sie nun für das Amt der Landtagspräsidentin vorschlug, da sagte Aigner „Ja“ – ohne dass ein Widerstreben bekannt geworden wäre. Das Amt ist honorig genug, es garantiert höheres, parteiübergreifendes politisches und gesellschaftliches Ansehen. Aigner verliert damit zwar an konkreter Macht, ist aber auch den Rivalitäten und Demütigungen der Tagespolitik enthoben. Und anders als ihre beliebte Vorgängerin Barbara Stamm wird sie im Landtag auch stärker herausgefordert sein: Ilse Aigner muss das Mit- und Gegeneinander von nunmehr sechs Parteien moderieren. Bisher waren es vier. Und eine nach ihrer Existenz und ihren Umgangsformen so provozierende Fraktion, wie es die AfD nun sein wird, die gab’s auch nicht.