Walter Schels hat die Kamera immer parat – auch wenn ihm die Galeristin Karin Abt-Straubinger ein Hörl-Erdmännchen überreichen will. Foto: Sabine Schwieder

Walter Schels hat Prominente porträtiert, Babys und Sterbende fotogafiert und Tiere im Studio abgelichtet. In der Galerie Abtart sind Beispiele aus mehreren Jahrzehnten zu sehen.

Möhringen - Wenn Eltern die Erlaubnis erteilen, ihren sechsjährigen Sohn beim Sterben zu fotografieren, dann ist das ein Vertrauensbeweis ohnegleichen. Für eine solche Arbeit muss der Fotograf ein sehr feines Einfühlungsvermögen haben. Walter Schels, langjähriger Fotograf für Magazine wie den „Stern“, hat die Gabe, Menschen wie Tieren Vertrauen einzuflößen. Die Galerie Abtart zeigt bis Mitte Dezember seine fast ausschließlich schwarz-weißen Arbeiten aus mehreren Jahrzehnten. Der Kurator Klaus Honnef hat die Schau mit dem Titel „Eine Suche nach dem WESENtlichen“ überschrieben.

Die Schönheit von Gullydeckeln

Er sei in jungen Jahren schüchtern gewesen, gesteht Walter Schels im begleitenden Katalog. Die Kamera habe ihm erlaubt, sich Menschen zu nähern, die er bewundere. So sind von den 70er-Jahren an Schwarz-weiß-Porträts von Prominenten entstanden, für die Walter Schels in der Fotografenszene renommiert ist. Der gelernte Schaufensterdekorateur, Jahrgang 1936, ging 1966 nach New York, wo er Menschen im Central Park fotografierte und die Schönheit von Gullydeckeln sichtbar machte. Seit 1990 arbeitet er in Hamburg.

In Krankenhäusern und Hospizen fotografiert

Schels Fotos von Prominenten zeigen selten lachende Menschen. Er will sie darstellen, wie sie sind, nicht wie sie sich geben. Er porträtierte Helmut Schmidt oder Alfred Brendel, indem er ihre Gesichter von den erhobenen, dem Betrachter zugewandten Händen einrahmen ließ. Er porträtierte eine 65-jährige Frau mit Downsyndrom, deren Gesicht in kurzer Zeit eine Vielfalt von Emotionen spiegelte. Und er ging zusammen mit seiner Frau, der Journalistin Beate Lakotta, in Krankenhäuser oder Hospize, um Menschen vor und nach dem Tod abzubilden. Es sind Bilder von großer Nähe, die nicht immer leicht zu ertragen sind. Schels geht mit Respekt und doch sehr nahe an seine Modelle heran, aber er lässt ihnen immer ihre Würde. Man werde, so lobte der Kurator Kaus Honnef bei der Vernissage , mit sanfter Gewalt gezwungen, einen zweiten und dritten Blick zu riskieren. Das mache Schels über das Fotografieren hinaus zu einem Künstler, sagte Honnef und wunderte sich, dass der über 80-jährige Fotograf mit dieser Ausstellung in der Galerie Abtart erstmals künstlerisch gewürdigt wird.

Mit sanfter Gewalt zum zweiten, dritten Blick gezwungen

Genetische Montagen

Eine Mitte der 1970er-Jahre entstandene Serie mit „Genetischen Montagen“ ist besonders eindrucksvoll. In einer Zeit, als es kein Photoshop gab, fügte Schels ein Babygesicht in Bilder von Menschen in verschiedenen Lebensaltern. Zeit, Geburt und Tod, das sind Themen, die sich durch sein gesamtes Oeuvre hindurchziehen.

Er begegnet den Menschen mit großer Empathie

Seit den 1990er-Jahren hat der Fotograf Tiere porträtiert, Bilder, die in der Galerie geschickt unter die menschlichen Porträts gemischt wurden. Ein Affe, der nachdenklich auf die Betrachter sieht. Ein Schaf blickt leicht amüsiert in die Kamera. Ein Bär thront selbstbewusst in der Ecke eines Sofas. Sie alle wurden im Studio bei Blitzlicht abgelichtet. „Sie werden nicht verhätschelt und nicht dämonisiert“, sagte Klaus Honnef dazu: Walter Schels begegne allen Porträtierten, den menschlichen wie den tierischen, mit großer Empathie.