Egal, wie schnell die Corona-Pandemie bewältigt wird: Die deutsche Wirtschaft wird in diesem Jahr – auch wegen Ladenschließungen – in jedem Fall schrumpfen. Foto: dpa/Martin Gerten

Dei Wirtschaftsleistung in Deutschland wird nach Einschätzung der Wirtschaftsweisen im laufenden Jahr schrumpfen – um bis zu 5,4 Prozent. 2021 rechnen die Experten aber bereits wieder mit einer Erholung.

Frankfurt/Berlin - Die deutsche Volkswirtschaft wird wegen der Corona-Pandemie deutlich schrumpfen. Die massiven Einschränkungen seien aber wegen der Corona-Krise unausweichlich. Man dürfe jetzt nicht Wirtschaft und Gesundheit gegeneinander aufrechnen, sagte Lars Feld, der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur wirtschaftlichen Begutachtung, bei der Vorlage eines Sondergutachtens in Berlin. Die sogenannten Wirtschaftsweisen gehen davon aus, dass sich die Wirtschaft im Laufe des Sommers schrittweise wieder erholt. Im schlimmsten Fall rechnen sie mit einem Einbruch des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 5,4 Prozent im Gesamtjahr, das wäre sogar etwas weniger als im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009. Bei einer kürzeren Dauer der Einschränkungen wegen der Krise und einer schnellen Erholung der Wirtschaft könnte das BIP demnach nur um 2,8 Prozent zurückgehen.

Jeder Einzelne gefragt

„Die wirtschaftliche Entwicklung hängt von Ausmaß und Dauer der gesundheitspolitischen Maßnahmen und der darauf folgenden Erholung ab“, betonte der Sachverständigenrat. „Wir gehen davon aus, dass die Corona-Pandemie die Weltwirtschaft stark beeinträchtigen wird“, sagte Feld und betonte, dass die Unsicherheit über die zukünftige Entwicklung aufgrund der außergewöhnlichen Situation und der schwierigen Datenlage enorm sei. Um die Folgen für Gesundheit und Wirtschaft möglichst gering zu halten, sei jetzt die Einsicht jedes Einzelnen gefragt.

Aber auch die Aufklärung der Bevölkerung über das weitere Vorgehen sei extrem wichtig, betonte der Wirtschaftsweise mit Blick auf die aufkommende Diskussion über mögliche Lockerungen der Ausgangsbeschränkungen. „Eine klar kommunizierte Normalisierungsstrategie kann die Erwartungen der Unternehmen und Haushalte stabilisieren und die Unsicherheit verringern.“ Eine klare Kommunikation trage zudem zur Beruhigung der Akteure auf den Finanzmärkten bei.

Drei klare Handlungsweisen vorgeschlagen

Der Expertenrat schlägt drei klare Handlungsweisen vor, um die Erholung zu fördern. Den ersten Schritt habe die Bundesregierung mit ihrem Maßnahmenpaket zur „richtigen Zeit“ gemacht, loben die Ökonomen. Es ziele darauf ab, den Einbruch der Wirtschaftsleistung „schnell und effektiv“ einzudämmen und einen stärkeren Einbruch zu vermeiden. Dies sei dringend nötig, damit die unternehmerischen Kapazitäten über den Einbruch hinweg möglichst erhalten bleiben. Als zweiten Schritt müssten wirtschaftspolitische Maßnahmen dabei helfen, dass die Einkommen hierzulande stabil bleiben – notfalls mit direkten Zuschüssen für besonders stark betroffene Selbstständige oder Haushalte. Und schließlich sollten die Unternehmen die Zeit des Corona-Teilstillstands sinnvoll nutzen.

Die Ökonomen haben für ihre Schätzung drei verschiedene Szenarien zugrunde gelegt. Der Unterschied liegt vor allem in der Einschätzung, wie lange und in welchem Ausmaß die einschränkenden gesundheitspolitischen Maßnahmen anhalten und wie schnell es danach zu einer Erholung kommt. Eindeutig aber ist, dass die aktuelle Krise die sich gerade abzeichnende konjunkturelle Erholung abrupt beendet und eine Rezession im ersten Halbjahr 2020 und damit auch im Gesamtjahr nicht zu vermeiden sei. Bisher hatten die Volkswirte für dieses Jahr ein Wachstum von 0,9 Prozent prognostiziert.

Lage der Wirtschaft soll sich über den Sommer wieder normalisieren

Im Basisszenario, das die Wirtschaftsweisen aus heutiger Sicht für das wahrscheinlichste halten, normalisiere sich die wirtschaftliche Lage „im Laufe des Sommers“ wieder, das BIP würde dann nur um 2,8 Prozent sinken. Im Risikoszenario, in dem es zu großflächigen Produktionsstilllegungen oder länger andauernden gesundheitspolitischen Maßnahmen kommt, würde der Einbruch im ersten Halbjahr stärker ausfallen, so dass die Wirtschaftsleistung im Gesamtjahr um 5,4 Prozent sinken würde. Im kommenden Jahr dagegen würde das Plus aufgrund von Aufholeffekten um 4,9 Prozent steigen, wozu insbesondere ein hoher statistischer Überhang beitragen würde.

Sollten die Einschränkungen über den Sommer hinaus andauern und die wirtschaftliche Erholung erst im nächsten Jahr beginnen, würde die Wirtschaftsleistung in diesem Jahr zwar nur um 4,5 Prozent schrumpfen, im nächsten Jahr aber nur um ein Prozent zulegen. In diesem Szenario würden die getroffenen Politikmaßnahmen nicht ausreichen, um tiefgreifende Beeinträchtigungen der Wirtschaftsstruktur zu verhindern. Verschlechterte Finanzierungsbedingungen und eine verfestigte Unsicherheit könnten dann Investitionen bremsen und zu Kaufzurückhaltung bei den Haushalten führen.