Die VBand Village People posiert 1980 für die Kamera. Foto: Getty

Sie sollten eigentlich nur ein paar Schwulenclubs bespielen: Aber dann eroberten die Village People vor vierzig Jahren die Welt. Ihr Produzent Henri Belolo, der nun im Alter von 82 Jahren gestorben ist, hat mitgeholfen, die Gesellschaft zu verändern.

Greenwich Village - In New York kann man viele schräge Vögel treffen, im Viertel Greenwich Village erst recht, aber einen Mann in hollywoodreifer Indianerkostümierung mit üppigem Federschmuck auf dem Kopf und Schellenreifen um die Fußknöchel auch nicht alle Tage. So einer Erscheinung aber, hat der am Samstag im Alter von 82 Jahren verstorbene Musikproduzent Henri Belolo einen Mutationssprung der Popkultur stets erklärt, seien er und sein Kompagnon Jacques Morali im Jahr 1977 auf der Christopher Street begegnet.

Sie seien der Erscheinung in eine Schwulenbar gefolgt, so Belolo, wo der Indianer sich als der Barkeeper Felipe Rose entpuppte, der alle zwanzig Minuten oder so auf die Theke kletterte und mit scheppernden Glöckchen und wippenden Federn zu Discomusik tanzte. An der Bar saß derweil ein als Cowboy Verkleideter und sah sich den Friedenstanz gerne an. Belolo und Morali hatten im selben Moment dieselbe Idee: Sie würden eine Discogruppe erfinden, deren gecastete Tänzer und Sänger nicht den Wunschbildern des jungen, weißen, heterosexuellen Amerika entsprechen würde, sondern den Macho-Ikonen der halb ironischen, halb verschmachteten schwulen Clubkultur. Die Village People waren geboren.

Fröhliche Schwulenschuppen

Eigentlich war das in diesem Moment noch die mutigste Nischenmarktentscheidung der beiden aus Frankreich in die USA gekommenen Produzenten, die anders tickten als ihre amerikanischen Kollegen. Morali war schwul, Belolo hetero, aber beide hotteten regelmäßig in den Schwulenclubs von New York ab, weil dort, so Belolo, die Stimmung viel fröhlicher und ausgelassener als in den normalen Discos war.

Die Village People sollten erstmals eine Retortenband werden, die auch äußerlich nicht mehr ins normale Popgeschäft passte, als eine Art Dankeschön an die schwule Szene: ganz auf sie ausgerichtet, nicht mehr nebenbei noch auf die Jukebox-Drücker in normalen Feierabendkneipen. Stattdessen wurde dies der größte Einbruch der schwulen Amüsierkultur ins brave Normalomilieu, den das noch immer gefährlich verstockte Amerika bis dahin erlebt hatte.

Eine Perspektivveränderung hatte das Clubleben Morali und Belolo bereits gebracht. Obwohl rund um den Globus unter Discokugeln die Nächte durchtanzt wurden, dachten Produzenten noch im klassischen Schema: Songs wurden durch Dauerpräsentation im Radio zu Hits. Die beiden Franzosen aber schenkten sich den Umweg übers Radio: Sie glaubten daran, dass die allabendliche Präsentation durch DJs Hits generieren konnte.

Ausbruch aus der Nische

Morali und Belolo ließen Lieder schreiben und holten ein paar Jungs zusammen, die vor allem fürs Plattencover posieren sollten: als Bauarbeiter, Matrose, Cop, Lederbiker, Cowboy und Indianer – letztere Rolle bekam fairerweise der Barkeeper Felipe übertragen. Es war dann wohl Belolo, der anhand der ersten Reaktionen merkte, dass da etwas Unvorhergesehenes passierte, dass nicht nur die Musik der Village People, sondern die ganze Ikonografie, das schrille Spiel mit Sexkalenderklischees aus der schwulen Nische ausbrach und die Welt begeisterte. Hastig wurden ein paar belastbarere Kerle als Village People nachnominiert und ein paar der wildesten Mitklatsch-, Mitjauchz- und Mithüpfhits der späten Disco-Ära entstanden: „YMCA“, „In the Navy“, „Can’t stop the Music“.

„YMCA“, die gesungene Empfehlung, doch mal auszuprobieren, was die Jugendherbergen der US-Variante des Christlichen Vereins Junger Männer so zu bieten hatten, zeigt den ganzen subversiven Witz des Village-People-Phänomens. Am Anfang mögen naive Heteros von Chicago bis Pirmasens gedacht haben, hier werde bloß eine preiswerte Übernachtungsmöglichkeit in einer teuren Stadt gepriesen. Irgendwann aber wurde durch das kabarettreife Gebaren der schwulen Pin-up-Karikaturen klar, dass da ein Kontakthof für neue sexuelle und sonstige Erfahrungen empfohlen wurde. Mancher wird sich wütend abgewendet haben, aber – und das war das Neue, das Aufregende – viele tanzten fröhlich weiter. Die schnauzbärtigen Village People rannten lachend Türen ein, die früher den Rammböcken kluger Manifeste standgehalten hatten.

Her mit der Marine

Die allerirrste Geschichte aus dieser Phase des Kulturwandels hat das US-Militär geliefert. Lange bevor die Öffnung der Streitkräfte für Schwule und Lesben diskutiert wurde, fragte die Navy, offenbar komplett blind für alle Village-People-Signale, bei Belolo an, ob sie den Song „In the Navy“ für eines ihrer Rekrutierungsvideos verwenden dürfe. Irgendwann merkten die Admirale zwar, welchen Regenbogen sie beinahe über dem Grau ihrer Flotte aufgezogen hätten, und ließen das lieber.

Aber da hatte Belolo schon erhandelt, dass er im Gegenzug für den Dreh eines Musikvideos die Marinebasis von San Diego, eine Fregatte, mehrere Flugzeuge und viel Militärpersonal nutzen durfte. Wer weiß, in wie vielen Köpfen dieses Video den später erfolgreich durchgekämpften Gedanken bestärkt hat, schwule Soldaten müssten das Recht haben, sich offen zu ihrer sexuellen Orientierung zu bekennen.