Unterkochen wir kommen: Die Birkacher Hexen sind mitten unter 50 Zünften. Foto: Sägesser

Für die Birckhe-Bronna Hexa aus Birkach ist dies die zweite Fasnet im Häs. Am Sonntag, 27. Januar, waren sie beim Umzug in Unterkochen dabei.

Birkach/Unterkochen - Hinter einer der Masken verbirgt sich gar keine echte Hexe. Das können die Zuschauer am Wegesrand nicht wissen. Fürs Publikum sehen sie alle gleich aus: weinroter Rock, weinrotes Kopftuch, petrolfarbene Jacke, gelber Schurz, zottelige Zöpfe, aus Korb geflochtene Schuhe und ein Reisigbesen in der Hand. Der Schein trügt, denn hinter einem Gewand steckt eine Frau aus Riedenberg, die an jenem Nachmittag nur ausprobieren will, wie es wäre, eine echte Hexe zu sein.

Die Frau heißt Anita Stiebing, ist 31 Jahre alt, und niemand konnte das Hexen-Dasein so in Worte fassen, dass sie es sich richtig vorstellen konnte. Deshalb ist sie beim dritten Umzug der Birckhe-Bronna Hexa in dieser Saison ins Birkacher Häs geschlüpft und durch Unterkochen gezogen.

Unterkochen ist ein Bezirk von Aalen, etwa 85 Autokilometer von Birkach entfernt. Am Morgen ist Anita Stiebing mit den acht echten Hexen und den beiden Schnupperhexen in Stuttgart in den Zug gestiegen und durchs Remstal gen Ostalbkreis gegondelt. Die Narrenzunft Bärenfanger, die in dem 5000-Seelen-Flecken heimisch ist, hat befreundete Gruppen zum Umzug geladen. Fast 50 Zünfte sind angereist, von den Esslinger Zwiebelgoscha über die Ellwanger Tintenschlecker bis hin zu den Schlossgugga Fachsenfeld. Und mittendrin eben die Birkacher Hexen mit der Startnummer 19.

Vorfreude schlägt Ungeduld – im Takt der Guggenmusik

Der Kanonenschuss ist das Zeichen. Gleich hat das Warten ein Ende, gleich dürfen die Birkacher Hexen Haargummis aus Frisuren stibitzen, Schlotzer verschenken, Männer anflirten, sich mit Kindern Arm in Arm ablichten lassen. Gleich ist Hexenzeit. Nach dem Startschuss dauert es noch kurz, bis sich der Narrenzug in Bewegung setzt, doch auf die paar Minuten kommt es nicht mehr an. Vorfreude schlägt Ungeduld – im Takt der scheppernden Guggenmusik.

Die Birkacher sind liebe Hexen. Was nicht heißt, dass sie nur artig winken. Schabernack muss sein. Ein Junge weicht ängstlich zurück, als Fay Duffield-Schwarz alias Zunftmeisterin Franziska auf ihn zu schleicht. Für ihn ist das kein Mensch mit Maske, für ihn ist diese Gestalt in der Rüschenunterhose schaurige Realität. Die Oberhexe will nicht, dass der Bub sich gruselt. Also kniet sie sich hin und steckt ihm etwas zu. Das funktioniert.

Die Zahl der Zuschauer in Unterkochen ist überschaubar. Vor dem gutbürgerlichen Gasthof Adler in der Ortsmitte drängen sich die Massen, ansonsten klaffen Lücken am Straßenrand. Etliche Besucher haben die Gunst der Stunde genutzt und sich in Superman, Schweinchen oder Pippi Langstrumpf verwandelt. Wer Verkleiden albern findet, hat beste Chancen, von den Birckhe-Bronna Hexa bemalt zu werden. Sie stellen sich vor ihr Opfer, drehen neckisch eine Haarsträhne um den Finger, und im nächsten Moment haben sie einen dicken Stift in der Hand und kringeln den Zuschauern ein Herz auf die Wange.

Eine Tradition, die es vorher so nie gab in Birkach

Der Bollerwagen, den die Schnupperhexen ziehen, sieht aus wie frisch gekauft. Keine Macke, keine Schleifspur. Die Narren aus dem Stuttgarter Bezirk sind nämlich „eine Babyzunft“, wie die Hexenmeisterin Fay Duffield-Schwarz es nennt. Die Birckhe-Bronna Hexa erleben in diesen Tagen erst ihre zweite Fasnet im Häs. Sie haben sich im Januar 2011 gegründet. Die Hexen haben eine Tradition begonnen, die es in Birkach so nie gab. Offenbar mit Erfolg. Die Zunft wächst langsam, aber stetig.

Und weil sie so neu sind im närrischen Treiben, haben sie noch viel Arbeit vor sich. Die Fasnet lebt von Kontakten. Sie sind die Eintrittskarte. „Die Zunftmeister lernen sich kennen, dann gibt man sein Kärtchen weiter“, sagt Fay Duffield-Schwarz. So kam es auch zur Einladung aus Unterkochen. Ein Umzug der ruhigen Art, von Publikumsmassen wie etwa in Neuhausen keine Spur. „In Neuhausen läuft man nicht einfach so“, erklärt sie. Es sei schwer, dort eine Startnummer zu ergattern. Es sei denn, der Zufall hilft nach. Wie mit Hofen – auch ein begehrter Termin. Dort sind die Birckhe-Bronna Hexa am 12. Februar. „Da freuen wir uns wie Bolle“, sagt die Zunftmeisterin.

Anita Stiebing, die unechte Hexe, wird sich mitgefreut haben, als die Einladung aus Hofen kam. Ob sie Hexe sein wird, kann sie aber nicht sagen. „Ich muss das erstmal nachklingen lassen“, sagt die Riedenbergerin. Bei der Zugfahrt von Unterkochen zurück haben die anderen sie gleich gelöchert, erzählt sie. Wie es war, ob sie jetzt mitmacht. Anita Stiebing musste sich an die Maske gewöhnen. Man habe einen Tunnelblick. „Am Anfang habe ich mich etwas unsicher gefühlt“, sagt sie. Als sie dann ihr erstes Haargummi gemopst hatte, kam sie sich fast vor wie eine Hexe. Und das heißt was für eine, die vor Kurzem gesagt hat: „Mit der Fasnet kannst du mir wegbleiben.“