Klare Ansagen: DFB-Direktor Oliver Bierhoff Foto: imago /Pius Koller

Der DFB-Direktor Oliver Bierhoff beklagt vor dem Länderspieldreierpack von dieser Woche an den angeblich fehlenden Respekt rund um den Neuaufbau der Nationalelf – und lässt dabei einige Dinge unerwähnt.

Stuttgart/Leipzig - Oliver Bierhoff hat zuletzt nicht nur mit den Nationalspielern oder Betreuern gesprochen, um die Stimmung rund um die DFB-Elf auszuloten. Nein, Bierhoff, so erzählte er das am Montag, sprach darüber auch „mit Freunden, mit Bekannten, mit dem Taxifahrer und dem Handwerker“. Offenbar berichteten alle das gleiche an den Direktor des Deutschen Fußball-Bunds (DFB) – unter dessen Verantwortungsbereich die Mannschaft fällt, über die Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandschef des FC Bayern, kürzlich sagte, sie sei noch immer „Deutschlands wichtigste Mannschaft“.

Rummenigges Einordnung betonte Bierhoff auf dem Pressepodium in Leipzig, das war ihm wichtig. Noch wichtiger aber war ihm die Sache mit der Stimmung rund um diese Mannschaft – über die Bierhoff in einem knapp 15-minütigen Monolog sprach, weshalb die erste Pressekonferenz vor dem Länderspieldreierpack und der ersten Partie an diesem Mittwoch in Leipzig gegen Tschechien (20.45 Uhr/RTL) zu einem Plädoyer wurde. Manche sprachen hinterher von einer Brandrede, was nicht so ganz stimmte. Denn Bierhoff wurde weder brandredenartig laut noch beschimpfte er brandredenartig jemanden. Seine Appelle aber waren, das schon, flammend. Und sie waren diskutabel.

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Bierhoff warb um mehr Respekt für die Nationalelf und machte seinem Ärger über die aus seiner Sicht unberechtigte Kritik in Zeiten des Neuaufbaus Luft. „Wir haben Sympathien verspielt, wir sind aktuell nicht Deutschlands liebstes Kind, das kann mir natürlich nicht gefallen“, sagte Bierhoff zunächst – und kam dann zu seinen Aussagen des Tages. „Es tut mir sehr weh, wie mit den jungen Spielern umgegangen wird. Ich merke, dass das wie eine dunkle Wolke über der Mannschaft schwebt“, sagte er. Man könne „gerne Jogi Löw und mich als Verantwortliche kritisieren, aber die jungen Spieler haben unser Vertrauen verdient“.

Bierhoffs Subtext

Darum ging es Bierhoff offenbar in seiner Botschaft, auch im Subtext: Der personelle Umbruch ist richtig! Und, an die Öffentlichkeit gerichtet: Haut doch bitte nicht so drauf auf die Jungen! Die Vorwürfe an die Generation um Serge Gnabry, Leon Goretzka, Leroy Sané oder Joshua Kimmich seien unverhältnismäßig, so sagte das Bierhoff: „Sie stellen sich und gehen nicht den bequemen Weg. Diese Mannschaft will ein neues Bild einer Nationalmannschaft zeichnen.“

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Bierhoff sagte auch noch, direkt an die bei der Online-Pressekonferenz zugeschalteten Medienvertreter gerichtet, „dass wir mit diesen jungen Spielern alle sorgsam umgehen sollten“, denn: „Ich bin stolz, wie die Jungs das annehmen. Die Spieler bekommen noch die Kritik am Image der WM 2018 ab, an dem sie fast gar nicht beteiligt waren.“

Damit hatte der Direktor seine Botschaften gesetzt – und ließ einige Dinge unerwähnt. So etwa stand die Generation um Kimmich bisher, anders als von Bierhoff dargestellt, eher selten in der Kritik, da sie qua Leistung und Einstellung kaum Anlass dafür bot. Bierhoffs Argumentation lief so, nun ja, weitgehend ins Leere.

Allgemein ist es in diesen Wochen wohl eher so, dass sich die latent schlechte Stimmung rund um das DFB-Team aus den schwachen Resultaten der vergangenen Monate speist – egal, wie jung oder alt die Spieler waren, die da auf dem Platz standen.

Klare Kante

Die schlechte Atmosphäre rund um die DFB-Elf hat in diesen Monaten obendrein wohl auch immer mit der Skepsis in Bezug auf Joachim Löw zu tun, den Bierhoff nahezu unerwähnt ließ in seinem Vortrag vom Montag. Vor einem knappen Monat etwa sprachen sich 76,5 Prozent der Befragten in einer repräsentativen Umfrage der App „FanQ“ im Auftrag des Sport-Informationsdienstes gegen Löw als Bundestrainer aus. Kann der Mann, der bei der WM 2018 auch, wie er es selbst ausdrückte, an seiner Arroganz scheiterte, den Umbruch tatsächlich vollziehen?

Kann Löw eine Art Aufbruchstimmung erzeugen, ist er dafür noch der Richtige? Das sind die Fragen, die die Fußballnation bewegen. Ebenso wie das zweite Diskussionsfeld rund um den Neuaufbau des Teams – bei dem der Direktor Bierhoff dann immerhin klare Kante zeigte.

Aus der Deckung

Die Rufe nach einer Rückkehr der in ihren Clubs stark aufspielenden Jérôme Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller werden ja immer lauter. Löws am Wochenende erneuertes „Nein“ zu den Weltmeistern von 2014 unterstrich Bierhoff nun mit einem Blick zurück in seine Vergangenheit als Nationalspieler: „Was würde eine Rückkehr dieser Spieler für die Gruppenkonstellation bedeuten? 1998 wurde Lothar Matthäus zur WM zurückgeholt, er hat sich super verhalten, aber natürlich hat das etwas mit der Mannschaft gemacht, andere haben sich zurückgezogen“, sagte Bierhoff, der sich nun aus der Deckung wagte – auch bei der Nachfrage, ob denn nicht auch das teils verheerende Bild, das der DFB übergeordnet abgäbe (Sommermärchenaffäre, Steuerrazzia, Machtkampf zwischen Präsident Fritz Keller und Generalsekretär Friedrich Curtius), einen Anteil an der schlechten Stimmung rund um die Nationalelf habe.

„Wir haben nicht dazu beigetragen, dass das Bild besser wurde“, sagte Bierhoff dazu. Und: „Wir müssen trotz unterschiedlicher Meinungen mit einer Stimme sprechen – wir haben uns zuletzt mit zu vielen anderen Dingen beschäftigt.“