Bundeskanzlerin Angela Merkel beim „Deutschlandtag“ der Jungen Union Foto: dpa-Zentralbild

Die CDU-Vorsitzende nimmt sich Zeit, um mit dem Parteitag das Bundestagswahlergebnis aufzuarbeiten – zufrieden ist der mit den Antworten der Kanzlerin nicht so recht.

Dresden - Knapp zwei Wochen nach der für die Unions so enttäuschenden Bundestagswahl hat sich Bundeskanzlerin Angela Merkel als CDU-Vorsitzende erstmals der Parteibasis gestellt. Zwei Stunden lang diskutierte sie auf dem Jahrestreffen der Jungen Union mit dem Parteinachwuchs über die Konsequenzen aus den deutlichen Verlusten, die Merkel „auch ein Stück geschockt“ haben, wie sie in Dresden bekannte.

Die Delegierten hielten ihr jedoch vor, in den Tagen nach der Wahl den Eindruck eines Weiter-so vermittelt und die Tragweite der „krachenden Niederlage“, so der bayerische Landeschef Hans Reichhart, nicht verstanden zu haben. Der nordrhein-westfälische Delegierte Diego Faßnacht warf seiner Parteichefin „Arroganz“ und „Ignoranz“ vor und fragte, „ob die im Konrad-Adenauer-Haus den Knall nicht gehört haben“. Allerdings unter Buhrufen forderte er indirekt den Rücktritt der Kanzlerin, von der er wissen wollte, „ob Sie nicht bereit sind, den Weg frei zu machen“.

Angela Merkel gelobt Besserung

Angela Merkel versprach, dass es bei der Aufarbeitung des Ergebnisses und den sich anschließenden thematischen Diskussionen „keine Tabus“ geben werde. Sie gelobte Besserung gegenüber Finanzstaatssekretär Jens Spahn, dem Hoffungsträger der Jungen Union, der am Vorabend kritisiert hatte, dass in den CDU-Bundesgremien viele wichtige Themen nicht offen diskutiert würden. Abgesehen davon fühle sie sich auch trotz der prozentualen Nackenschlags „demokratisch legitimiert“.

Zudem sei ihr Satz am Tag nach der Wahl, wonach sie nicht wisse, was sie hätte anders machen können, aus dem Zusammenhang gerissen und verkürzt wiedergegeben worden – die Wahlanalyse werde weitergehen, es sei auch ihr Ziel, „dass rechts der Union keine Partei sein sollte“. Um dem Vorwurf der Abgehobenheit zu begegnen griff sie eine Forderung des JU-Chefs Paul Ziemiak vom Vortag auf und kündigte an, über einen möglichen Koalitionsvertrag mit Liberalen und Grünen die Parteibasis bei einem CDU-Sonderparteitag abstimmen zu lassen.

„Um die richtigen Antworten ringen“

Am Tag vor einem möglicherweise entscheidenden Treffen mit der CSU-Spitze zur Überwindung des unionsinternen Obergrenzenstreit, der den Weg für Jamaikakoalitionsverhandlungen frei machen soll, signalisierte die Kanzlerin, die beim Grundrecht auf Asyl und den humanitären Verpflichtungen aus der Genfer Flüchtlingskonvention keine Abstriche machen will, dennoch Kompromissbereitschaft. Sie werde mit dem CSU-Vorsitzenden „um die richtigen Antworten ringen“, und zwar „so, dass sich keiner von uns selbst verleugnen muss“.

Eine Erfolgsgarantie wollte sie deshalb freilich nicht geben: „Das mutet vielleicht wie die Quadratur des Kreises an, aber mit etwas gutem Willen sollte es gehen.“ Sie warb noch einmal für Verständnis für die die schwierigen Entscheidungen in der Flüchtlingskrise, die nach Finanz-, Euro- und Ukrainekrise gekommen sei: „Keine dieser Fragen habe ich mir ausgesucht.“ Gerade im Blick auf die bayerische Schwesterpartei wolle sie, so Merkel, „alles dafür tun, dass es diese Union für Deutschland auch weiter gibt“. Es war ein kaum verhohlenes Eingeständnis, wie ernst sie den Schwesternstreit einschätzt.

Jungunionisten haben mehr erwartet

Eine gewisse Enttäuschung konnten die Jungunionisten nach Merkels Auftritt dennoch nicht verbergen. „Ich fand es gut, dass sie sich den kritischen Fragen gestellt hat, schlecht, dass sie sich nicht wirklich beantwortet und verpasst hat, klare Kante zu zeigen und aus CDU-Sicht keine Pflöcke für die Koalitionsverhandlungen eingeschlagen hat“, resümierte Jenovan Krishnan, der Bundesvorsitzende des christdemokratischen Studentenverbandes. Als Beispiele nennt er, dass sich Merkel trotz mehrmaliger Aufforderung nicht eindeutig zum Parteitagsbeschluss gegen den Doppelpass, die Begrenzung des Familiennachzuges bei Flüchtlingen bekannt und auch nicht die Deklarierung der Maghrebländer zu sicheren Herkunftsstaaten als Koalitionsvoraussetzung mit den Grünen ausgerufen habe.

„Ich hatte mir mehr erwartet, aber sie ist den Fragen ausgewichen“, urteilte Andreas Froschermeier vom bayerischen Landesverband: „Nach so einem Verlust muss sie auch mal sagen, dass Fehler gemacht worden sind.“ Zwar wurde die Kanzlerin mit Applaus im Stehen verabschiedet, der CSU-Nachwuchs jedoch blieb sitzen und hielt stattdessen Schilder in die Höhe auf denen zu lesen stand: „Wir haben verstanden. Sie auch?“