Wer am Rande eines solchen von Wäldern gesäumten Sees steht, kann sich das Inferno, das vor 30 000 Jahren zu seiner Entstehung führte, kaum vorstellen. Foto: Dieter Heinemann

Wer durch die Vulkaneifel wandert, hört Geschichten, spannender als mancher Eifelkrimi - zum Beispiel über die Entstehung der Maare.

Daun - Irene Sartoris ist einer der wenigen Menschen, die schon zu Lebzeiten ihr eigenes Denkmal bekommen haben. Der zwei Meter lange, über einen Meter dicke Steinklumpen in Form einer riesigen Walnuss ist die größte je in der Eifel gefundene Lavabombe, einer jener erstarrten Magmafetzen, die ein Vulkan ausgespuckt hat. Entdeckt wurde sie von der Leiterin des Vulkanhauses Strohn an einem kalten Februarsonntag 2007 im nahen Steinbruch. Seitdem ziert sie den Ortsausgang - aber verglichen mit dem Brocken, der daneben liegt, wirkt das Stück geradezu bescheiden. Der ist fünf Meter lang, wiegt 120 Tonnen und löste sich 1969 bei Sprengarbeiten aus einer Wand. Freilich handelt es sich, und da beginnen die vulkanischen Feinheiten, um eine „Sammelbombe“. Ein Stück Gestein war zu schwer, um vom Vulkan ausgespien zu werden.

Es rutschte zurück und verklebte dabei mit Magma wie ein Schneeball, der gewälzt wird. Weitere Male ging es so auf und nieder, und irgendwann erstarrte die Lava und die Kugel mittendrin. Das sind Geschichten, wie man sie in der Vulkaneifel liebt. Denn es sind die steinernen Zeugnisse der Erdgeschichte, die die Region so einzigartig machen. Mit einer Stippvisite ist es da nicht getan. Wenigstens ein paar Tage lang sollte man sich auf die vergangenen viereinhalb Milliarden Jahre einlassen. Am besten in Begleitung von Menschen, die darauf brennen, Gäste für ihre Heimat zu begeistern - Eifel-Enthusiasten sozusagen. Irene Sartoris ist so eine. Im Vulkanhaus erläutert sie, warum ausgerechnet dieser winzige Teil der Erdoberfläche Akne hat und mit rund 350 Kegeln und Kratern gespickt ist: Unter der Erdkruste hier sitzen „Hotspots“, heiße Punkte, in denen das flüssige Gestein heißer ist als das der Umgebung.

Kühl und rostig schmeckt das eisenhaltige Nass

Gase werden freigesetzt, das Magma dehnt sich aus und schießt irgendwann nach oben - wie Sekt aus der Flasche. Dabei fliegt so allerlei durch die Gegend: Zylinderbomben, Wurfschlacken, Brotkrustenbomben. Die ausgestellten Exemplare zeigen anschaulich, wie die Steingeschosse zu ihren Namen kommen. Aber es dreht sich nicht alles nur um Gestein bei dieser Reise. Gästeführerin Marita Mosebach-Amrhein etwa beginnt den anderen Tag im Kurpark von Daun mit einer Verkostung Eifeler Mineralwässer. Kühl und rostig schmeckt das eisenhaltige Nass aus dem Brunnen, aber es behauptet sich bestens gegen die mehr oder weniger prickelnden „Urquelle“- und „Heilwasser“-Varianten aus den mitgebrachten Flaschen.

Von hier führt der Weg hoch zum Gemündener Maar, und natürlich wird es jetzt Zeit, auch die Entstehung der Maare zu erklären, dieser „Blauen Augen der Eifel“. Magma steigt aus dem Erdinneren auf, trifft auf eine wasserführende Schicht - und es ist durchaus eigenartig, auf den friedlichen, von Wäldern gesäumten See zu blicken, das Trillern der Lerchen im Ohr, und sich vorzustellen, welches Inferno vor rund 30 000 Jahren dann losbrach: Alles explodierte. Eine gewaltige Wolke aus Dampf und Asche verdunkelte den Himmel. Steinchen spritzten wie Schrot, glühende Brocken schossen in alle Richtungen. Dann sank der Auswurf als ringförmiger Wall um den Krater ab, und der füllte sich nach und nach mit Wasser. 75 solcher Maare gibt es in der Eifel. In zehn davon steht Wasser. Im Lauf der Jahrtausende deckte die Natur ihre Schlachtfelder gnädig ab. Bäume wuchsen und wurden abgeholzt, Magerrasen überzog die Ufer, solange Schafe darauf weideten. Heute verbuschen sie wieder. Und noch anderes verändert das Gesicht der sanften Kuppen: Maisäcker für Biogasanlagen lösen weitflächig Wiesen ab. Auch die Eifelbauern sind vom Grüngold-Fieber befallen.

Wo Menschenhilf gebricht, vergeht dein nicht

Ein Kirchlein steht am Ufer des benachbarten Totenmaars. Getragen rezitiert die Führerin die traurige Mär des Eifeldichters Peter Zirbes: wie eine hartherzige Burgherrin einen greisen Bettler von ihren Hunden in Stücke reißen ließ, worauf der Erdboden sich auftat. Die historische Wirklichkeit ist ähnlich tragisch: Eine Seuche raffte im 16. Jahrhundert viele Einwohner von Weinfeld dahin. Irgendwann gaben die verbliebenen ihr Dorf auf, das Kirchlein aber blieb und wurde dank eines Bildnisses der schmerzensreichen Maria zum viel besuchten Wallfahrtsort.

„Wo Menschenhilf gebricht, vergeht dein nicht. 1964“ steht auf Votivtafeln im Vorraum. Im Ausgang hängen Glockenseile herunter. Wer ein- und ausgeht, darf kurz läuten: ein Gruß an die Toten im Schatten der Ebereschen. Auch Martin Koziol, mit der Gelassenheit des Mannes gesegnet, der in Äonen zu denken pflegt, ist einer der Eifel-Verrückten. Für den Geologen sind die Maare ein riesiges Archiv. Am Holzmaar erklärt er, wie Wissenschaftler aus Bohrungen am Grunde 23 000 Jahre Klimageschichte rekonstruierten: „Kälteliebende Pflanzen deuten auf frostigere Zeiten hin, in einem warmen Sommer lagert sich mehr Material ab.“ Glaubt man dem Diorama im Maarmuseum in Manderscheid, wuchsen vor 44 Millionen Jahren am Eckfelder Maar Farne, Halbaffen turnten durch die Palmen, ein Krokodil lauerte auf Beute. Entsprechend vorsichtig strich ein rehkitzgroßes Tier durch das Schilf. „Propalaeotherium, das Eckfelder Urpferdchen, ist unser ganzer Stolz“, sagt Koziol. Zwölf dieser Minigäule wurden bei Grabungen gefunden.

Ein Skelett wurde genau so präpariert, wie man es aufgefunden hatte: seitlich liegend, mit einem Fötus im Bauch. Zufällig sind am Hinkelsmaar Studenten am Graben. Bis in zwei Meter Tiefe haben sie sich vorgewühlt. Verdreckt lacht ein Blondschopf aus dem Loch. Und das Ergebnis? „Tonschiefer, Tonschiefer, Tonschiefer“, stöhnt ihr Kommilitone. Nichts Aufregendes also. Die Besucher aber, die herumstehen, nehmen zweierlei mit nach Hause: Geologie als Wissenschaft ist ein mühsames Geschäft, Geologie als Urlaubsthema aber ist spannender als die meisten Eifelkrimis.

Infos zur Eifel

Anreise
Mit dem Auto über Karlsruhe und Kandel bis Daun. Mit Zug und Bus nach Gerolstein oder Daun. Veranstalter Die beschriebene Reise des Dortmunder Veranstalters One World - Reisen mit Sinnen dauert vier Tage und kostet 790 Euro. Termine 2013: 22. bis 26. Mai, 23. bis 30. Juni, 31. Juli bis 4. August. Tel. 02 31 / 5 89 79 20, www.reisenmitsinnen.de .

Unterkunft, Essen und Trinken
Die gemütlichen Zimmer im Ferienhotel Café am Maar in Meerfeld tragen Namen wie „Maarmuseum“ oder „Sangweiher“. Serviert werden „Magmastein“ oder „Fluglava“ - kein Steinzeitimbiss, sondern Küche auf hohem zeitgenössischen Niveau. Ü/F ab 42 Euro p. P., Tel. 0 65 72 / 44 26, www.cafe-am-maar.de .

Kucher’s Landhotel in Darscheid hat beste Referenzen, ist daher nicht ganz billig. Ungewöhnlich ist das „Wasser-Menü“: Ochsen-Carpaccio, Törtchen von der Räucherforelle, Schweinefilet unter Kräuterkruste, serviert mit unterschiedlichem Mineralwasser. Ü/F ab 48 Euro p. P., Tel. 0 65 92 / 629, www.kucherslandhotel.de .

Sehenswürdigkeiten und Aktivitäten
E-Bikes: www.fahrrad-ferienland. d e . Museen: www.maarmuseum.de , www.eckfelder-maar.de , www.vulkanhaus-strohn.de . Burgen: www.niederburg-manderscheid.de . Ziegenhof: www.vulkanhof.de .

Reiseliteratur
Bruni Mahlberg-Gräper und Jürgen Gräper: „Vulkaneifel“, Bachem Verlag 14,95 Euro. Werner P. D’hein: „Vulkanland Eifel“, Gaasterland Verlag, 9,80 Euro.

Allgemeine Informationen
Tourist-Information Daun, Leopoldstr. 5, 54550 Daun, Tel. 0 65 92 / 9 51 30, www.vulkaneifel.info , www.geopark-vulkaneifel.de . Eifel Tourismus, Kalvarienbergstr. 1, 54595 Prüm, Tel. 0 65 51 / 9 65 60, www.eifel.info .