Vom Frieden weit entfernt: Ein Viertel der syrischen Hauptstadt Damaskus unter Artilleriebeschuss. Foto:  

Zu den Folgekosten des Syrien-Kriegs gehören immer höhere Aufwendungen Deutschlands und anderer Länder für humanitäre Hilfe. Wäre es besser gewesen, militärisch einzugreifen? StN-Chefredakteur Christoph Reisinger zieht das in Zweifel.

Stuttgart. - So viel Ratlosigkeit hat ihren Preis. Im Fall Syriens ist es ein besonders hoher. Dort haben die EU und die USA den Krieg seit 2011 quasi ungehindert treiben lassen. Millionen Syrer sind auf der Flucht. Deshalb kommt auch Deutschland nicht darum herum, seine Hilfe aufzustocken – jetzt auf 5,5 Milliarden Euro.

Wäre alles besser gekommen, hätten Deutschland und seine Verbündeten massiv in Syrien eingegriffen? Das Schlimme und der Grund der großen Ratlosigkeit ist: Diese Frage lässt sich keineswegs mit einem klaren Ja beantworten.

Wolkige Reden widerlegt

Wohin man schaut – gewaltsame Einmischung war in den vergangenen drei Jahrzehnten stets mit horrenden Kosten, teilweise mit furchtbaren Verlusten und fast nie mit überzeugenden Ergebnissen verbunden. Von der Niederlage der Sowjets in Afghanistan über die Irak-Kriege der Amerikaner bis zu den Langzeit-Interventionen der Nato auf dem Balkan und in Afghanistan – nichts davon ermutigt zur Wiederholung. Das ernüchtert extrem. Widerlegt sind die wolkigen Reden des deutschen Außenministers Joschka Fischer von „humanitären Interventionen“. Sie funktionieren so wenig wie ein Wir-lassen-es-einfach-laufen.

Ohne Anspruch auf Besitz der Wahrheit

Wie wär’s mal damit? Die Befriedung hochkomplizierter Konflikte ist im notorisch kriegszerfurchten Europa gelungen, wenn alle, aber wirklich alle Parteien an einen Tisch gekommen sind. Ohne große Vorbedingungen. Ohne Anspruch auf Besitz der Wahrheit. Der Frieden von Venedig 1177, der Westfälische Frieden 1648, der Wiener Kongress 1815 bieten auf heute, auch auf Syrien übertragbare Handlungsmuster. Warum nur macht sich auch im achten Kriegsjahr keine UN, keine Regierung daran, ihre Anwendung zu organisieren?

christoph.reisinger@stuttgarter-nachrichten.de