Feuerwehrleute und eine Notärztin stehen nach einem Brand im Marien Hospital vor dem Krankenhaus um einen Patienten auf einer Liege herum. Bei dem Brand ist ein Mensch ums Leben gekommen, 72 weitere Patienten wurden verletzt. Foto: dpa

In einem Krankenhaus in Düsseldorf bricht ein Feuer aus. Der Rauch verteilt sich über mehrere Etagen. Patienten müssen auf dem Parkplatz versorgt werden. Für einen alten Mann kommt jede Hilfe zu spät. Wie steht es um den Brandschutz in Deutschlands Kliniken und Seniorenheimen?

Düsseldorf/Stuttgart - Nach dem Brand im Marien Hospital im Düsseldorfer Stadtteil Pempelfort mit einem Todesopfer schweben noch vier Patienten mit Rauchgasvergiftungen in Lebensgefahr. Einer der insgesamt 72 Verletzten habe in dem Patientenzimmer auf einer internistischen Station gelegen, in dem der Brand am Montagabend ausgebrochen war, berichtete die Feuerwehr.

Ein bei dem Feuer ums Leben gekommener 77-Jähriger war den Angaben zufolge in einem Nachbarzimmer. Insgesamt seien 19 Menschen verletzt worden, sagte ein Feuerwehrsprecher. Das Feuer war im zweiten Stock ausgebrochen. Von dort aus verteilte sich der Rauch über fünf Etagen des Krankenhauses.

Jedes Jahr mehr als 50 Brände in deutschen Kliniken

Aus einem kleinen lokalen Feuerherd kann rasend schnell ein verheerender Flächenbrand werden, bei dem – im schlimmsten Fall – Menschen ums Leben kommen, hohe Sachwerte vernichtet und die Einrichtungen durch Reparaturarbeiten längere Zeit Jahre nicht benutzt werden kann.

Für Krankenhäuser und Seniorenheime ist ein solcher Brand der schlimmste Albtraum. Der Bundesverband Technischer Brandschutz (BVfA) listet in seiner Statistik seit 2013 auf insgesamt 52 eng beschriebenen Seiten die Brände in deutschen Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen auf. Laut BVfA kommt es jedes Jahr zu mehr als 50 Bränden allein Krankenhäusern mit Toten und Verletzten.

Erst Mitte August war bei einem Brand in einem Krankenhaus in Mönchengladbach ein Patient ums Leben gekommen. Ende Juli war in einer Lungenklinik in Köln-Mehrheim ein Brand ausgebrochen, bei dem ein Patient starb. Im September 2016 starben bei einem Großbrand im Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum zwei Menschen, zehn Patienten werden zum Teil schwer verletzt. Eine Patientin hatte sich in ihrem Zimmer mit flüssigem Desinfektionsmittel übergossen und angezündet.

Sprinkleranlagen nicht gesetzlich vorgeschrieben

Der „daraus resultierende Reputationsverlust“ sei „schwer zu kompensieren“, erklärt Thomas Nöckel, Risikoingenieur bei einem Fachversicherer. Eine Brandmeldeanlage mit Branddetektoren sowie direkter Verbindung zur Feuerwehr gehören Nöckel zufolge inzwischen zum Standard in Kliniken. Das gelte aber nicht für Sprinkleranlagen und Kontrollgeräte, die eine Zündquelle frühzeitig erkennen.

Dabei können gerade Sprinkler zuverlässig verhindern, dass sich ein Feuer überhaupt erst ausbreitet. Doch in Deutschlands Kliniken sind die Brandschutzanlagen nicht gesetzlich vorgeschrieben – auch nicht in Baden-Württemberg. Dabei sind sie, so Experten, „die wichtigste und wirksamste Verteidigungslinie gegen Entstehungsbrände“.

Auch der Brandschutzfachmann Peter Spitz hält Sprinkler für unerlässlich. „Angenommen, nachts bricht plötzlich ein Feuer aus, wie können dann dutzende von Menschen rechtzeitig evakuiert werden, von denen viele gehbehindert oder gar bettlägerig sind? Die Antwort lautet in vielen Fällen: Das ist nicht möglich.“

Lesen Sie hier: Interview zum Brandschutz in Krankenhäusern – „Die Zahl der Brände ist erschreckend“

Brandschutz im Klinikum Stuttgart

Im Klinikum Stuttgart ist jedes Patientenzimmer mit Brandmeldern ausgestattet. Nach Aussage von Sprecher Stefan Möbius sind in einigen Gebäuden – insbesondere in Technikbereichen und Fluren – zudem Sprinkleranlagen installiert.

Spezielle Geräte, die besonders brandgefährlich sind oder große Hitze entwickeln können, würden regelmäßig gewartet. „Wo erforderlich, sorgt eine Klimaanlage für Kühlung; zudem gibt es eine intensive Prüfung durch spezialisierte Mitarbeiter.“

Laut Möbius finden alle zwei Jahre interne Inspektionen statt. Spezielle Bereiche wie die Anlagentechnik würden in jedem Quartal kontrolliert. Zudem werde der Brandschutz regelmäßig durch TÜV und DEKRA geprüft. „Da Kabel und Elektrogeräte eine Hauptquelle für Brände sind, werden sie regelmäßig überprüft und gemäß den Vorgaben des Verbands der Elektrotechnik abgesichert.“

„Brandschutz ist nicht ausreichend“

Die Deutsche Stiftung Patientenschutz kritisiert, dass der Brandschutz in den 2000 Kliniken und 14 500 Pflegeheimen ungenügend sei. Notwendig seien mehr Vorsorgemaßnahmen wie Sprinkler-Anlagen, fordert Stiftungsvorstand Eugen Brysch.

„Jede Woche brennt es in deutschen Krankenhäusern. Allein die Zahl der Toten in Krankenhäusern und Altenheimen beläuft sich für das Jahr 2019 bereits auf sieben Personen. Aber weder die Bundesländer noch die Einrichtungen ziehen daraus Konsequenzen.“

Für Menschen, die sich selbst nicht retten können, böten bei der Feuerwehr aufgeschaltete Brandmeldeanlagen keinen genügenden Schutz. Brysch: „Es müssen endlich zusätzliche Sprinkleranlagen auf allen Stationen und in jedem Patientenzimmer gesetzlich vorgeschrieben werden. So etwas ist für Möbelhäuser und Lagerhallen heute schon längst Standard.“

Krankenhäuser scheuen hohe Investitionen in mehr Sicherheit

Auch BVfA-Geschäftsführer Wolfgang Krause bemängelt, dass zu wenig in die Brandschutzsicherheit und Löschanlagen investiert werde. „Man muss wohl davon ausgehen, dass Sprinkleranlagen deshalb nicht installiert werden, weil sie zu teuer sind. Deswegen wird die Investition gescheut.“

Nachträgliche Installationen kosteten sehr viel mehr Geld als sie von vorneherein bautechnisch einzuplanen. Bei Neubauten seien Sprinkleranlagen meistens vorhanden. Aber auch Patientenzimmer müssten nachgerüstet werden, fordert Krause.

Sprinkleranlagen würden einen Brand lokal begrenzen, was bei Evakuierungen enorm helfe. Krause: „Auch wenn die Feuerwehr relativ zügig da, im Regelfall braucht sie fünf bis zehn Minuten schon. Da kann schon eine Menge passiert sein, weil sich der Brand schnell ausbreitet.“

Vom Brand zur Katastrophe

Laut Fachmagazin Brandschutz BS sind Unachtsamkeit und Hilflosigkeit von Patienten wichtige Brandauslöser. In 31 Prozent der Fälle verursachen elektrische Geräte und Neuerungen wie Lithium-Ionen-Akkus in elektrischen Rollstühlen Brände. „Kommt es erst einmal zu einem Brand, ist die Katastrophe nur schwer aufzuhalten.“

Gehbehinderte, bettlägerige oder operierte Patienten in Sicherheit zu bringen benötigt sehr viel Zeit. Berechnungen von Brandschutzexperten zufolge kommen viele Gehbehinderte nur mit 0,5 Meter pro Sekunde voran. Die Rettung von zwölf Senioren über eine Strecke von zehn Metern braucht demnach fünfeinhalb Minuten.

Personalknappheit verschärft das Problem

Wenn man zudem bedenkt, dass rund 60 Prozent der Brände zwischen 19.30 und 6 Uhr ausbrechen, wird das ganze Szenario noch dramatischer. Denn dies ist der Zeitraum, in dem häufig nur eine Pflegekraft auf der Station für Dutzende Patienten zuständig ist. „Da ist es im Ernstfall überhaupt nicht zu leisten, eine große Zahl bettlägeriger Patienten zu retten“, betont André Gesellchen, Brandschutzexperte beim Kölner Fachmagazin „Feuertrutz“.

„ Man stelle sich eine Intensivstation vor mit Patienten, die an lebenserhaltenden Maschinen hängen. Da braucht man schon zwei Leute und ein paar Minuten, um einen Patienten zu bewegen. „Die Personenrettung muss beim Eintreffen der Feuerwehr bereits weitgehend abgeschlossen sein“, heißt es im BS Brandschutz Magazin. Wie das gelingen soll, bleibt allerdings ein Rätsel.