Regisseur Thomas Stuber, Hauptdarsteller Peter Kurth und Produzentin Undine Filter (vorne, v.l.) feiern die Silberne Lola für „Herbert“, eine der Überraschungen des Abends. Foto: dpa

Die Deutsche Filmakademie hat am Freitag in Berlin die Lolas und damit insgesamt 3 Millionen Euro verteilt. „Der Staat gegen Fritz Bauer“ wurde mit sechs Preisen seiner Favoritenrolle gerecht. Aber es gab auch Überraschungen

Stuttgart - Hohn und Spott wären in manchem Jahr über die Deutsche Filmakademie hereingebrochen, hätte sie das gewagt: mit dem Deutschen Filmpreis nicht starbestückte internationale Großwerke renommierter deutscher Filmkünstler auszuzeichnen, sondern kleine Hausmacher Produktionen von und mit Newcomern. Dieses Jahr aber sind die Lola genannten Statuetten nebst zugehörigen Preisgeldern so verteilt worden, und niemand Vernünftiges wird auf die Idee kommen, da hätten neidische Provinzler engstirnig gegen Filme gestimmt, in denen ihnen ausländische Stars Rollen wegschnappten.

Die große Überraschung bei der Filmpreisverleihung am Freitagabend in Berlin war nicht, dass ein Preisregen auf Lars Kraumes „Der Staat gegen Fritz Bauer“ niederging. Das faktenbasierte Porträt eines mutigen Nazijägers im von Altnazis durchseuchten Justizsystem der frühen Bundesrepublik gewann sechs Lolas (u.a. als bester Film sowie für Regie, Drehbuch, Szenenbild, Kostümbild; Herbert Zehrfeld wurde bester Nebendarsteller). Aber die Favoritenrolle von „Der Staat gegen Fritz Bauer“ hatte sich schon lange abgezeichnet.

Kein Abend für sowieso Ruhmreiche

Überraschend war, wie mager die bereits Ruhmreichen abgespeist wurden. Wim Wenders’ „Every Thing will be fine“ mit Charlotte Gainsbourg und James Franco erhielt nur eine Lola für Alexandre Desplats Filmmusik, Tom Tykwers „Ein Hologramm für den König“ mit Tom Hanks und Sarita Choudhury wurde in den Kategorien beste Tongestaltung und bester Schnitt geehrt. Man erinnere sich: die Lola ist auch nach Tykwers Film „Lola rennt“ aus dem Jahr 1998 benannt. Dieser Kritiker- und Publikumserfolg abseits von Amüsierschablonen und Problembearbeitungstrockenheit weckte damals die Hoffnung, der deutsche Film möge frecher, witziger, spontaner, attraktiver werden.

Die Deutsche Filmakademie, in der rund 1700 stimmberechtigte Branchenangehörige sitzen, hat sich von dieser Hoffnung offensichtlich nicht verabschiedet. Sie will aber keine im Lauf der Jahre zu Altmeistern Gewordenen weiter als junge Hoffnungsträger präsentieren, sie gibt anderen eine Chance. Die Silberne Film-Lola ging an Thomas Stubers Regiedebüt „Herbert“, die Geschichte eines an ALS erkrankten Ex-Boxers, der als Geldeintreiber für Kriminelle arbeitet. Peter Kurth wurde für seine Leistung als bester Hauptdarsteller ausgezeichnet, Hanna Hackbeil als beste Maskenbildnerin. Die Film-Lola in Bronze ging an „4 Könige“, Theresa von Eltz’ Ensemblestück aus einer Jugendpsychiatrie. Wie „Herbert“ hätte es eine solide gemachte Genrespielerei werden können, wie „Herbert“ fällt es durch Lebendigkeit, Milieustimmigkeit und den zu Originalität führenden Respekt vor den Figuren auf.

Kunst und Attraktivität

Laura Tonke, die noch nicht zu jenen Schauspielerinnen gehört, denen jedes Magazinchen zwei Homestorys pro Jahr widmet, durfte, ein echter Coup, gleich zwei Lolas von der Bühne tragen, als beste Hauptdarstellerin in „Hedi Schneider steckt fest“ und als beste Nebendarstellerin in „Mängelexemplar“. Bester Dokumentarfilm wurde „Above and below“, Nicolas Steiners deutsch-schweizerische Erkundung extremer Lebensräume, für die auch Markus Nestroy als bester Kameramann ausgezeichnet wurde.

An den alten Problemen des Deutschen Filmpreises ändert das allerdings nichts. Mit rund drei Millionen Euro Preisgeld ist er das höchstdotierte Kulturförderinstrument der Republik. Er wird aber von den Kulturschaffenden selbst vergeben, die mit den Lola-Entscheidungen und der Verleihungsgala um künftige Kinobesucher werben und ihnen Lust auf deutsche Produktionen machen möchten. Auch wenn die missglückte, aber von 2,5 Millionen Menschen im Kino gesehene Hitler-Satire „Er ist wieder da“ leer ausging, auch wenn der laute Klamauk „Fack ju Göhte 2“ (7,6 Millionen verkaufte Karten) nur die als Blitzableiter gedachte Lola für den bestbesuchten Film erhielt, ganz am Markt vorbei kann und will die Deutsche Filmakademie nicht entscheiden.

Das Geld muss bei der Lola bleiben

Eine von manchen Kritikern befürwortete Trennung der Lola, die PR-Zwecke erfüllen soll, von den Fördergeldern, die eine Fachjury vergeben sollte, ist derzeit nicht vorstellbar. Noch hat die Lola viel zu wenig Reichweite, noch entwickelt die Gala zu wenig Strahlkraft, als dass man die Glamour-Statue vom Geld trennen könnte. So nett Jan Josef Liefers, der die Hauptlast der Abendmoderation trug, seine Sache auch gemacht hat: noch ist das alles viel zu sehr eine Insider-Veranstaltung, bei der die Branche sich selbst feiert. Sie will sichtlich gar nicht an das TV-Publikum da draußen denken, das nur höchst selten zu einem ihrer Filme ins Kino kommt. Daran muss man arbeiten. Anfangen kann man mit einer TV-Bildregie, die nicht immer wieder zeigt, wie jemand misslaunig auf seinem Sitz lümmelt: bei der angeblich beglückendsten deutschen Filmparty des Jahres.