Flüchtlinge aus dem Lager Moria in Griechenland. Foto: AFP/LOUISA GOULIAMAKI

Deutschland übernimmt am 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft. Die Kirchen fordern von der Bundesregierung, sich für eine Reform des europäischen Asylsystems einzusetzen. In der großen Koalition gibt es darüber jedoch unterschiedliche Ansichten.

Berlin - Die Kirchen rufen die Bundesregierung auf, sich während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft für eine „menschenwürdige, gerechte und solidarische Asylpolitik“ einzusetzen. In einer gemeinsamen Erklärung fordern der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, ein Asylsystem, das Schutzsuchenden sichere Zugangswege ermögliche, hohe Verfahrensstandards garantiere und von allen Mitgliedsstaaten umgesetzt werde. Deutschland übernimmt am 1. Juli für sechs Monate die EU-Ratspräsidentschaft.

EU-Asylsystem gilt als dringend reformbedürftig

Zu den Schwerpunkten des deutschen Vorsitzes gibt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an diesem Donnerstag im Bundestag eine Regierungserklärung ab. Dabei dürften Maßnahmen zur Wiederbelebung der durch die Corona-Pandemie massiv geschwächten europäischen Wirtschaft im Mittelpunkt stehen. In einem Entwurf des Präsidentschaftsprogramms kündigt die Bundesregierung jedoch auch an, sich in der Asylpolitik für „ambitionierte Reformen“ einzusetzen.

Das europäische Asylsystem gilt als dringend überholungsbedürftig. EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen (CDU) hatte vergangenes Jahr angekündigt, einen Vorschlag für eine Reform des Migrations- und Asylsystems in Europa auszuarbeiten. Bislang liegt das Konzept jedoch nicht vor. Engagiert sich die Bundesregierung während ihres Ratsvorsitzes für das Thema, könnte das eine Reform entscheidend vorantreiben. Allerdings zeichnen sich Konflikte innerhalb der großen Koalition ab. In dem Programmentwurf spricht sich die Bundesregierung für verpflichtende Verfahren an den EU-Außengrenzen aus, „um Asylanträge im Rahmen eines Vorverfahrens frühzeitig zu kategorisieren, zu prüfen und bei offensichtlich fehlender Schutzbedürftigkeit die Einreise in die EU zu verweigern“.

SPD gegen Vorprüfungen an der Außengrenze

Gegen solche Vorverfahren macht die SPD-Bundestagsfraktion jetzt mobil. „Es darf keine Entscheidungen per Augenschein und damit abgeschwächte Asylverfahren geben“, sagte der migrationspolitische Sprecher der SPD, Lars Castellucci, unserer Zeitung. Alle Schutzsuchenden müssten ein faires Asylverfahren erhalten. CDU und CSU pochen hingegen auf die Vorprüfungen. „Eine gute europäische Asylpolitik beginnt mit einem wirksamen Außengrenzschutz und Asylverfahren an den Außengrenzen“, sagte der Vizechef der Unionsfraktion, Thorsten Frei.

Als „sehr problematisch“ beurteilt die evangelische Kirche solche Vorprüfungen, da diese zu längeren Verfahren und einem nicht hinreichend gewährleisten Rechtsschutz führten, sagte der EKD-Bevollmächtigte Martin Dutzmann unserer Zeitung. Die absehbare Folge seien noch mehr überfüllte Lager wie in Griechenland, in denen bereits jetzt auch Kranke und Kinder seit Jahren hausen müssten.