Der Co-Vorsitzende des Vorstands der Deutschen Bank, Jürgen Fitschen verlässt nach dem Urteil den Verhandlungssaal im Landgericht München Foto: dpa

Jürgen Fitschen und seine Kollegen sind vom versuchten Prozessbetrug freigesprochen worden. Die Deutsche Bank hat womöglich umsonst 925 Millionen Euro gezahlt.

München - Es ist ein Urteil von seltener Klarheit und einiger Bedeutungsschwere. „Das ist kein Freispruch erster, zweiter oder dritter Klasse, sondern ein Freispruch, wie er sich gehört“, schloss Richter Peter Noll nach fast einem Jahr im Münchner Betrugsprozess gegen Jürgen Fitschen und vier weitere ehemalige Top-Manager der Deutschen Bank. Der scheidende Co-Chef des Instituts und seine beiden Vorgänger Josef Ackermann und Rolf Breuer sowie Ex-Aufsichtsratschef Clemens Börsig und der ehemalige Rechtsvorstand Tessen von Heydebreck hätten in einem Vorgängerprozess vor dem Oberlandesgericht (OLG) München nachweislich nicht gelogen, um der Deutschen Bank zwei Milliarden Euro Schadenersatz zu ersparen. Die fünf Angeklagten verließen das Landgericht München mit weißer Weste.

„Es ist ein Urteil, so wie ich es von Anfang an erwartet habe“, erklärte Fitschen gut gelaunt. „Es ist ein guter Tag für Breuer“, meinte auch dessen Anwalt. Überstanden ist für die fünf Banker und die als Nebenbeteiligte ebenfalls freigesprochene Deutsche Bank aber noch nicht unbedingt alles. Die Staatsanwaltschaft will erst noch das Urteil und eine Revision prüfen. Sie hatte im jetzigen Strafprozess vergeblich zu beweisen versucht, dass Fitschen & Co. 2012 in einem von Leo Kirch und seinen Erben angestrengten Zivilprozess vor dem OLG München bewusst gelogen haben. Die Deutsche Bank habe 2002 kurz vor der Pleite der Kirch-Gruppe ihren damaligen Kreditkunden Kirch unter Druck gesetzt, um von ihm ein lukratives Beratungsmandat zu erzwingen, hatten die Kirch-Erben geklagt.

Deutsche Bank zahlte Kirch-Erben bei einem Vergleich 925 Millionen Euro

OLG-Richter Guido Kotschy war dieser Auffassung gefolgt und hatte die Bank zu Schadenersatz verurteilt. Er sah es als erwiesen an, dass Breuer kurz vor der Kirch-Pleite im Februar 2002 in einem Interview öffentlich die Kreditfähigkeit der Kirch-Gruppe angezweifelt hatte, um ihn in die Arme der Deutschen Bank zu treiben und das Medienimperium für sein Haus Gewinn bringend zerschlagen zu können. Als Folge des damaligen Schuldspruchs musste sich das Geldhaus mit den Kirch-Erben vergleichen und ihnen 925 Millionen Euro zahlen. Zugleich hat Kotschy in seinem damaligen Urteil festgehalten, dass Breuer falsch ausgesagt habe, um das zu verhindern. Der heute 78-Jährige hatte vor dem OLG ebenso wie Ackermann, Börsig und von Heydebreck bis zuletzt bestritten, dass die Bank seinerzeit ein Beratungsmandat vom 2011 verstorbenen Kirch erpressen wollte. Fitschen habe die Aussage seiner Kollegen gedeckt, obwohl er wusste, dass sie sich zur Falschaussage verabredet hatten, hatte die Staatsanwaltschaft behauptet.

Richter Noll hat die Angeklagten aber nicht nur des versuchten Prozessbetrugs freigesprochen. Er bezeichnete in seinem Urteil auch die Annahmen seines OLG-Kollegen als Irrtum. Breuers Interview 2002 sei nicht Teil eines Plans gewesen, Kirch zu nötigen und zu schädigen. Die Deutsche Bank habe seinerzeit gar kein Kirch-Mandat gewollt. Der Vergleich mit den Kirch-Erben ist rechtskräftig, trotz des Urteils von Richter. Ob der Vergleich rückblickend ein Fehler gewesen sei, wollte Fitschen nicht kommentieren. „Die 925 Millionen Euro standen heute nicht zur Debatte“, meinte er kurz angebunden. Breuer hatte sich zuletzt wegen der Kirch-Streitigkeiten mit seinem Ex-Arbeitgeber verglichen und zahlt dafür 3,2 Millionen Euro.

Richter Noll zitiert aus dem Kinderbuchklassiker Jim Knopf und sorgt für Lacher

An die Adresse seines Kollegen Kotschy gerichtet, sagte Richter Noll: In einem Zivilprozess wie Kotschy ihn geführt habe, gebe es keine Unschuldsvermutung – anders als in einem Strafprozess. Einige Details der Vorgänge aus dem Jahr 2002 rund um die Kirch-Pleite hätte auch er nicht mehr genau klären können. Schuldbeweise seien unauffindbar geblieben. „Man sieht nichts, man hört nichts, man riecht nichts und kann nur schließen, es gibt nichts“, erklärte Noll.

Die Staatsanwaltschaft, gegen die Banker und Verteidiger zuvor wegen angeblicher Prozessverschleppung Sturm gelaufen waren, nahm Noll in Schutz. Es habe durchaus ein gewichtiger Anfangsverdacht auf versuchten Prozessbetrug bestanden, vor allem wegen des OLG-Urteils und der darin enthaltenen Vorwürfe auf Falschaussage. Noll zog einen Vergleich zu der Figur des „Scheinriesen“ Herrn Tur Tur im Kinderbuchklassiker „Jim Knopf und Lukas, der Lokomotivführer. Darin taucht ein Scheinriese auf, der von Fernem gigantisch wirkt, aber beim Näherkommen immer kleiner wird. So sei es auch mit den Vorwürfen der Staatsanwaltschaft im Prozess gewesen, meinte Noll und sorgte damit für Heiterkeit im Gerichtssaal 273. Zumindest der gehört für Fitschen & Co nun der Vergangenheit an. Für eine eventuelle Revision wäre der Bundesgerichtshof zuständig.