Die Profiradler rauschen vor jubelndem Publikum am Großen Haus in Schmiden vorbei. Foto: Patricia Sigerist

Rund 2500 Hobbyradler sind beim Jedermann-Rennen der Deutschland-Tour rund um Stuttgart gestartet. Unser Autor war im Einsatz als Streckenposten. Ein Erfahrungsbericht.

Fellbach - Endlich halte ich das Zeichen meiner Würde in den Händen: Eine neongelbe Warnweste mit dem Aufdruck „Deutschland Tour“ hebt mich vom gemeinen Zuschauervolk am Straßenrand ab. Zugegeben, bis zum Helfer beim Profirennen hat es in meinem Fall nicht gereicht. Die Organisatoren schicken mich zum längeren der beiden Jedermann-Rennen.

Jörg Wulfes ist für meinen Steckenabschnitt mit insgesamt sieben Streckenposten verantwortlich. Wie wir alle ist der 56-Jährige mit der hohen Stirn freiwillig dabei: „Meine Tochter hat einen Zettel in der Zeitung gesehen und dann haben wir gedacht: Da machen wir mit.“ Um 11.50 Uhr, so seine Anweisung, soll ich meine beiden Absperrbaken quer über die fortan gesperrte Straße stellen. Zuschauer sind an meinem Platz im Gewerbegebiet Mangelware, aber ein älteres Ehepaar kommt herbei und lässt sich von mir eine Stelle empfehlen. Den Schatten eines Baumes vor einer leichten Linkskurve schlage ich vor, denn von hier hat man locker 200 Meter der Strecke im Blick.

Gefühlt liegt ihr Tempo kaum unter dem der Profis

Inzwischen ist es 12.35 Uhr und die ersten Fahrer sollten kommen. Bis eine Sechsergruppe an uns vorbeirauscht, dauert es aber noch eine Viertelstunde. Frenetisch angefeuert von dem Rentnerpaar bildet ein Trio des Teams Strassacker zusammen mit drei anderen Fahrern die Spitzengruppe. Gefühlt liegt ihr Tempo kaum unter dem der Profis. Mit deutlichen Abständen folgen weitere Gruppen. Einzelfahrer sind kaum zu sehen, denn 117,5 Kilometer ohne Windschatten durch das Remstal zu fahren, ist keine gute Wahl, wenn man sich vorne platzieren will.

Den Ambitionierteren unter den knapp 2500 Fahrern, die mich passieren werden, ist der Ehrgeiz anzusehen. Mit Rennrädern, deren Preis das Monatsgehalt einer Führungskraft deutlich übersteigen dürfte, sind sie in enger Formation unterwegs. Der Vordermann muss nicht nur Windschatten bieten, mit kleinen Handbewegungen zeigt er Richtungswechsel und Gefahrenstellen an. Weil sich hinter mir die Straße teilt und eine Engstelle naht, winke ich mit den Armen wie eine Windmühle. Nach etwa einer Stunde ändert sich die Zusammensetzung des Fahrerfelds. Die Bauchumfänge werden etwas größer, der Ehrgeiz kleiner und immer mehr bedanken sich bei uns Helfern. „Es ist toll, dass man nicht auf Autos achten muss“, sagt einer. Sogar für den hinter mir stehenden Fotografen haben viele Radler ein Lächeln übrig. Nun folgen auch die Exoten. Unterwegs mit Tourenrädern haben sie keine Chance auf gute Platzierungen. Einer ist gar mit einem Fatbike unterwegs, also einem Mountainbike, dessen Reifen fast so dick sind wie die Oberschenkel von Marcel Kittel. Immer mehr abgeschlagene Einzelfahrer folgen jetzt und zwei Stunden nach dem Spitzensextett mache ich den Weg frei für den Besenwagen. Damit ist meine Aufgabe beendet und ich muss das Zeichen meiner Würde, die neongelbe Warnweste wieder ausziehen.