Viele Städte in Deutschland pflegen eine intensive Beziehung zu Partnerstädten im Ausland und besonders zu Frankreich. Foto: dpa

Stuttgart und Straßburg, Ludwigsburg und Montbéliard: Viele deutsche und französische Städte pflegen eine lange Partnerschaft. Eine Studie zeigt jetzt, wie bedeutsam sie noch heute sind.

Stuttgart - Einst gedacht als Zeichen der Aussöhnung zwischen den Kriegsgegnern Deutschland und Frankreich, sind die engen Städtepartnerschaften heute viel mehr als das. Eine Studie des Deutsch-Französischen Instituts und der Bertelsmann Stiftung zeigt, wie wichtig die Beziehung zum Nachbarland für Gemeinden und Städte heute noch ist, und wie auch in Zukunft voneinander profitiert werden kann.

In Deutschland gibt es insgesamt 6048 Verbindungen zu anderen Städten in Europa, 2281 davon allein mit Frankreich – so viele, wie mit keinem anderen Land. Ludwigsburg und die französische Stadt Montbéliard im Osten Frankreichs waren 1950 die Vorreiter in Sachen Städtepartnerschaft. Im Laufe der Jahre entstanden europaweit 20 000 solcher Verbindungen auf kommunaler Ebene. Passend zum 55-jährigen Bestehen des Élysée-Vertrags am 22. Januar, wurde nun untersucht, welche Rolle Städtepartnerschaften haben.

Bei 35 Befragten ruht die Städtepartnerschaft

Die Befragung, an der 1322 Städte und Gemeinden teilgenommen haben, gibt Aufschluss darüber, wie es derzeit läuft und was zukünftig von den Städtepartnerschaften erwartet wird. 76 Prozent der Befragten bewerten die Beziehung zur Partnerstadt als sehr gut. Bei mehr als der Hälfte ist die Partnerschaft stabil oder hat sogar an Intensität gewonnen. Lediglich bei 35 Teilnehmern ruht die Beziehung derzeit.

Die Grundlage für die Partnerschaften mit Frankreich, auch abseits der politischen Bühne, wurde durch den damaligen Bundeskanzlers Konrad Adenauer und den damaligen französischen Präsidenten Charles de Gaulle Anfang der 1960er Jahre geschaffen. Nach der Besiegelung der deutsch-französischen Freundschaft durch den Élysée-Vertrag im Jahr 1963 gab es einen regelrechten Partnerschafts-Boom mit bis zu 80 Neugründungen pro Jahr. Das Motiv war in dieser Zeit vor allem „die Aussöhnung mit einem früheren Kriegsgegner“. Einen weiteren Aufschwung der Beziehungen zwischen den beiden Ländern gab es auch nach Ende des Kalten Krieges und der Wiedervereinigung Deutschlands. Nach 1990 dienten die Städtepartnerschaften eher zum Aufbau eines friedlichen Europas und als neue Möglichkeiten für die junge Generation. Das Motiv der Aussöhnung rückte vermehrt in den Hintergrund.

Jugendliche können von einer Städtepartnerschaft profitieren

Heute ist das Angebot, das Städtepartnerschaften bieten, vielfältig. Neben dem klassischen Schüleraustausch, der an vielen Schulen zum Standardprogramm gehört, ermöglichen sie vor allem Vereinen eine gute Gelegenheit des gegenseitigen Austausches. Aber auch Bürgerreisen, gemeinsame Veranstaltungen und Feste oder Praktika werden zunehmend beliebter.

So nutzt auch Semir Duman das Angebot des Austausches. Der 16-jährige Halbfranzose engagiert sich im Jugendrat Stuttgart und nahm unter anderem an Treffen mit Vertretern der Stadt Straßburg teil. Auch wenn Sofareisen und die wachsende Mobilität junger Menschen zu mehr Auslandserfahrung und Freundschaften über Ländergrenzen hinweg beitragen, sieht Duman einen Vorteil in der Städtepartnerschaft: „Es gibt nichts Schöneres, als neue Leute kennenzulernen, egal aus welchem Land. Ein organisierter Austausch ist deswegen so toll, weil man größere Gruppen an einem Ort zusammenbringt. Bei einer privaten Reise ist das nicht so einfach möglich.“ Gerade für junge Leute sei eine Städtepartnerschaft ideal, denn selbst wenn jemand nicht so viel Geld habe, könne er durch die Bezuschussung neue Kulturen und Menschen kennenlernen.

Städtepartnerschaften machen Europa erfahrbar

Doch der Stuttgarter ist einer von wenigen jungen Menschen, die eine Städtepartnerschaft aktiv leben. Die Befragung ergab, dass lediglich 23 Prozent der Teilnehmer an einem Austausch unter 30 Jahre alt sind. „Jugendliche müssen gezielter angesprochen und über Projekte und Programme informiert werden. Soziale Medien wären da eine Möglichkeit. So können auch Jugendliche begeistert werden, die nicht politisch interessiert sind, aber dennoch an einem Austausch teilnehmen möchten“, sagt Duman. Er plädiert auch für regelmäßigeren Austausch. Gerade für Stuttgart und seine Partnerstadt Straßburg sei das aufgrund der geringen Entfernung eigentlich kein großer Aufwand.

Diese Meinung deckt sich auch mit den Ergebnissen der Studie. Um Städtepartnerschaften zu erhalten, fordern die Befragten vor allem mehr Angebote für Jugendliche wie Workshops, Wettbewerbe oder einen Jugendbotschafter. Wichtig sei ihnen auch, dass Jugendliche nicht nur an Aktivitäten teilnehmen, sondern sie auch mitorganisieren. An zweiter Stelle wird der Ausbau von Angeboten im Sprach- und Bildungsbereich genannt. Dazu zählen Sprachreisen ebenso wie Schulprojekte. Den Teilnehmern der Befragung war auch eine Vertiefung der Partnerschaft im beruflichen Bereich wichtig.

Grundsätzlich hält die aktuelle Studie aber fest, dass Städtepartnerschaften „ein dichtes Beziehungsgeflecht zwischen den europäischen Staaten auf lokaler Ebene“ schaffen. Sie seien gerade heute ein Beispiel dafür, wie Europa bürgernah realisiert werden könne.