Ein Herz für Frankreich: Leona Murray während ihres Freiwilligenjahres in Frankreich bei ihrem Einsatz an einer Grundschule. Foto: privat

Die 21-jährige Studentin Leona Murray sieht die deutsch-französische Freundschaft aus einem besonderen Blickwinkel. Im Interview verrät sie, warum.

Bei der Podiumsdiskussion des Deutsch-Französischen Instituts war Leona Murray das Gesicht der Generation, die internationale Partnerschaften in Zeiten vieler Umbrüche in die Zukunft tragen soll. Persönliche Bindungen in andere Länder hält die 21-Jährige für ein wichtiges Puzzleteil für ein vertieftes gegenseitiges Verständnis. Möglichst viele Menschen sollten diese Erfahrung in jungen Jahren machen können, findet Murray – auch, um manches Vorurteil über Bord werfen zu können.

Frau Murray, Sie haben sich nach dem Abitur in der französischen Provinz mitten ins Leben gestürzt. Wie blicken Sie heute auf diese Zeit?

Sie war ausschlaggebend für meinen weiteren Weg. Ich habe in einem Dorf in einer wunderschönen Region in Zentralfrankreich an einer Grundschule Deutsch und Englisch unterrichtet. Das Ziel war nicht, dass die Kinder wirklich die Sprache lernen, sondern ich wollte mit Liedern oder Spielen kleine Inseln im Alltag schaffen und ihnen Lust auf andere Sprachen und Kulturen machen. Ich habe bei zwei Gastfamilien gelebt, deren Kinder ich nach der Schule betreut habe. Das war sehr prägend, denn es war in der Corona-Zeit, in der reisen und andere Unternehmungen nur eingeschränkt möglich waren. Man ist dann sehr nah mit wenigen Menschen zusammen und bekommt viel voneinander mit, ob man es möchte oder nicht. Es ist ein Geben und Nehmen. Für mich war es eine super Erfahrung. Ich habe ein bisschen mein Herz an Frankreich verloren. Heute studiere ich in Lille und Münster internationale und europäische Governance.

Warum haben Sie sich für Frankreich entschieden?

Ich bin mit Englisch und Deutsch aufgewachsen, hatte Französisch in der Schule, nach dem Abitur aber nicht das Gefühl, dass ich die Sprache wirklich im Alltag sprechen kann. Deshalb wollte ich sie richtig gut lernen, in Frankreich selbst.

Weshalb sollten Menschen Ihrer Ansicht nach solche Erfahrungen im Ausland sammeln?

Je mehr Austausch stattfindet, vor allem in jungen Jahren, desto eher kann man erreichen, dass Vorurteile abgebaut werden, von denen es leider auch in meiner Generation noch einige gibt. Dafür ist es auch gar nicht unbedingt so wichtig, dass man die andere Sprache gut kann. Mein Vater und mein Gastvater sprechen beispielsweise keine gemeinsame Sprache, trotzdem haben sie zwei Stunden lang zusammen ein Auto repariert und viel Spaß zusammen gehabt. Ein Aufenthalt in multikulturellen Gastfamilien ist eine sehr prägende Erfahrung. Die Begegnungen, das gemeinsame Am-Tisch-Sitzen, zusammen zu essen und zu lachen: Das ist für mich Europa. Jede Freundschaft über Landesgrenzen hinweg ist ein Gewinn und kann ein Puzzleteil für ein vertieftes gegenseitiges Verständnis sein.

Wie kann man die Lust auf solche Begegnungen schon in jungen Jahren fördern – und warum sollte man es überhaupt?

Bei Auslandserfahrungen, wie ich sie gemacht habe, lernt man nicht nur andere verstehen, sondern erfährt Selbstwirksamkeit. Sie sollten nicht nur vornehmlich privilegierten Abiturienten ermöglicht werden, die wie ich von ihrem Umfeld unterstützt wurden, sondern viel mehr und ganz unterschiedlichen jungen Menschen. Es sind aber vor allem die Abiturienten, am besten die, die in der Sprache bereits sehr gute Noten hatten, die Freiwilligendienste, wie ich ihn gemacht habe, zwischen der Schule und dem Studienbeginn einschieben. Nach einer abgeschlossenen Ausbildung, wenn es dann um den Berufseinstieg geht, gehört noch viel mehr Mut dazu, einen solchen Auslandseinsatz wahrzunehmen. Wir bewegen uns durch die sozialen Medien heute immer mehr in unseren eigenen Bubbles, das macht mich ein bisschen besorgt. Begegnungen von Angesicht zu Angesicht mit Menschen aus anderen Ländern sind gerade zum Ausbrechen aus diesen Bubbles, in denen die Leute gleich denken und sich mit den gleichen Themen beschäftigen, besonders wichtig.

Grenzenlos interessiert

Biografie
Leona Murray ist 21 Jahre alt, kommt aus Wedel aus der Nähe von Hamburg. Sie studiert in Lille und Münster internationale und europäische Governance.

Ludwigsburg
Murray machte beim Deutsch-Französischen Institut (DFI) ein dreimonatiges Praktikum und war danach als Projektassistentin dort beschäftigt. Sie betreute den deutsch-italienischen Jugendbürgerrat mit und gestaltete ein Bürgerportal für die baden-württembergisch-französische Grenzregion.