Katharina (rechts) als Intendantin, Eva Wagner-Pasquier und der Dirigent Christian Thielemann als Berater? Noch ist auf dem Bayreuther Grünen Hügel die Machtfrage offen. Foto: dpa

Wie sich Richard Wagners Nachfahren im Kampf um die Macht zerfleischten, hat am Sonntag im ZDF Christiane Balthasars pathetischer Film vorgeführt. Im wahren Leben hat die Bayreuther Co-Intendantin Eva Wagner-Pasquier ihren Rücktritt angekündigt. Ein Blick auf die aktuelle Situation in Bayreuth.

Wie sich Richard Wagners Nachfahren im Kampf um die Macht zerfleischten, hat am Sonntag im ZDF Christiane Balthasars pathetischer Film vorgeführt. Im wahren Leben hat die Bayreuther Co-Intendantin Eva Wagner-Pasquier ihren Rücktritt angekündigt. Ein Blick auf die aktuelle Situation in Bayreuth.

Stuttgart/Bayreuth - Seit 2009 schüttelt sie in Bayreuth Hände. Immer am 25. Juli muss sie das tun, wenn vor dem Festspielhaus Prominente in schwarzen Limousinen vorfahren: Angela Merkel, Thomas Gottschalk, Guido Westerwelle, Horst Seehofer. Sie müssen begrüßt werden, das will auch das Fernsehen, das mit Kameras den Marsch der Schönen, Klugen und Wichtigen über den roten Teppich hin zur Kunst begleitet. Immer am 25. Juli zeigt sich auch die stille zweite Intendantin der Festspiele einmal wieder in der Öffentlichkeit. Ansonsten steht Eva Wagner-Pasquier lieber im Hintergrund. Kümmert sich in Garderoben und Werkstätten um Konzentration und gute Stimmung, im Büro um passende Sängerbesetzungen.

Im nächsten Jahr, 2015, feiert die Tochter des langjährigen Bayreuther Festivalchefs Wolfgang Wagner aus erster Ehe ihren 70. Geburtstag, 2015 läuft der erste Vertrag aus, der sie Ende 2008 zur Co-Intendantin von Wolfgangs Lieblingstochter und Wunschkandidatin Katharina (aus zweiter Ehe) machte, und 2015 soll Schluss sein mit dem Regieren in Bayreuth. Sagt Eva Wagner-Pasquier. Gründe für ihre Entscheidung, die am vergangenen Freitag bekanntwurde, hat sie nicht genannt, aber man sieht ihr schon länger an, dass sie müde ist, erschöpft.

Dass Bayreuth anstrengend ist, liegt allerdings nicht nur an der Kunst. An dem Ort, für den Richard Wagner sein größtes und längstes Werk, den Opern-Vierteiler „Der Ring des Nibelungen“, komponierte, durchdringen die Machtkämpfe, welche die Kunst vorführt, seit jeher auch das Bewusstsein derer, die sie veranstalten. Dabei heißen die Verwalter von Wagners Kunst seit jeher alle auch Wagner, und enger als in Bayreuth greifen Kunst und wahres Leben nirgends sonst ineinander.

Auf manche Präzision im Detail verzichtet

Das hat am Sonntagabend auf eine etwas verquaste, pathetisch überhöhte Weise auch Christiane Balthasars Fernsehfilm „Der Wagner-Clan. Eine Familiengeschichte“ im ZDF vorgeführt – vor allem dank einer überzeugenden Iris Berben in der Rolle von Wagners auf nahezu masochistische Weise dienender Witwe Cosima. Um mancher Zuspitzungen willen hat der Film zwar auf manche Präzision im Detail verzichtet, aber deutlich wurde die Zielstrebigkeit, mit der Cosima ihren Willen als denjenigen des großen Meisters verkaufte und durchsetzte. Gegen den eigenen Sohn Siegfried, der die Rollen des Festivalleiters und Familienvaters annahm, obwohl er lieber Architekt geworden wäre und Männer liebte. Gegen den Willen der eigenen Tochter Isolde, die ihren eigenen Mann an die Spitze der Festspiele bringen wollte. Und manchmal auch gegen den Willen des Mannes, der aus den antijüdischen Schriften Wagners eine Rassentheorie machte: Houston Chamberlain.

Dass das Leben der Wagners immer auch ein Wagner-Theater gewesen ist, spürt man nicht zuletzt in der wunderhübsch arrangierten Todesszene des Komponisten – mit einer dekorativ über der Leiche des Genies drapierten, wirkungsvoll schluchzenden Witwe.

Auf Cosima sind bis heute sechs Mitglieder der Familie als Festspielleiter nachgefolgt, und immer herrschte rund um ihre Intendanz ein munteres Hauen und Stechen. Schlimmes ist von den Machtkämpfen zwischen Siegfrieds Söhnen Wieland und Wolfgang Wagner überliefert. Auch an ihnen ging Wieland, der Weiche, der Künstler, zugrunde.

Mehr als vier Jahrzehnte hatte Wolfgang Wagner am Grünen Hügel das Sagen – mit einem Vertrag auf Lebenszeit, von dem er 2008 nur unter der Bedingung zurücktrat, dass seine Tochter aus zweiter Ehe, Katharina, seine Nachfolgerin würde. Der Stiftungsrat gab ihm nach, aber nicht ganz – und ernannte eben Katharinas Halbschwester Eva Wagner-Pasquier zur gleichberechtigten Bayreuther Mitregentin. Das Gremium wollte (auch dies ein Machtspiel) in der Nachfolgefrage sein Gesicht wahren, und aufgrund ihres Alters galt Eva Wagner-Pasquier von vornherein nur als Co-Intendantin auf Zeit. So kam es , dass sich erst über die gemeinsame Leitungsfunktion zwei Frauen begegneten, die sich zuvor nie hatten sehen dürfen und entsprechend auch verbal voneinander distanziert hatten. Dass die Zwangsehe irgendwie funktionierte, hatte sicherlich auch damit zu tun, dass Eva fast alle öffentlichen Auftritte Katharina überließ. Die Verhandlungen über eine Verlängerung von deren Vertrag bis 2020 oder 2021 sind, wie es heißt, nahezu abgeschlossen.

Dirigent mit ausgeprägtem Machtsinn

Mit Abschluss der Saison 2015 wird Wolfgang Wagner also posthum doch noch seinen Willen bekommen, und Katharina darf alleine regieren. Oder fast alleine: Der amtierende Geschäftsführer soll ihr weiter zur Seite stehen, und als Berater wird neben Eva Wagner-Pasquier auch der Dirigent (und Dresdner Generalmusikdirektor) Christian Thielemann fungieren. Der hat, wie er am Freitag auch mit dem Rauswurf des designierten Semperoper-Intendanten Serge Dorny bewies, einen ausgeprägten Machtsinn und werkelt auch bei den Wagner-Festspielen heftig hinter den Kulissen. 2015 wird Thielemann bei Katharinas Neuinszenierung von „Tristan und Isolde“ am Pult stehen.

Die 35-Jährige wird das letzte Familienmitglied auf dem Wagner-Thron sein. Wieland Wagners Tochter Nike, die 2015 ebenfalls 70 wird, geht als Intendantin zum Bonner Beethovenfest, ist also als Konkurrentin aus dem Rennen. Weitere potente Bewerber aus dem Clan gibt es nicht.

Tatsächlich ist es lange schon Zeit für ein Umdenken. Auch wenn sich die Festspiele unter Katharina medial ein wenig angepasst haben, ist eine Besetzung des Bayreuther Intendantenpostens mit unabhängigen, kompetenten und breiter denkenden Opern-Machern überfällig. Nicht nur äußerlich bröckelt seit Jahren der Putz am Festspielhaus. Seit neuestem sind für einige Vorstellungen Karten im Internet zu haben. Die Archive (einschließlich der Dokumente zur Nazi-Vergangenheit der Festspiele) sind immer noch nicht ganz geöffnet, der Spielplan ist schmal. Weniger Mythos, mehr Kunst, mehr Kante: So allein kann der Grüne Hügel eine Zukunft haben. Auch wenn sich mit dieser keine Klatschspalten mehr füllen und keine pathetischen Filme mehr machen lassen.