Verkehrsminister Hermann (re.) bei einer Diskussionsveranstaltung in Degerloch mit Daimler-Chef Ola Källenius. Foto: dpa/Christoph Schmidt

Bei Daimler brechen schwere Zeiten an, doch in Teilen der Landesregierung herrscht gerade aufreizende Gelassenheit, meint StN-Autor Klaus Köster.

Stuttgart -

Wer wissen will, wie Mandatsträger wirklich ticken, sollte sich nicht nur die Reden in den Parlamenten anschauen, sondern auch das, was sie zuweilen in kleineren Arenen äußern. Eine Diskussion in der Waldschule in Stuttgart-Degerloch ermöglichte vor wenigen Tagen solche aufschlussreichen Einsichten. Zur verpassten Ansiedlung einer Fabrik des US-Elektroautoherstellers Tesla sagte Verkehrsminister Winfried Hermann: „Besonders scharf waren wir jetzt auch nicht darauf.“ Die Region hänge ohnehin einseitig am Automobil. Daher brauche man „nicht noch mehr Automobilindustrie“.

Ist Daimlers Krise wirklich eine gute Nachricht?

Hermanns Wunsch geht postwendend in Erfüllung. Denn nun gab der Daimler-Konzern bekannt, dass er innerhalb der nächsten drei Jahre mindestens 10 000 Arbeitsplätze abbauen will. Zölle, die Einführung von E-Autos, für deren Produktion weit weniger Menschen benötigt werden, der rasche Rückgang der Dieseltechnologie – die Autobranche befindet sich in einem perfekten Sturm, und Daimler steckt mittendrin. Nach Hermanns Terminologie sinkt nun in der Tat die Abhängigkeit der Region von der Autoindustrie. Ist das eine gute Nachricht?

Natürlich liegt die Krise nicht allein daran, dass es Hermann mit Dieselfahrverboten zeitweise gar nicht schnell genug gehen konnte, so dass auch Daimler wertvolle Zeit für einen sozialverträglicheren Technologiewandel verlor. Zur Krise hat Daimler durch trickreiche Diesel-Technologien ebenso beigetragen wie durch den zähen Versuch, dessen Nachbesserung auszusitzen. Und dass man durch die EU-Vorschriften kalt erwischt wurde, lag auch an der leeren Pipeline von E-Autos. Reichlich spät, aber umso entschlossener hat Daimler nun umgesteuert. Bei Hermann dagegen ist ein Umdenken noch nicht zu bemerken.

klaus.koester@stuttgarter-nachrichten.de