Er läuft und läuft  . . . und springt manchmal auch: Silas Wamangituka Foto: imago/Oliver Zimmermann

Der 21 Jahre alte Kongolese ist mit elf Toren aktuell der erfolgreichste Mittelfeldspieler der Bundesliga und macht nicht nur beim VfB Stuttgart mit Geschwindigkeit und seinen Sololäufen von sich reden.

Stuttgart - Es gibt tatsächlich schnellere Spieler in der Fußball-Bundesliga. Alphonso Davies vom FC Bayern zum Beispiel, der in dieser Saison schon mit 35,94 km/h auf dem Rasen gemessen wurde. Das bedeutet Rang eins. Oder Kingsley Coman auf Platz zwei, Höchstgeschwindigkeit 35,68 km/h. Einen Wimpernschlag war der Münchner bisher schneller unterwegs als Silas Wamangituka (35,42). Doch in Verbindung mit einer weiteren wichtigen Statistik kommt der französische Außenstürmer nicht an die Offensivkraft des VfB Stuttgart heran.

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Wamangituka hat bereits elf Ligatore erzielt, Coman nur zwei. Damit ist der Kongolese aktuell der erfolgreichste Mittelfeldspieler im Oberhaus und hat sich vor dem Auswärtsspiel an diesem Samstag (15.30 Uhr) bei Bayer Leverkusen in das Rampenlicht katapultiert. „Wir sind mehr als gewarnt vor ihm“, sagt der Sportdirektor Simon Rolfes, „es wird entscheidend sein, dass wir im eigenen Ballbesitz gut positioniert sind, um die Stuttgarter Konter zu unterbinden, die sicher über Silas Wamangituka laufen werden.“

Der Mann für überfallartige Angriffe

Beeindruckt zeigte sich der ehemalige Nationalspieler zuletzt von den Qualitäten des 21-Jährigen. Denn Wamangituka sprintete am vergangenen Spieltag nicht nur gegen den FSV Mainz 05 etwa 80 Meter über den Platz und traf. Er wiederholte im DFB-Pokal gegen Borussia Mönchengladbach diesen Alleingang. Innerhalb von wenigen Sekunden liefen die überfallartigen Angriffe ab – vom Ballklau bis zur Vollendung. Der als Fernsehexperte eingesetzte Weltmeister Bastian Schweinsteiger fühlte sich beim Anblick der Bilder gar an die früheren Weltklassespieler Arjen Robben und Franck Ribéry erinnert.

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Beides waren Flügelspieler: Robben mit einem ausgeprägten Hang zum eigenen Abschluss, Ribéry mit einer extremen Neigung zu wilden Dribblings. Gemessen an den Vorstellungen der einstigen Bayern-Stars Rib & Rob erscheint einem Wamangituka nun wie eine Rakete auf der Rampe. Sie hat schon diverse Male gezündet, aber so richtig durchstarten wird sie erst noch. „Er wird in seinen Aktionen immer geradliniger und auch präziser“, sagt Pellegrino Matarazzo.

Mit dem Straßenfußball-Gen gesegnet

Der Trainer bescheinigte dem Hoffnungsträger (Vertrag bis 2024) bereits im vergangenen Herbst „ein unfassbares Talent“. Denn Silas Wamangituka bringt etwas mit, das nicht mehr viele Spieler in sich tragen: das Straßenfußball-Gen. Eine Verspieltheit und Frechheit, die im modernen Fußball fast anarchistisch anmutet – und die es in die geordneten Bahnen eines Mannschaftsspiels zu lenken gilt. „Sein Timing für tiefe Läufe wird immer besser, und er trifft immer häufiger die richtigen Entscheidungen“, sagt Trainer Matarazzo über den „Jungen mit Herz“.

14 Torbeteiligungen kommen so bereits zusammen, was 40 Prozent der VfB-Treffer ausmacht. Mit seinen elf Toren in 18 Einsätzen wandelt die Nummer 14 der Stuttgarter auf den Spuren einer Vereinslegende. Zuletzt schaffte das Fredi Bobic in der Saison 1996/1997. Der Sportvorstand von Eintracht Frankfurt war einst Stürmer, aber bei Wamangituka weiß man nicht, was er für eine genaue Berufsbezeichnung trägt. Als Angreifer wurde er von Paris FC geholt. Über die Außenpositionen stürmt er gerne nach vorne, aber er kann auch zum Glied einer Fünferkette in der Abwehr werden.

Wamangituka hat schnell gelernt

Diesen Teil seiner Arbeit musste Wamangituka erst lernen, da er aus keiner edlen Nachwuchsakademie stammt, in der Spielsysteme, Taktiken und Laufwege gelehrt werden. Matarazzo vermittelte es ihm. Und mit dem Spielverständnis wuchs das Selbstvertrauen. Wamangituka weiß, was der Trainer auf den verschiedenen Positionen von ihm verlangt – und er weiß seine Stärken immer besser einzusetzen. Das macht ihn immer wertvoller für den VfB und interessanter für andere Clubs. Dennoch bewegt sich Wamangituka mit seinen Tempodribblings und Torschüssen bisweilen auf einem schmalen Grat.

„Bei Silas weiß ich, dass er den Ball nicht gerne abspielt“, sagt Sasa Kalajdzic. Wie Nicolas Gonzalez war auch der österreichische Sturmkollege gegen die Mainzer und Gladbacher mitgesprintet, um den Raum zu öffnen und anspielbar zu sein. Nur: Wamangituka baute den Slalomlauf zur Solonummer aus – mit Erfolg. Andernfalls hätte er sich zumindest einen Rüffel von Gonzalez eingefangen.

Noch wird der Eigensinn positiv bewertet

Doch jedes Team benötigt individuelle Klasse, um Abwehrketten zu sprengen. Deshalb stellt sich die Frage: Wie viel Eigensinn verträgt eine intakte Gruppe? Oder andersherum: Wie viel Anpassung verlangen die Mitspieler von ihrem Solokünstler? Die Antwort hängt sicher davon ab, inwieweit die Mannschaft von den individuellen Leistungen profitiert.

Bei Silas Wamangituka scheint das Verhältnis jedenfalls zu stimmen. Er erfüllt beim VfB seine defensive Aufgaben, und im Moment macht er mit seinem Tempo und seinen Toren in der Offensive den Unterschied aus.