Der Physiotherapeut Gerhard Wörn pflegt nach 30 Jahren beim VfB nicht nur mit Mario Gomez ein freundschaftliches Verhältnis. Foto: Baumann

Der Wernauer Gerhard Wörn ist seit 30 Jahren Physiotherapeut beim VfB Stuttgart, für den er schon als Spieler aufgelaufen und 1977 in die Bundesliga aufgestiegen ist. Hier gibt er Einblick in seine Erlebnisse.

Stuttgart - Dass ehemalige Spieler nach dem Ende ihrer aktiven Karriere eine andere Funktion in ihrem Verein übernehmen, ist nicht außergewöhnlich. Die Geschichte von Gerhard Wörn aber ist eine Besondere: Der 63-jährige Wernauer wurde mit dem VfB Stuttgart 1975 deutscher A-Jugend-Meister, bestritt anschließend 28 Zweitligaspiele für die Stuttgarter und stieg mit der Mannschaft 1977 in die Bundesliga auf. Anschließend spielte er vier Jahre für die VfB-Amateure, schaffte mit dem Team 1979 den Oberliga-Aufstieg und wurde 1980 deutscher Amateurmeister. Im Juli 1990 kehrte Wörn als Physiotherapeut auf den Wasen zurück – seit nun 30 Jahren kümmert er sich um Muskeln und Bewegungsapparat der Profi-Fußballer und ist damit in einem schnelllebigen Geschäft eine Konstante beim VfB. Und hat natürlich eine Menge erlebt. Gerhard Wörn spricht über . . . 

. . . den Übergang vom Spieler zum Physiotherapeuten:

„Als ich 1975 nach der deutschen Jugendmeisterschaft unter anderen gemeinsam mit Hansi Müller zu den Profis kam, war ich ein vielversprechendes Talent. Ich hatte eine tolle Zeit mit dem Aufstieg in die Bundesliga als Höhepunkt. Aber das Leben hatte einen anderen Plan mit mir. Durch eine Gleitwirbel-Problematik, mit der ich lange zu kämpfen hatte, bin ich so zum Beruf des Physiotherapeuten gekommen.“

. . . sein zweites Engagement beim VfB:

„Nach sieben Jahren als Spieler beim SV Göppingen und Therapeut in der Klinik am Eichert rief mich Dr. Thomas Frölich, der damalige Mannschaftsarzt des VfB Stuttgart, an und wir wurden uns schnell einig über eine Rückkehr zum VfB.“

. . . seinen ersten Trainer als Physiotherapeut beim VfB:

„Das war ganz lustig: Es war Willi Entenmann, mit dem ich als Spieler 1980, also zehn Jahre vorher, deutscher Amateurmeister geworden war. Willi war ein Trainer, der ein unwahrscheinliches Gefühl für Fitness hatte. Alle seine Mannschaften waren auf den Punkt hin fit. Er hatte eine typische schwäbische Mentalität. Nachfolger wurde dann der Rheinländer Christoph Daum, der ganz anders an die Mannschaft herangetreten ist.“

. . . die verschiedenen Trainertypen:

„Es waren ja sehr viele Trainer. Sie waren vom Naturell sehr unterschiedlich. Christoph Daum kam über die Motivationsschiene, Felix Magath komplett über die Willensschulung und die absolute Fitness, Alexander Zorniger kam dann voll über das Spielsystem, auch wenn er beim VfB nicht gerade der erfolgreichste war. Trainer ist ein außergewöhnlicher Beruf, deshalb sind es auch außergewöhnliche Typen. Es müssen Menschenfänger sein, deshalb ist zum Beispiel einer wie Jürgen Klopp so erfolgreich.“

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. . . den prägendsten Präsidenten:

„Da kann es nur einen geben:Gerhard Mayer-Vorfelder. Er hat verkörpert und dargestellt, wie man sich einen Präsidenten vorstellt. Er war ein Typ, der stolz darauf war, den VfB führen zu dürfen und diesen Stolz hat er in den Verein weitergetragen, sodass man sich mit der Sache identifiziert hat. Wenn man dabei war, hat man zur VfB-Familie gehört. Er hat sicherlich polarisiert, aber wenn jemand für seine Sache brennt, tut man das fast automatisch. Er war eine Persönlichkeit, die für etwas steht und hat keine Ruhe geben, etwas für den Verein zu erreichen.“

. . . sein Verhältnis zu den Spielern:

„Grundsätzlich hatte ich zu allen Spielern ein gutes Verhältnis. Fußballer sprechen die gleiche Sprache und sind Teamplayer, da ist ein Grundverständnis da. Vor allem zu all denen hatte ich einen guten Kontakt, die nicht nur ihre fußballerische Kunst eingebracht, sondern versucht haben, den VfB zu leben. Ich habe ein Problem mit egoistischen Spielern, die vor allem für das Geld und für sich spielen und die nicht den mannschaftlichen Erfolg suchen.“

. . . die Spieler, zu denen er den engsten Kontakt hatte:

„Wenn ich die alle aufzähle, dauert es lange. Matthias Sammer kam damals praktisch direkt aus der ehemaligen DDR zu mir auf die Massagebank, er war eine interessante Persönlichkeit. Mit Frank Verlaat habe ich kürzlich lange telefoniert und über den Aufstieg gesprochen. Mit Zvonimir Soldo hatte ich ein enges Verhältnis, auch Marcelo Bordon war ein überragender Mensch. Mit ihm habe ich kürzlich über die Corona-Situation in Brasilien gesprochen. Er hat erzählt, wie schwierig die Umstände dort sind – aber ihm geht es gut. Bei Mario Gomez war sehr schön, ihn heranreifen zu sehen, zu erleben, wie gut er sich entwickelt. Viele Spieler kommen als junger Kerl und gehen als Persönlichkeit.“

. . . die traurigsten Momente:

„Das waren ganz klar die Abstiege in die zweite Bundesliga. Die Bundesliga ist eine gnadenlose Liga. Beim VfB war es in den vergangenen Jahren immer ein Thema, dass er unten reinrutscht und es ihn erwischen könnte. Aber wir hatten uns aus den prekären Situationen immer irgendwie rausgehauen, etwa zwei Mal mit Huub Stevens als Trainer. Als wir 2016 dann doch abgestiegen sind, wurde mir klar: Wenn du einmal absteigen kannst, ist das immer wieder möglich. Davor hatte man das Gefühl, dass man gar nicht absteigen kann.“

. . . die schönsten Momente:

„Im Sport sind Erfolge, Meisterschaften und Pokalsiege das Schönste. Obwohl, auch ein Nicht-Abstieg wie der mit Huub Stevens im Jahr 2014, als wir die letzten drei Spiele gewinnen mussten und dann auch gewonnen haben – das war genauso emotional. Aber die Meisterschaft 1992 mit Christoph Daum, der Pokalsieg 1997 mit Jogi Löw und die Meisterschaft 2007 mit Armin Veh waren schon was ganz Besonderes. Die Fahrt damals vom Stadion in die Stadt hat vier Stunden gedauert, hunderttausende Leute haben die Straße gesäumt – das war brutal emotional.“

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. . . den Wiederaufstieg in der abgelaufenen Saison:

„Es war schon die ganze Saison ein Wechselbad der Gefühle. Wir haben schon eine gute Mannschaft, von der wir überzeugt waren, dass wir mit ihr aufsteigen. Wir haben aber nie die Konstanz reingebracht, die uns frühzeitig dran hätte glauben lassen. Immer, wenn wir dachten, dass wir durch einen Sieg an Stabilität gewinnen, hat es direkt bitterböse Rückschläge gegeben. Ich hätte deshalb nicht gedacht, dass wir schon einen Spieltag vor Schluss praktisch aufgestiegen sind, sondern dass wir das letzte Heimspiel gegen Darmstadt 98 brauchen. Der Abpfiff in Nürnberg und das Wissen, dass Heidenheim gegen Hamburg gewonnen hat und wir aufgestiegen sind – das war ein ganz spezieller Moment.“

. . . die Zukunft des VfB:

„In der Bundesliga gibt es vielleicht drei Vereine, die sicher mit dem Abstieg nichts zu tun haben, alle anderen müssen in jeder Saison primär darum kämpfen, nicht hinten reinzurutschen. Dazu gehört der VfB. Aber ich bin zuversichtlich, dass der VfB eine gewisse Konstanz hineinbringt und es schafft, sich unter den ersten zehn Mannschaften zu etablieren.“

. . . seine eigene Zukunft:

„Ich habe nie groß geplant, die entscheidenden Dinge in meinem Leben sind immer passiert. Ich mache die nächste Saison auf jeden Fall noch, dann bin ich 64 Jahre alt und könnte aufhören. Dann entscheide ich, was ich mache. Ich habe schon ein paar Dinge im Kopf.“