Nicht die spannendste Lektüre, aber durchaus informativ: Der neue Duden. Foto: Duden/Felix Pöhland Photography

Es herrscht Bewegung in der Sprache. In der nun neu aufgelegten 28. Ausgabe des Duden wurden 3000 neue Wörter hinzugefügt, 300 wurden gestrichen. Aber was passiert eigentlich mit Wörtern, wenn sie nicht mehr gebraucht werden?

Stuttgart - Im Rhythmus von drei bis fünf Jahren erscheint üblicherweise eine neue, überarbeitete Ausgabe des Duden, dem groben Werkzeugkoffer der Deutschen Sprache. Wie dynamisch sich unser Wortschatz gestaltet, zeigt sich auch darin, dass in der nun erschienen 28. Auflage, gegenüber der von 2017, knapp 3000 neue Wörter aufgenommen wurden, rund 300 Wörter wurden dagegen gestrichen.

Zwinkersmiley, jetzt wird geschwurbelt

Neu sind beispielsweise Shishabar, schwurbeln, rechtsterroristisch oder der Zwinkersmiley. Gestrichen wurden: Fernsprechanschluss, Rechtsgelehrsamkeit oder Schlafgänger. Im Regelfall, so vermeldet das Haus Duden, werden Wörter getilgt, wenn sie veralten beziehungsweise durch andere ersetzt werden, wenn es die bezeichneten Sachen und Sachverhalte nicht mehr gibt oder sie keine Rolle mehr spielen. Was folgt: der Ruhestand, eventuell das Vergessen

Manchmal kommen sie zurück

Für Kulturpessimismus ist dennoch kaum Grund geboten. Denn nichts muss für immer sein und Rückkehrer gab es immer wieder im Duden: Die „Filmdiva“, 1934 aus der 11. Auflage des Duden gestrichen, feierte 1973 in der 17. Auflage ihr fulminantes Comeback. Die „Aufklärungsarbeit“ wiederum wurde 1986 (19. Auflage) eingestellt und in der 25. Auflage von 2009 wieder ins Wörterbuch aufgenommen.

Die Auswahl möglicher Kandidaten für den Duden läuft mithilfe des so genannten Dudenkorpus, einer Art Datenbank, die seit 1995 gepflegt wird. Darin erfasst sind große Mengen von Texten aller Art und Stand heute, laut Kathrin Kunkel-Razum, der Leiterin der Dudenredaktion, rund 5,6 Milliarden Wortformen.

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Anhand dieser elektronischen Textsammlung lassen sich Trends und Vorlieben beobachten – welche Wörter beispielsweise benutzt werden, welche an Bedeutung verlieren oder welche plötzlich „aufploppen“ (Neuzugang 2020).

Die beste Chance, in den erlauchten Kreis der derzeit 148 000 Wörter im Duden aufgenommen zu werden: Sie müssen genutzt werden, von vielen Menschen und über einen längeren Zeitraum hinweg.

Willy Brandt und eine Petitesse

Und da ist diese Geschichte mit Altkanzler Willy Brandt. Der Mann hat Großes für die Bundesrepublik Deutschland getan – 1976 war sogar eine Petitesse dabei. Das wunderschöne Wort für eine „Kleinigkeit“, „unwichtige Sache“, war längst aus dem deutschen Sprachgebrauch verschwunden, nicht mal der Duden wollte es haben – weil eben niemand mehr „Petitesse“ sagte.

Außer Willy Brandt, und das aus heiterem Himmel: Darauf angesprochen, wie sich die SPD der Probleme jugendlicher Wähler annehmen wolle, antwortete Brandt 1976 dem ARD Journalisten Ernst Dieter Lueg, man möge sich doch jetzt bitte nicht „mit solchen Petitessen“ aufhalten.

Weil Brandt Gefallen an dem hübschen Wort fand und es fortan mehr als nur gelegentlich einsetzte, kehrte die „Petitesse“ tatsächlich in den allgemeinen Wortschatz zurück, von 1980 an wurde sie wieder im Duden geführt.

„Influencer“ ist nun auch in der 28. Auflage des Dudens notiert. Wahrscheinlich aber nicht, weil Willy Brandt damals schon einer war. Also, irgendwie.