Ola Källenius wird Chef des Daimler-Konzerns. Foto: dpa

Klima, Jobs und Weltwirtschaft: Der künftige Daimler-Chef wird den Konzern durch anspruchsvolle Zeiten steuern müssen

Stuttgart - Vor dem künftigen Chef des Daimler-Konzerns liegen viele Aufgaben.

Die Person

Der scheidende Daimler-Chef Dieter Zetsche genießt es, auf der Bühne zu stehen und das Publikum zu überraschen. Der Auftritt mit Cowboyhut und -stiefeln liegt ihm ebenso wie selbstironische Videos für die Mitarbeiter. Sein Nachfolger Ola Källenius hat offenbar eher nicht vor, in diese Fußstapfen zu treten. Der hoch aufgeschossene Schwede tritt eher kontrolliert auf, und er trägt im Gegensatz zu Zetsche auch keine Sneakers. Er wird beschrieben als ein Manager, der gut zuhören kann und dann knochentrocken entscheidet. Anders als Zetsche ist Källenius kein Ingenieur, sondern Wirtschaftswissenschaftler. Er mag nicht jede Schraube kennen, aber nach 24 Jahren bei Daimler, darunter je zwei im betriebswirtschaftlich geprägten Amt des Vertriebschefs und auf dem technisch dominierten Posten des Entwicklungsvorstands, lässt er sich von niemandem ein X für ein U vormachen.

Die E-Autos

Bereits wenige Tage vor seinem Amtsantritt stellte Källenius ein Konzept vor, wonach die Autoflotte ab 2039 komplett CO2-frei fahren soll. Es reiche nicht, Nachhaltigkeit als einen Teil der Geschäftsstrategie zu verstehen – vielmehr müsse die Geschäftsstrategie selbst nachhaltig sein, sagte er – und machte damit klar, dass das Thema Umwelt für ihn eine überragende Bedeutung besitzt. Angesichts der weltweit immer schärferen Vorschriften gibt es zu einer solchen Strategie auch gar keine Alternative. Die Strategie „Ambition 2039“ setzt aber ausdrücklich nicht allein auf das Batterieauto, sondern auf eine Vielzahl von Technologien, darunter auch die Brennstoffzelle und sogar Diesel- oder Benzinmotoren, die als Hybrid und mit klimaneutralen Kraftstoffen betrieben werden. Als Entwicklungschef hat er diese Strategie maßgeblich mit entworfen. Der Zeitdruck ist enorm: Die neuen EU-Regeln sehen vor, dass Daimler den durchschnittlichen CO2-Ausstoß seiner Neuwagenflotte bereits im kommenden Jahr von 132 auf 105 Gramm pro Kilometer senken muss.

Die Jobs

Klar ist, dass für den Bau eines Elektroautos weit weniger Menschen benötigt werden als für den eines Benziners oder eines Diesels. Für reichlich Diskussions- und Konfliktstoff wird auch deshalb gesorgt sein, weil Zetsche immer wieder erkennen ließ, dass er die unter Druck stehenden deutschen Standorte wie Untertürkheim nicht unbedingt als erste Wahl für die E-Mobilität ansieht. Batteriezellen bezieht man aus Asien, Elektromotoren von einem Zulieferer.

Auf Druck des Betriebsrats werden nun zumindest fertige Batterien verstärkt auch Deutschland montiert. Doch ein Jobkonzept ist bisher nicht erkennbar, obwohl der Konzern eine Beschäftigungssicherung vereinbart hat und bis 2029 auf Entlassungen verzichtet. Das Unternehmen werde „die Frage beantworten müssen, mit welchen Technologien es diese Vereinbarung mit Leben erfüllen will“ sagte Betriebsratschef Michael Häberle vor einigen Wochen unserer Zeitung. Diese Antwort steht weiter aus. Die Ankündigungen von Källenius, nicht nur die Batterietechnologie weiter zu verfolgen, gibt aber durch aus Anlass zur Hoffnung – denn die Alternativen wie die Brennstoffzelle sind aus Sicht der Beschäftigung wertvoller als die Batterietechnologie.

Der Diesel

Die Marktanteile des Diesels sind stark gesunken, doch für die Beschäftigung ist er sehr wichtig. Während Källenius‘ Zeit als Entwicklungschef stellte Daimler wie auch Bosch eine Dieseltechnologie vor, die kaum noch Stickoxide oder Feinstaub ausstößt und 20 Prozent weniger Treibhausgas. Es ist aber ungewiss, ob er damit das Steuer noch herumreißen kann. Auf dem Spiel stehen nicht nur viele Arbeitsplätze, sondern auch Investitionen in Milliardenhöhe.

Die Digitalisierung

Ob autonomes Fahren oder das Teilen von Autos – bei digitalen Mobilitätstechnologien haben US-Konzerne wie Google und Uber die Nase weit vorn. Längst spult Google mit selbstfahrenden Autos auf amerikanischen Straßen Millionen von Kilometern herunter und bringt ihnen mit diesen Daten das Selbstfahren bei. Und der Uber-Konzern erzielt riesige Umsätze mit Fahrten, die er nur vermittelt. Gibt die Autobranche solche Teile des Geschäfts aus der Hand, läuft sie Gefahr, zum Zulieferer datengetriebener Technologiekonzerne degradiert zu werden. Deshalb sind Daimler und BMW über ihren Schatten gesprungen. Sie wollen nun gemeinsam die Technologie des autonomen Fahrens entwickeln und ihre Mobilitätsplattformen zusammenlegen.

Der US-Präsident

Die Zolldrohungen von US-Präsident Donald Trump sind brandgefährlich. Selbst das Argument, dass deutsche Autohersteller in den USA ein großer Arbeitgeber sind, hilft in diesem Poker nicht weiter. Auch von dem Streit zwischen den USA und China ist Daimler betroffen – liefert der Konzern doch in großer Zahl Autos aus den US-Werken nach China. Der große chinesische Markt ist jedoch durchaus zweischneidig zu bewerten, denn die sehr guten Absatzzahlen von Daimler bedeuten zugleich eine hohe Abhängigkeit von einem Markt, in den die Politik jederzeit eingreifen kann und dies auch tut. So besteht sie darauf, dass in China verkaufte Autos mit dortigen Batteriezellen ausgestattet werden. Auch für andere Märkte kauft Daimler mangels Alternativen Zellen in China ein, was die Abhängigkeit vergrößert.

In Zeiten, da der Handel massiv unter Druck gerät, bedeutet Exportstärke auch Erpressbarkeit. Das diplomatische Geschick, das Källenius durchaus besitzen soll. wird er im Umgang mit Politikern in aller Welt noch gut gebrauchen können.