Das letzte VfB-Heimspiel gegen die Bayern im September 2018 endete mit 0:3 – doch auch wenn die Bayern übermächtig scheinen – Gonzalo Castro weiß, wie sie zu schlagen sind. Foto: Baumann

Seit 13 Jahren wartet der VfB auf einen Heimsieg gegen den FC Bayern, der Gegner scheint auch dieses Mal übermächtig. Doch ist auch der Rekordmeister zu schlagen – das weiß beim Aufsteiger keiner besser als Kapitän Gonzalo Castro.

Stuttgart - Es mag nach dem Gewinn der deutschen Meisterschaft im Mai 2007 stetig bergab gegangen sein – seltene Sternstunden hielt der VfB Stuttgart für seinen Anhang aber auch weiter bereit. Zum Beispiel: den 3:1-Heimsieg gegen den FC Bayern am 10. November 2007. Die Tore von Mario Gomez (2) und Yildiray Bastürk sorgten an jenem Samstag schon vor der Pause für verblüffend klare Verhältnisse und euphorisch feiernde VfB-Fans.

In 13 langen Jahren ist seither kein weiterer Heimsieg gegen die ungeliebten Bayern hinzugekommen. Zu einer Serie des Schreckens sind die Duelle mit den Münchnern geworden, die Bilanz könnte niederschmetternder kaum sein: Von den letzten 13 Spielen in der Mercedes-Benz-Arena (darunter drei im DFB-Pokal) hat der VfB elf verloren, die beiden Unentschieden datieren aus den Jahren 2008 und 2009. Das Torverhältnis – 12:35. Auch das ein gnadenloser Beleg für die veränderten Kräfteverhältnisse eines Aufeinandertreffens, das in besseren VfB-Zeiten als „Südgipfel“ firmierte und längst zum David-gegen-Goliath-Duell geworden ist.

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Nach einjähriger Bundesliga-Abstinenz bietet sich dem VfB an diesem Samstag (15.30 Uhr) die nächste Gelegenheit, dem übermächtigen Rekordmeister wieder einmal ein Bein zu stellen. Das Positive: Den Stuttgartern fehlt es nach dem guten Saisonstart nicht an Selbstvertrauen, den Bayern dafür an Verschnaufpausen. Trotzdem erwartet das junge Team des Aufsteigers die denkbar größte Herausforderung – das weiß keiner besser als VfB-Routinier Gonzalo Castro: „Die Bayern sind die beste Mannschaft der Welt.“

Castro (33), nach dem Aufstieg zum Kapitän ernannt, ist der mit Abstand erfahrenste Profi im Aufgebot des VfB. Der Mittelfeldspieler blickt auf 391 Bundesliga-Spiele zurück – darunter auch eine Handvoll Siege gegen den FC Bayern, die er im Trikot von Bayer Leverkusen ebenso bezwingen konnte wie in jenem von Borussia Dortmund. Und ansonsten? Orel Mangala, Marcin Kaminski und der derzeit verletzte Erik Thommy waren immerhin beim 4:1-Auswärtssieg des VfB in München im Mai 2018 dabei, dem einzigen Erfolg in den letzten 19 Aufeinandertreffen. Der große Rest der Stuttgarter Mannschaft hat entweder noch nie gegen die Bayern gespielt oder noch nie gewonnen. Zehnmal versuchte es Daniel Didavi – heraus kam ein einziges Unentschieden in seiner Zeit beim VfL Wolfsburg.

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Worauf kommt es also an, wenn man den amtierenden Champions-League-Sieger schlagen will, ein Kunststück, das zuletzt der TSG Hoffenheim gelang? Nicht nur auf schnelle Beine, sagt Gonzalo Castro: „Gerade für den Kopf ist ein Spiel gegen die Bayern extrem intensiv, weil man in jeder Sekunde aufpassen muss.“ Wenn man glaube, den Münchner Angriff im Griff zu haben, tauchten die Mittelfeldspieler im Strafraum auf, und wenn’s sein muss, träfen auch die Verteidiger. „Das Problem ist: Die haben sehr viele verschiedene Spieler, die Tore schießen können.“ Auf 13 unterschiedliche Profis verteilen sich die bisher 28 Bayern-Tore in der Liga – beim VfB zeichneten acht Mann für die 16 Treffer verantwortlich.

„Dann kann es passieren, dass du sechs Stück bekommst“

Was also tun? Sich mit elf Mann vor dem eigenen Tor verbarrikadieren? „Dann ist es nur eine Frage der Zeit, bis das erste Tor fällt“, sagt Castro. Munter nach vorne spielen? „Dann kann es passieren, dass du sechs Stück bekommst.“ Ein „Spagat“ sei nötig, um bestehen zu können. „Einerseits müssen alle Spieler verteidigen, andererseits müssen wir versuchen, die Bayern so weit wie möglich vom eigenen Tor fernzuhalten. Nur dann kann es funktionieren.“

Es ist eine Mission, die der VfB-Kapitän zumindest nicht für völlig aussichtslos hält. Hoffnung macht ihm zweierlei: Die „große Moral“ seiner Mannschaft, die in dieser Saison schon mehrmals Rückstände aufgeholt und nur zum Auftakt gegen den SC Freiburg verloren hat, und die „sehr, sehr gute Entwicklung“ der jungen Spieler, die sich überraschend schnell an die Anforderungen in der Bundesliga gewöhnt haben. Gerade für sie sei das Duell mit den Bayern der ultimative Gradmesser: „Sie werden sehen, was sie noch alles lernen müssen, wenn sie auch einmal auf dem Niveau der Bayern spielen wollen.“

Gonzalo Castro selbst muss nicht mehr viel beweisen. Er konnte es sich in der Vergangenheit sogar erlauben, ein Angebot der Bayern auszuschlagen. 2015 sagte er ab, weil er sich bereits für einen Wechsel zu Borussia Dortmund entschieden hatte. Jetzt befindet sich der Mittelfeldspieler auf der Zielgeraden seiner Karriere. Sein Vertrag beim VfB läuft am Saisonende aus, noch ein Jahr will er danach weiterspielen, wo auch immer. Nur ein Szenario könnte ihn zum Umdenken bewegen. Allerdings muss Castro selbst lachen, als er sagt: „Wenn wir dieses Jahr Meister werden, dann höre ich auf.“