Glyphosat ist die Hauptkomponente in vielen Breitbandherbiziden. Entwickelt wurde das Mittel in den 70er Jahren vom US-Konzern Monsanto. Foto: dpa

Der Einfluss von Konzernen und Verbänden auf die Politik ist groß. Welche Rolle hat das im Fall Glyphosat gespielt? Schließlich will der deutsche Chemieriese Bayer gerade den Glyphosatentdecker Monsanto übernehmen. Wir haben uns auf die Spurensuche gemacht.

Stuttgart - Das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat darf in der EU weiter eingesetzt werden. Diese Entscheidung hat in Deutschland heftige politische Verwerfungen ausgelöst. Gefreut haben dürften sich – trotz Klagen, die Genehmigung sei viel zu kurz – aber die Herbizidhersteller weltweit, die Glyphosat einsetzen. Allen voran Monsanto, der US-Konzern, der Glyphosat entwickelt hat und in seinen Roundup-Produkten vertreibt.

Monsanto soll derzeit übernommen werden – und zwar von einem deutschen Konzern: der Leverkusener Bayer AG. Den Umsatz- und Gewinnanteil von Glyphosat weise Monsanto zwar nicht aus, sagt Bernhard Weininger, der für Independent Research die Bayer-Aktie analysiert, es sei aber klar, dass das Unkrautvernichtungsmittel sehr lukrativ und eine Genehmigung für Bayer entsprechend relevant sei. Auch wenn das Thema Glyphosat wohl nicht ausschlaggebend für die Übernahme ist. Dennoch liegt die Frage nahe, welche Rolle industrielle Einflüsterungen beim Brüsseler Glyphosat-Verfahren und dem entscheidenden deutschen Ja gespielt haben, und inwieweit die Agrarlobby Einfluss genommen hat. Denn schließlich gab die Zustimmung ein CSU-Politiker, dessen Partei auf das Wohlwollen der Landwirte angewiesen ist und deren Stimmen bei der anstehenden Landtagswahl braucht.

Die EU-Kommission dokumentiert ihre Kontakte mit Lobbyisten

Auf europäischer Ebene ist das eher zu beantworten als auf deutscher. Denn in Brüssel gibt es die Selbstverpflichtung, dass EU-Kommissare und deren Kabinette bis hin zur Ebene der Generaldirektoren (vergleichbar mit Staatssekretären in Deutschland), Treffen mit Lobbyisten in ein Register eintragen. Unter www.integritywatch.eu ist dieses Register einsehbar.

Für die Bayer AG sind seit Februar 2015 insgesamt 25 Treffen verzeichnet. Hinter weniger als der Hälfte dieser Termine könnte sich das Thema Glyphosatzulassung verbergen – könnte, denn verzeichnet ist nur das Oberthema eines Treffens wie etwa „Pflanzenschutzmittel“. Angezeigt wird unter dem Schlagwort Bayer zudem ein Treffen zwischen dem Kampagnen-Netzwerk Avaaz, das gegen Glyphosat agitiert, mit Leon Delvaux aus dem Kabinett des EU-Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker. Thema: Übernahme von Monsanto durch Bayer. Für Monsanto sind fünf Lobbytermine verzeichnet – bei dreien ging es explizit um Glyphosat. Für den Deutschen Bauernverband listet das Register 14 Treffen mit der EU-Kommission auf. Darunter beispielsweise ein Treffen im Juni 2017 mit dem Kabinettschef des Gesundheitskommissars Vytenis Andriukaitis zum Thema Pflanzenschutzmittel.

Transparenz schmälert den Einfluss von Industrie und Verbänden kaum

Dass es Gespräche von Lobbyisten mit Kommissionsmitgliedern zum Thema Glyphosat gegeben hat, steht außer Frage. Ob auch Termine mit dem deutschen Agrarminister Christian Schmidt (CSU) stattfanden, dessen Alleingang die Zulassungsverlängerung ermöglichte, lässt sich nicht so einfach klären. Denn „die EU ist viel weiter als Deutschland“, wie Nina Katzemich von Lobbycontrol sagt. In Deutschland werden Lobbyistenkontakte nicht dokumentiert. Der gemeinnützige Verein will nach eigenen Aussagen über Machtstrukturen und Einflussstrategien in Deutschland und der EU aufklären. Deshalb will Katzemich beim Landwirtschaftsministerium nachfragen und eine Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz einholen. „Aber die kriegen wir normalerweise erst Monate später.“ Und auch dann wird Lobbycontrol nicht wissen, ob die Lobbyisten tatsächlich Einfluss auf die Politik ausgeübt haben. „Transparenz“, das sagt auch Katzemich, „schmälert den Lobbyeinfluss kaum, aber sie macht ihn immerhin sichtbar.“ Sven Giegold, Mitglied der Grünen Fraktion im Europaparlament, sieht in dem Glyphosat-Verfahren immerhin einen „fairen Wettbewerb der Interessen“. Es würde ihn wundern, sagt der Politiker, wenn es keine Einflüsterungen gegeben habe, „aber das wurde nicht im Hinterzimmer entschieden. Es gab energische Gegenkräfte.“ Gegen Lobbyismus an sich sei seines Erachtens auch gar nichts einzuwenden. „Es ist legitim, dass die Industrie ihre Interessen vertritt. Es darf nur nicht übermäßig sein.“ Bei sich selbst schafft Giegold Transparenz: auf seiner Homepage führt er seine Treffen mit Lobbyisten auf.