Denzel Washington in „The Equalizer“ Foto: dpa

Das nuancenreiche Spiel von Denzel Washington verleiht sowohl Helden- („Malcolm X“) als auch Schurkenrollen („Safe House“) emotionale Tiefe und Glaubwürdigkeit. In dem Action-Drama „The Equalizer“ spielt Washington einen Baumarktangestellten mit ungewöhnlichen Fähigkeiten.

Das nuancenreiche Spiel von Denzel Washington verleiht sowohl Helden- („Malcolm X“) als auch Schurkenrollen („Safe House“) emotionale Tiefe und Glaubwürdigkeit. In dem Action-Drama „The Equalizer“ spielt Washington einen Baumarktangestellten mit ungewöhnlichen Fähigkeiten.
 
Mr. Washington, Ihr Filmcharakter McCall hat einige Ticks. Stimmt es, dass Sie diese Seite der Figur zusätzlich ausgebaut haben?
Ja. Ich habe mich mit Zwangsstörungen auseinandergesetzt. Nachdem ich viel darüber gelesen hatte, beschloss ich, mehr davon in das Drehbuch einzubringen. Ich mochte, dass das Buch nicht verrät, auf welche Vergangenheit McCall zurückblickt und warum er so geworden ist. Warum schaut er immer auf seine Uhr? Warum kann er nicht schlafen? Warum arrangiert er die Sachen um sich herum? Dieses obsessive Verhalten hat mich immer stärker fasziniert. Das Publikum lernt McCall auch allein zu Hause kennen, einen normalen, einsamen, seltsamen Kerl mit merkwürdigen Angewohnheiten. Gleichzeitig offenbart sich sein Kern.
Inwiefern?
Vor der ersten Action-Szene wissen wir, dass er gern Menschen hilft. Er unterstützt seinen Kollegen, der abnehmen möchte. Er spricht mit dem Mädchen im Diner und sagt zu ihr, was er eigentlich zu sich selbst sagen sollte: „Du musst in dieser Welt du selbst sein.“. Was immer er früher gemacht hat, es hat ihn zu der Person geformt, die wir im Film kennenlernen. Es ist interessant, dass ein 15-jähriges Mädchen etwas in seinen Augen sieht, das allen anderen entgeht. Das ist gute Schreibe. Eine andere verlorene Seele erkennt, was McCall vor allen anderen verbirgt. Sich selbst eingeschlossen.
Haben Sie selbst eine Zwangsstörung oder eine Neurose?
Keine, die mir sofort einfallen würde. Als ich mich mit der Materie auseinandergesetzt habe, stieß ich auch auf ein Buch mit dem Titel „Ich wasche mir fast nie die Hände“. Man sieht bei diesem Thema sonst immer nur diese Leute vor sich, die sich zwanghaft reinigen. Nun, diesen Tick hat der Autor nicht, dafür einen anderen. Im Film öffne und schließe ich die Tür fünfmal. Tatsächlich habe ich sogar mitgezählt, aber man hört es im Film nicht. Wie fängt so eine Störung an? Ich schreibe mir immer meine eigene Biografie einer Figur. Was immer McCall in seiner Vergangenheit gemacht hat, hat sich auf seine Frau ausgewirkt. Sie ist gestorben. Wir wissen nicht, wie, aber er gibt sich die Schuld daran.
Sind diese Probleme sein Schwachpunkt?
„Schwachpunkt“ ist ein heikles Wort. Es impliziert etwas Negatives. Wir haben alle unsere Schwächen. In seinem Fall braucht es ein 15-jähriges Mädchen, um ihn damit zu konfrontieren. Dieses Mädchen, das plötzlich ein ganz anderes Gesicht aufsetzt, als sie in die Limousine eines fetten, reichen Typen steigt. Wie toll Chloe Moretz das gespielt hat! Regisseur Antoine Fuqua hatte einen guten Instinkt, diese Rolle so jung zu besetzen. Das macht alles noch viel schlimmer. Wahrscheinlich hat man ihr dieses Gesicht schon antrainiert, als sie zehn war. Man hat sie in Kleidung gesteckt, die ihr Körper gar nicht ausfüllen kann. Dann kommt dieser dreckige, alte Kerl, um sie zu holen. Und sie weiß genau, welche Show man von ihr erwartet.
Versetzen Sie sich immer so tief in Ihre Charaktere hinein?
Ich bin Schauspieler. Tatsächlich wird es mir immer wichtiger. Wenn sich eine Figur für mich nicht ehrlich und wahr anfühlt, wie soll sie dann auf Sie, den Zuschauer, wirken? Man sagt „Ah, „The Equalizer“, ein Action-Film.“. Ich weiß gar nicht, was das bedeutet.
Wie lange dauert es, sich auf eine Rolle vorzubereiten?
Monate. Diesmal kam auch physisches Training hinzu, Martial Arts. Der Stunt-Koordinator war ein Navy Seal. Er hat viele Ideen in die Kampfszenen eingebracht.
Sie haben im Laufe der Zeit eine Menge gelernt.
Flugzeuge zu fliegen zum Beispiel („Flight“) oder einen Zug fahren („Unstoppable – Außer Kontrolle“). Ich kann ein Flugzeug aber nur starten. Man wollte mir auch die Landung beibringen, aber das war ja für den Film nicht von Bedeutung. (lacht)
Bleibt etwas von diesen Fähigkeiten?
Ich boxe seit 20 Jahren. In „Crimson Tide“ gab es eine Szene, in der ich auf einen Boxsack einschlage. So fing es an. Dann kam „Hurricane“ und ich beschäftigte mich noch viel intensiver mit diesem Sport. Es ist ein gutes Training. Außerdem mag ich Boxen, weil man es nie wirklich völlig beherrscht. Sobald man einem neuen Gegner gegenübersteht, ist alles anders.
Sie sind ein Mann mit einem starken Glauben. Wie schwer ist dieser Glauben zu bewahren, wenn man in den Abendnachrichten schreckliche Dinge sieht?
Ich glaube nicht alles, was ich sehe. Es steckt immer mehr dahinter. Bis zu einem gewissen Maße verstehe ich heute das größere Bild. Wir leben in einem Zeitalter der beschleunigten Information. Es existiert ein Bedürfnis nach immer mehr Information. Die Show muss immer weitergehen, deshalb benötigt man ständig neue Nachrichten. Es muss etwas Neues her, jeden Tag, jede Minute. Unglücklicherweise für Ihren Beruf ist gar nicht mehr genug Zeit, eine Information gründlich auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen. Es gab einmal Quellenbelege. Heute hinterfragt man kaum mehr, ob etwas der Wahrheit entspricht, das geäußert wurde. Ich habe auch andere Zeiten erlebt und erkenne die Veränderung.